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Die Nordsee soll zum „grünen Kraftwerk Europas“ werden

Fotos: Pressestelle der belgischen regierung

Anrainerstaaten bekennen sich in Ostende zu raschen Ausbau der Windkraftanlage auf See

Von Michael Stabenow

Das Ziel ist seit zwei Jahren im „Green Deal“ der Europäischen Union festgeschrieben: Europa soll im Jahr 2050 der erste klimaneutrale Kontinent sein. Die jüngsten Hiobsbotschaften zur fortschreitenden Aufheizung der Erdatmosphäre machen die Aufgabe noch dringlicher. Nicht zuletzt deshalb galt es für Staats- und Regierungschefs aus acht europäischen Ländern sowie den britschen Energieminister Grant Shapps (in Vertretung von Premierminister Rishi Sunak) am Montag, auf einem Gipfeltreffen in Ostende gemeinsam Zeichen im Kampf gegen den Klimawandel zu setzen.

Die Spitzenvertreter der neun Nordsee-Anrainer-Staaten bekannten sich in einer „Erklärung von Ostende“ dazu, die Leistung der Offshore-Windkraftanlagen von derzeit rund 30 auf 120 im Jahr 2030 sowie mindestens 300 Gigawatt im Jahr 2050 zu erhöhen. In der Erklärung wird das Ziel ausgegeben, „gemeinsam die Nordsee als grünes Kraftwerk Europas“ zu entwickeln.

Bei einem Treffen im dänischen Esbjerg hatten die Regierungschefs Dänemarks, Deutschlands, Belgiens und der Niederlande im Mai 2022 bereits erhebliche Anstrengungen zur Förderungen der Windenergie in der Nordsee versprochen. In Ostende waren nun zusätzlich zu den vier Staaten auch Frankreich, Irland, Großbritannien, Norwegens sowie das gut 300 Kilometer von der Nordsee entfernte Luxemburg sowie die Europäische Kommission durch ihre Prâsidentin vertreten. Nach den Worten der belgischen Energieministerin Tinne Van der Straeten ging es in Ostende darum, die Absichtserklärungen von Esbjerg in konkrete Aktionen umzusetzen (“getting the job done”). Offshore-Windparks sollen durch Energieinseln und Unterseekabel miteinander verbunden werden, auch um die Leistung flexibel nach Bedarfen verteilen zu können.Aber alle sind sich bewusst, dass die Pläne ehrgeizig sind und anhaltende Anstrengungen erfordern.

In ihrer Erklärung heben die Teilnehmer nicht nur die Bedeutung funktionierender Märkte sowie einer flexiblen nationalen Herangehensweise beim Ausbau und der Anbindung der Windkraftsparks an die Stromnetze auf dem Festland hervor. Unter Hinweis auf „Russlands Aggression gegen die Ukraine“ sagen sie zu, die Bemühungen zur Verringerungen der Abhängigkeit von fossiler Brennstoffe zu beschleunigen. Verwiesen wurde in Ostende auch auf das Potential von „grünem Wasserstoff“ sowie auf die Möglichkeiten der – insbesondere in Deutschland – immer noch kritisch beäugten Technik der Abscheidung und Lagerung von Kohlendioxid (CCS) im Meeresuntergrund.

Alexander De Croo, belgischer Premierminister und Gastgeber, sagte nach dem Treffen, Ziel sei es, in der Nordsee „das größte Kraftwerk der Welt“ zu errichten. Entscheidend sei, dass die europäischen Partner gemeinsam die Herausforderungen durch den Klimawandel meisterten. Dabei komme es auch auf den Beitrag der privaten Wirtschaft an, sagte De Croo unter Hinweis auf die Anwesenheit von Vertretern von mehr als 120 Unternehmen in Ostende.

Für De Croo bot das Treffen die Möglichkeit, die vor der Küste des Landes unternommenen Anstrengungen in einem günstigen Licht zu präsentieren. Vorzeigeprojekt ist der vor gut einem Jahrzehnt in Betrieb genommene Windkraftpark auf der Sandbank Thornton Bank, der über eine Produktionskapazität von 2,2 Gigawatt verfügt. Er soll mehr als eine halbe Million Menschen mit Strom versorgen. Bis zum Sommer 2026 soll eine weitere Anlage auf der Belgiens Küste vorgelagerten künstlichen Insel „Princes Elisabeth“ mit einer Leistung von 3,5 Gigawatt entstehen. Sie soll über ein Unterseekabel mit einer dänischen „Energieinsel“ verbunden werden und somit für eine bessere Vernetzung sorgen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der Deutschland in Ostende gemeinsam mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vertrat, bezeichnete die Energieleitungen „als Lebensadern Europas“. Er verwies auch auf die Bedeutung der Gemehmigungsverfahren für die Anlagen und den Ausbau der Stromnetze. „Vor allem: wir müssen schneller werden“, sagte Scholz. Er rief dazu auf, die Lieferketten und die Zulieferer zu stärken. „Wir müssen unsere Offshore-Industrie effektiv schützen“, forderte Scholz schließlich und erinnerte, wie andere, an die veränderte Sicherheitslage in Europa. „Wir werden zusammenarbeiten, um die Sicherheit der Offshore- und Unterwasserinfrastruktur innerhalb der Nato und der EU zu erhöhen“, heißt es in der „Erklärung von Ostende“.

Der in der Heimat wegen der umstrittenen Entscheidung zur Erhöhung des Renteneintrittsalter von 62 auf 64 Jahren in die Kritik geratene französische Präsident Emmanuel Macron nutzte das Treffen an der belgischen Nordseeküste dazu, eine Lanze für die Kernenergie zu brechen. Sie sei neben Energieeinsparungen und erneuerbaren Energien die dritte Säule beim Bestreben, Klimaneutralität zu erreichen. Er bezeichnete Kernenergie als „die am meisten dekarbonisierte Art, Energie und insbesondere Strom zu erzeugen.“ Allerdings ist der in die Jahre gekommene Kraftwerkspark zunehmend störanfällig, und im Sommer drohen erneut Probleme mit der Kühlung, wenn die Flüsse bei anhaltender Trockenheit zu wenig Wasser führen. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien – nicht zuletzt der Windenergie auf See – ist Frankreich weit hinter seinen Zielen zurück.

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