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Frischzellenkur „Cinquantenaire 2030“

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Ehrgeiziger „Masterplan“ für die Neuausrichtung der Museums- und Parklandschaft am Rand des EU-Viertels

Von Hajo Friedrich

Die 200-Jahr-Feierlichkeiten des Königreichs Belgien im Jahr 2030 werfen ihre Schatten voraus. Das einstmals zum 50-jährigen Jubiläum der belgischen Unabhängigkeit geschaffene Ensemble aus Park, Ausstellungshallen und später einem Triumphbogen soll nicht nur grundlegend renoviert werden. Der mit 34 Hektar größte Museumspark Belgiens soll sich künftig auch stärker – über seinen bisherigen, eher musealen und in die Jahre gekommenen Charakter hinaus – an den Bedürfnissen seiner Nutzer und Besucher aus nah und fern orientieren.

Die belgische Regierung möchte den Park und die darin angesiedelten Einrichtungen in ein neues, „attraktives sozio-kulturelles und wissenschaftliches Flaggschiff“ verwandeln. Das sagte am 20. April einer der Initiatoren des Projekts, Wissenschaftsstaatssekretär Thomas Dermine, anlässlich der Vorstellung eines „Masterplans“ unter dem Titel „Cinquantenaire 2030“. Gegenwärtig spiegele der Ort zu sehr wider, wie Belgien im vergangenen Jahrhundert sein Erbe gesehen habe. Die 200-Jahr-Feier biete eine einzigartige Chance, nicht nur eine Vision für den Jubelpark, sondern auch für das Land zu entwickeln, sagte Dermine.

Mit starker „europäischer Orientierung“ und unter der Beteiligung von belgischen und ausländischen ‚Stakeholdern‘ sowie Bürgern sollen Orte geschaffen werden für Begegnungen, Teilhabe am öffentlichen Leben und breite Dialogformate. Orte, „wo sich alle treffen können“, so Premierminister Alexander De Croo. Geplant sind etwa „Outdoor Labs“, wo sich zum Beispiel Künstler und Parkbesucher begegnen können. Viele Anregungen haben die Autoren des ‚Masterplans‘ etwa in London beim Victoria and Albert Museum und in Rotterdam beim Depot Boijmans van Beuningen gefunden.

Viel Arbeit und Koordinierung der vielen beteiligten Stellen steht jetzt an im Jubelpark. Und viel Geld muss bereitgestellt werden. Allein rund 50 Millionen Euro sind gegenwärtig für die Renovierung der Dächer und Fassaden vorgesehen. Für die Umsetzung des Masterplans werden 77 Millionen Euro veranschlagt. Warum die „Studien für den Masterplan“ weitere elf Millionen Euro kosten müssen, ist allerdings zumindest fragwürdig.

Der Renovierungsbedarf am Bestand ist offensichtlich und gigantisch. Wer im Anschluss an die Präsentation an der mehrstündigen Führung durch das Ensemble teilgenommen hat, dürfte verwundert gewesen sein, in welch desolatem Zustand sich zum Beispiel das Depot des Museums für Kunst und Geschichte befindet. Auch das größte Museum am Platz, das Armeemuseum, vermittelt derzeit in einigen seiner riesigen Hallen nicht nur das Bild einer verlassenen Baustelle, sondern gar eines Schrottplatzes.

Auch angesichts des tobenden Kriegs vor Europas Haustür mögen sich inzwischen manche Besucher fragen, ob ein Ort zur Erinnerung an elementare Erfahrungen von Tod und Leben noch zeitgemäß ist, bei dem Kostüm- und Geräteschau im Mittelpunkt stehen. Das haben offenbar auch die Initiatoren des Masterplans, die sich zu der Vereinigung „Horizon 50-200“ zusammengefunden haben, begriffen. Sie betonen, dass sich der Park neben der Bewahrung des kulturellen Erbes wesentlich stärker für innovative Ansätze öffnen müsse.

So soll zum Beispiel das ebenfalls im Jubelpark angesiedelte und nur Fachleuten bekannte Königliche Institut für das kulturelle Erbe (IRPA/KIK) in die Neuausrichtung einbezogen werden. Das privat betriebene „Autoworld“-Museum scheint die Zeichen der Zeit längst verstanden zu haben. Es sei nicht nur ein großer Publikumsmagnet, sondern biete auch Platz für jährlich mehr als 100 Konferenzen sowie Veranstaltungen mit bis zu 1000 Teilnehmern, sagte Autoworld-Generaldirektor Sébastien de Baere gegenüber Belgieninfo.

Brüssel hat bereits zwei kulturelle ‚Hubs“: die in jüngerer Zeit entwickelte Kanalzone, die vor allem zeitgenössische Kunst anzieht, sowie den Kunstberg (Mont des Arts) mit seinen großen Gemäldesammlungen. Der Jubelpark solle dagegen zu einem Ort werden, wo sich Erbe, Kultur, Wissenschaft und Innovation träfen, um darüber den Dialog mit der Öffentlichkeit zu verstärken, heißt es im „Team Cinquantenaire 2030“.

Transformation ist auch im Museum für Kunst und Geschichte angesagt. So beherbergt zum Beispiel im Rahmen der kommenden belgischen EU-Ratspräsidentschaft (Januar bis Juni 2024) die Bordiau-Halle im ersten Stock die von belgischen Wissenschaftsorganisationen kuratierte Ausstellung „Towards New Worlds: Belgian exploration through time and space“. Freunde des Jugendstils können sich auf die (zuvor in Wien gezeigte) Ausstellung von Werken des österreichischen Architekten und Designers Josef Hoffmann freuen. Sie ist im Museum für Kunst und Geschichte vom 6. Oktober 2023 bis 14. April 2024 zu sehen.

Der auch für die EU-Gebäudepolitik zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn lobte das gesamte Vorhaben, versprach Kooperation und bezeichnete den Jubelpark als das „grüne Herz“. Er verwies auf einen gerade von der Kommission und belgischen Behörden ausgeschriebenen Wettbewerb für junge Architekten. Bis Jahresende sollen pfiffige Lösungen zur Überdachung des Tunnels der Stadtautobahn gefunden werden. Wenn die Straße auch etwas vertieft und nur auf wenigen hundert Metern im Jubelpark sichtbar verläuft, so wirkt sie doch wie aus der Zeit gefallen.

Mehr Informationen über das Projekt „Jubelpark 2030“ auf deren Website: https://cinquantenaire.brussels

One Comment

  1. Andrea Hase

    Super informativer Artikel

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