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Kann Belgien bis 2050 seinen Strombedarf klimaneutral decken?

© Elia

Von Reinhard Boest

Belgien wird es nicht schaffen, allein mit erneuerbaren Energien aus eigener Produktion bis 2050 klimaneutral zu werden und damit die auf EU-Ebene vereinbarten Ziele zu erreichen. Auch mit der Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke in Doel und Tihange gelingt das nicht, zumal diese (vorerst?) bis 2036 befristet ist. Zu dieser Erkenntnis kommt Elia, der Betreiber des belgischen Hochspannungsnetzes, in einer jetzt vorgelegten Studie, verbunden mit einem „Plan für das belgische Stromsystem 2035-2050“. Untersucht wurden mehrere Szenarien, die von einer unterschiedlichen Entwicklung der Nachfrage ausgehen; allen gemeinsam ist jedoch, dass sich die – schon heute bestehende – Schere zwischen dem Strombedarf und Angebot an „Niedrigkarbon-Energie“ weiter öffnet.

Die Analyse geht davon aus, dass die Gesamtnachfrage nach Energie in Belgien bis 2050 um 25 bis 45 Prozent sinken wird, bedingt durch steigende Elektrifizierung und Fortschritte bei der Energieeffizienz. Gleichzeitig wird sich aber der Strombedarf mit einer Steigerung zwischen 95 und 130 Prozent praktisch verdoppeln, angetrieben vor allem durch zunehmende Elektrifizierung in den Bereichen Mobilität und Heizung sowie bei industriellen Prozessen.

Wie soll der zusätzliche Bedarf klimaneutral oder zumindest mit geringem CO2-Ausstoß erzeugt werden? Im Jahr 2020 entfielen auf die gesamte Stromproduktion in Belgien in Höhe von 84 Terawattstunden (TWh) nur 20 auf erneuerbare Energien: je 6 TWh Biomasse/Wasserkraft und Offshore-Windenergie sowie je 4 TWh Windenergie an Land und Solarenergie. 39 TWh wurden in den Atomreaktoren erzeugt und 25 TWh in thermischen Kraftwerken. Mit den jüngst getroffenen Entscheidungen – Laufzeitverlängerung für Doel 4 und Tihange 3 sowie Bau der „Energieinsel“ Prinzessin Elisabeth in der Nordsee – verdoppele sich zwar die Produktionskapazität für CO2-freien Strom in den nächsten Jahren, so Elia. Um den weiter steigenden Bedarf zu decken – 2050 rechnet Elia mit bis zu 200 TWh –, bedürfe es aber zusätzlicher politischer Beschlüsse. Die Lücke könne 2050 zwischen 70 und 90 TWh betragen, selbst wenn die erneuerbaren Energien maximal ausgebaut würden: Verdreifachung der Windenergie an Land und auf See, Vervierfachung der Solarenergie.

Um diese Lücke zu schließen, sieht Elia zwei Optionen: den Import von Strom aus Offshore-Windenergie, vor allem aus den anderen Nordsee-Anrainerländern (die erheblich größere Kapazitäten haben als Belgien mit seiner nur knapp 70 Kilometer langen Küste) – oder die weitere Nutzung der Atomenergie. Dazu könnten die Laufzeiten von Doel 4 und Tihange 3 noch einmal verlängert und weitere Meiler wieder in Betrieb genommen werden. Da die technische Lebensdauer aber trotz eventueller Reparaturen (Risse) und Nachrüstungen begrenzt sei, gehe es letztlich auch um die Frage von Neubauten.

Was die Kosten angeht, sieht die Studie einen leichten Kostenvorteil bei der Alternative „Import von Windstrom“. Es bedürfe aber einer Gesamtbetrachtung des gesamten Erzeugungssystems einschließlich Baukosten, Netzausbau, Brennstoffkosten, Kapazitätsmechanismen (Reservekraftwerke) und auch Speicherung. Vor allem seien aber wegen der großen zeitlichen Vorläufe für alle Optionen rasche und über die nächsten 25 Jahre verlässliche politische Entscheidungen notwendig. Auch wenn die Kostenschätzung für die verschiedenen Alternativen unsicher sei, stehe eines fest: die teuerste Variante sei, nichts zu tun.

Die bereits amtierende und die sich abzeichnenden neuen Regierungskoalitionen lassen eine Tendenz für das Festhalten an der Atomenergie erkennen. Aber ob eine solche Entscheidung langfrisitig „hält“? Das jahrelange Hin und Her beim Umgang mit der Atom-Ausstiegsentscheidung von 2003 lässt daran zweifeln. Immerhin wird bis 2050 in Belgien noch fünfmal gewählt – mindestens.

Pressemitteilung Elia mit Link zur gesamten Studie: https://www.elia.be/fr/actualites/communiques-de-presse/2024/09/20240924_elia-publishes-blueprint-for-the-belgian-electricity-system-2035-2050

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