Aktuell, Belgien, Wirtschaft

“Prinzessin-Elisabeth-Insel“ als Leuchtturmprojekt für grünen Strom fällt dem Rotstift zum Opfer

© Elia

 

Von Thomas A. Friedrich

Vorläufiges Aus für eines der ehrgeizigsten Projekte Belgiens in Sachen Erneuerbare Energien. An sich sollte bis Ende August 2026 der weltweit erste und größte Offshore-Strom-Hub 45 Kilometer vor der belgischen Küste in der Nordsee entstehen. Anfang Juni hat die Föderalregierung das ambitionierte Vorhaben der „Prinzessin-Elisabeth-Strom-Insel“ wegen der exorbitant angestiegenen Kosten gestoppt.

Zwischen 2021 und 2025 haben sich die geschätzten Gestehungskosten fast vervierfacht: von 2,2 auf rund 8 Milliarden Euro. Nun hat die Arizona-Regierung die Reißleine gezogen.

Der Bau der Infrastruktur-Insel, um Offshore-Wind an Land in Gleichstrom umzuwandeln, soll verschoben werden. Auslöser dafür ist der jüngst von der belgischen Strom- und Gasmarktregulierungsbehörde (CREG) vorgelegte Bericht über die Gründe für die Mehrkosten des Projekts. Die Föderalregierung will jetzt bis zu drei Milliarden Euro einsparen.

Die Nordsee zum größten grünen Kraftwerk Europas entwickeln ist das Ziel

Im April 2023 hatten neun Nordsee-Anrainerstaaten das Ziel proklamiert, die Nordsee zum größten grünen Kraftwerk Europas auszubauen. In der „Erklärung von Ostende“ hatten acht EU-Staats- und Regierungschefs sowie der damalige britische Energieminister Grant Shapps auf Einladung des belgischen Premierministers Alexander De Croo verabredet, ganz im Sinne des Europäischen Green Deal dieses Mega-Projekt gemeinsam anzugehen (siehe https://belgieninfo.net/die-nordsee-soll-zum-gruenen-kraftwerk-europas-werden/).

Die Leistung der Offshore-Windkraftanlagen in der Nordsee sollte danach von derzeit rund 30 auf 120 Gigawatt im Jahr 2030 ansteigen. Das Ziel für 2050 wurde gar mit 300 Gigawatt am Energiehorizont skizziert. Nun sind die Ausbauziele in Frage gestellt.

Ein wesentlicher Baustein in diesem Konzept für die Verteilung von Offshore-Windstrom zwischen Großbritannien, Belgien, den Niederlanden und Deutschland bis hoch nach Dänemark hinauf soll die geplante belgische Strominsel sein. Zukunftsträchtig nach der belgischen Thronfolgerin Prinzessin Elisabeth benannt, stellt dieses Großvorhaben von den Dimensionen und Herausforderungen her in der stürmischen Nordsee eine Mammutaufgabe dar.

Belgischer Stromnetzverteiler Elia als Generalunternehmer beauftragt

Dieses 45 Kilometer vor der Küste positionierte, gigantische Projekt umfasst eine Fläche von rund 5 Hektar auf der Wasseroberfläche und soll sich 20 bis 25 Hektar unter Wasser ausdehnen. Geplant war, dass dieses weltweit einzigartige Erneuerbare Energien-Projekt bis Ende August 2026 sich zum mächtigsten europäischen Offshore-Strom-Hub entwickeln sollte. Die künstliche Energieinsel, als eine Weltpremiere vom Betreiberkonsortium gefeiert, sollte zwischen 3,15 und 3,5 Gigawatt Offshore-Windenergie allein nach Belgien leiten und bis zu 350.000 Haushalte des Königreichs mit grünem Strom aus Nordseewind versorgen (siehe https://belgieninfo.net/kuenstliche-energie-insel-vor-der-belgischen-nordseekueste-nimmt-form-an/).

Die hochfliegenden Pläne sind jetzt zunächst einmal Makulatur, weil der belgische Staat klamm ist und der Auflage der EU-Kommission Folge leisten muss, die über 100 Prozent des Bruttosozialproduktes liegende Staatsverschuldung endlich abzubauen. Dass dem Diktat zu Einsparungen nun ausgerechnet das innovative Leuchtturmprojekt Belgiens zur Realisierung von mehr grünem Strom aus Windkraft der Nordsee zum Opfer fällt, ist für die Protagonisten bitter.

Doch der Hauptverantwortliche für das Projekt, der Stromnetzbetreiber Elia, begrüßte in einer Presseerklärung die Verschiebung des Vorhabens – offenbar, weil die exorbitante Kostensteigerung dem Verteiler völlig aus dem Ruder gelaufen und nicht zu stemmen sind.

Krieg in der Ukraine hatte den Energiemix Belgiens neu aufgemischt

Der Krieg in der Ukraine hatte neben den Laufzeitverlängerungen der belgischen Atommeiler auch einen Aufwuchs der Nutzung von erneuerbaren Energien heraufbeschworen. Die grüne Energieministerin der Vorgängerregierung, Tinne Van der Straeten, hatte dafür Investitionen von 1,1 Mrd. Euro aus dem Föderalhaushalt ausgelobt. Damit sollte der Ausbau der Offshore-Windenergie beschleunigt werden.

Belgien unter den Top Fünf weltweit bei installierter Offshore-Wind Leistung

Der Internationale Windenergieverbands (GWEC) zählt Belgien schon seit Beginn dieses Jahrzehnts zu den weltweit größten Akteuren im Segment Offshore-Wind.

Laut GWEC-Statistiken rangiert Belgien mit seinen acht Offshore-Windparks vor der Nordseeküste bei der installierten Kapazität mit einem Anteil von sechs Prozent weltweit auf Platz fünf nach Großbritannien (29 %), China (28%), Deutschland (22%) und den Niederlanden (7 %).

Die bis Februar amtierende Vivaldi-Regierung unter dem liberalen Premierminister De Croo hatte für Belgiens Offshore-Windparks bis 2030 einen kräftigen Zubau projektiert. Die ehemals angepeilten 4.400 Megawatt aus Nordsee-Wind sollten eine Kapazitätssteigerung auf 5.800 Megawatt erfahren. Dies hätte nach damaligen Berechnungen etwa der Kapazitätsleistung aller sieben Atommeiler in Belgien entsprochen. Die nach Prinzessin Elisabeth benannte Strominsel sollte ein entscheidender Baustein dieses ehrgeizigen Projekts zu Ausbau und Nutzung erneuerbarer Energien sein.

Auf der Insel sollten 300 Meter hohe Windkraftanlagen installiert werden. Bisher ist auf der Hochsee-Baustelle lediglich eine große Arbeitsplattform in dem vorgesehenen Gebiet mit vielen Containern am Meeresboden verzurrt.

Energieminister Mathieu Bihet beauftragte Elia, mit England und Dänemark zu verhandeln

Wie es nun weitergehen soll, konnte Elia bisher nicht sagen. Das Ansinnen der von Bart De Wever geführten Arizona-Regierung läuft darauf hinaus, mit den Konsortialpartnern aus Großbritannien und Dänemark einen kostengünstigeren Deal für die Realisierung des Projektes auszuhandeln.

Der föderale Energieminister Mathieu Bihet von den französischsprachigen Liberalen (MR) kündigte unterdessen an, dass Elia aufgefordert werden soll, zunächst keine weiteren Schritte beim Infrastrukturausbau zur Umwandlung in Gleichstrom für die Einspeisung an Land vorzunehmen. Gleichzeitig wird Elia beauftragt, mit Großbritannien und Dänemark Verhandlungen aufzunehmen – zwei Partner, die an Konzeption und Bau der Elisabeth-Insel sowie als prospektive Bezieher von Gleichstrom fest in die bisherigen Planungen eingebunden sind.

Elia ist beauftragt, mit den Partnern eine Lösung zu finden, die weniger kostet und wirkungsvoller ist“, umschrieb Energieminister Bihet im Interview mit dem Fernsehsender RTBF die Marschrichtung für die Zukunft. Klar scheint jetzt zu sein, dass damit die ehrgeizigen belgischen Ziele zum weitreichenden Ausbau erneuerbarer Energien zumindest mit Blick auf den Zeithorizont 2030 nicht zu erreichen sind (siehe auch https://belgieninfo.net/kann-belgien-bis-2050-seinen-strombedarf-klimaneutral-decken/).

Leave a Comment

Ihre E-Mail-Adresse wird veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

*

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..