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Eine Hamburgerin wird neue Generaldirektorin der Brüsseler Oper

Christina Scheppelmann – Copyright La Monnaie/De Munt

Von Reinhard Boest

Nach 18 Jahren endet im Sommer 2025 die Ära Peter de Caluwe am Brüsseler Théâtre Royal de la Monnaie. Es gehört seit den Zeiten von Gerard Mortier und Maurice Béjart zu den renommiertesten Opernhäusern Europas. „Peter de Caluwe hat durch sein persönliches Engagement, seine umfassende Erfahrung und seine begeisternde Programmauswahl die Ausstrahlung der Monnaie auf ihrem hohen Niveau gehalten“, würdigte Hadja Lahbib, als Ministerin auch für die föderalen Kultureinrichtungen zuständig, den scheidenden Direktor.

Die Messlatte für die Nachfolge lag also sehr hoch. Auf die Ende 2022 veröffentlichte Ausschreibung gingen nach Angaben von Philippe Delusinne, Vorsitzender des Verwaltungsrates der Monnaie, nicht weniger als 24 Bewerbungen ein. „Die Auswahl fiel uns nicht leicht, angesichts der hohen Qualität der Kandidaturen und der Herausforderungen, die das Amt stellt“, so Delusinne. Zu den Kriterien gehörten nicht nur die kulturellen Kenntnisse, die künstlerische Vision sowie die Vorstellungen zur strategischen Positionierung der Monnaie, bei der auch zeitgenössische Werke und das Ballett ihren Platz haben. Gefragt waren nicht zuletzt auch Verwaltungserfahrung sowie die Fähigkeit, ein sehr vielfältiges Ensemble zu führen.

Die Wahl fiel schließlich auf die in Hamburg geborene Christina Scheppelmann. Sie ist über 30 Jahre im „Operngeschäft“ auf mehreren Kontinenten zu Hause und seit 2019 Intendantin der Oper im nordamerikanischen Seattle. Ihr Werdegang verlief durchaus ungewöhnlich und nicht ausschließlich im Kultursektor. Die Schulzeit verbrachte sie an einem Hamburger Gymnasium mit musikalischem Schwerpunkt. Und sie war „Alsterspatz“ – so heißen die Mitglieder des Kinderchores der Hamburgischen Staatsoper. Vielleicht ist Scheppelmann dabei sogar ihrem künftigen Vor-Vorgänger begegnet; Gérard Mortier war nämlich von 1973 bis 1977 Assistent beim damaligen Intendanten der Staatsoper Rolf Liebermann.

Nach dem Abitur absolvierte sie zunächst eine Banklehre bei einer Privatbank in der Hamburger Innenstadt. Mit 22 Jahren wechselte Scheppelmann in den Kulturbereich, dem sie seither treu geblieben ist. Nach dem Beginn in einer Künstleragentur in Mailand führte ihr Weg über Venedig (La Fenice) und Barcelona (Gran Teatre del Liceu), wo sie als Assistentin tätig war, an die Oper von San Francisco. Dort wurde sie mit 29 Jahren – als eine der jüngsten in einer solchen Stellung – künstlerische Leiterin. 2001 übernahm sie die gleiche Funktion an der Washington National Opera unter dem Intendanten Placido Domingo.

2012 wurde die Hamburgerin Generaldirektorin der Königlichen Oper in Maskat (Oman), dem ein Jahr zuvor gegründeten ersten Opernhaus auf der arabischen Halbinsel. 2014 kehrte sie als künstlerische Leiterin an das Gran Teatre del Liceu in Barcelona zurück. Im Sommer 2019 wechselte sie schließlich als Intendantin an die Oper von Seattle, die als eine der innovativsten Musiktheaterbühnen Nordamerikas gilt.

Nun führt Scheppelmann also der Weg zurück nach Europa. Sie hat sich in einer sehr persönlichen Erklärung bereits von ihrem Publikum in Seattle verabschiedet, um fortan „an einer der bedeutendsten künstlerischen Institutionen Europas“ zu wirken .

In internationalen Fachmedien hat die Ernennung Scheppelmanns als neue Generaldirektorin der Monnaie bereits viel Aufmerksamkeit gefunden. Damit einher geht die Erwartung, dass sie dem hohen Brüsseler Anspruchsniveau gerecht werden wird. Das belgische Publikum darf sich darauf freuen, von den künstlerischen Eingebungen zu profitieren, mit denen die neue Chefin seit langem weltweit auf sich aufmerksam macht.

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