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Bart De Wever im demoskopischem Aufwind

Die flämischen Nationalisten von Belgiens Premierminister profitieren vom Haushaltskompromiss der Arizona-Koalition und der harten Haltung im Tauziehen um russische Milliardenguthaben bei der Euroclear-Bank

Von Michael Stabenow

Kalte Dusche für Georges-Louis Bouchez, Lichtblicke für Paul Magnette sowie kräftiges Aufatmen für Bart De Wever. Auf diese Formel lassen sich einige der wichtigsten Erkenntnisse der jüngsten Meinungsumfrage von vier belgischen Medien zusammenfassen. In der Hauptstadtregion Brüssel, die seit mehr als 550 Tagen auf eine handlungsfähige Regierung wartet, steht die linkspopulistische PTB/PVDA inzwischen deutlich an der Spitze vor den Sozialisten und den Liberalen.

Die in den ersten Dezembertagen vorgenommene gemeinsame Umfrage der Fernsehsender VTM und RTL sowie der Tageszeitungen „Het Laatste Nieuws“ sowie „Le Soir“ fand vor dem Hintergrund von zwei Entwicklungen statt, die Belgien beiderseits der Sprachgrenze bewegen: den von der Arizona-Koalition beschlossenen einschneidenden Sparmaßnahmen zur Sanierung des belgischen Staatshaushalts (Ein heißer Herbst in Belgien – Belgieninfo) sowie den bisher erfolglosen Bemühungen der EU-Partner, Belgien von der Freigabe der russischen Guthaben in Höhe von 140 Milliarden Euro zu überzeugen, die bei der in Brüssel ansässigen Bankgesellschaft Euroclear eingefroren sind.

Dass die nationalistische Neu-Flämische Allianz (N-VA) von Premierminister Bart De Wever im nördlichen Landesteil gegenüber der Umfrage von vergangenem September um 2,2 Prozentpunkte auf 25,6 Prozent zulegen konnte, dürfte eng mit der Wahrnehmung des Regierungschefs in der Öffentlichkeit zusammenhängen. Als sich die Verhandlungen über die Sparvorhaben im Oktober und November endlos in die Länge gezogen hatten, waren die Zweifel am politischen Geschick des sonst so selbstgewissen De Wever gewachsen.

Das änderte sich jedoch, als er über Nacht am 24. November, dem ersten von drei Streiktagen gegen die Regierungspolitik, mit einem Kompromiss der Arizona-Parteien aufwarten konnte. Statt seiner Drohung mit einem Rücktritt für den Fall eines abermaligen Scheiterns der Verhandlungen rückte in Teilen der Öffentlichkeit das Image eines Machers in den Vordergrund, der sich nicht von seinem Weg abbringen lässt. Ähnlich verhält es sich mit der Wertschätzung für die Hartnäckigkeit, mit der sich De Wever bisher unter Hinweis auf die finanziellen Risiken für Belgien einer Freigabe der russischen Milliarden widersetzt hat.

Unabhängig davon, ob man den belgischen Argumenten folgt – De Wever weiß die öffentliche Meinung und auch sämtliche Parteien in dieser Frage hinter sich. Er kann sich daher auch daran erfreuen, dass seine N-VA in den Umfragen dem Vlaams Belang wieder den Rang als stärkste Kraft Flanderns abgelaufen hat. Die Partei vom rechten Rand büßte laut Umfrage 2,8 Prozent ein und sackte jetzt auf 23,9 Prozent.

Der Vorsitzende der französischsprachigen Liberalen (MR), Georges-Louis Bouchez, dem allgemein die Verantwortung für die Krise der Arizona-Koalition in den vergangenen Wochen in die Schuhe geschoben wurde, steht, folgt man den Demoskopen, als der Verlierer dar. Aus den Regionalwahlen im Juni 2024 war die Partei mit 28,2 Prozent mit deutlichem Vorsprung als stärkste politische Kraft Walloniens hervorgegangen. Bei der Umfrage im vergangenen September war die Bouchez-Partei auf 23,9 Prozent abgesackt. Nun rangiert sie gerade noch bei 21,4 Prozent.

Dagegen haben – laut jüngster Umfrage – die französischsprachigen Sozialisten (PS) unter ihrem Parteichef Paul Magnette ihre traditionelle Spitzenposition im Süden des Landes zurückerobert und gefestigt. Hatte die Partei im Juni 2024 bei 22 Prozent gestanden, so lag sie im vergangenen September bei 26,2 Prozent und kann derzeit mit 29 Prozent der Stimmen rechnen. Interessant ist dabei, dass die Konkurrenz von links – PTB – ebenfalls ihre Position in Wallonien ausbauen konnte: Lag die Partei im Juni 2024 bei für sie enttäuschenden 11,6 Prozent und bei der Umfrage im September bei 18,4 Prozent, so steht sie inzwischen bei 19,8 Prozent.

Nimmt man die weiter – bei 7,4 Prozent in der Umfrage – schwächelnden Grünen (Ecolo) hinzu, dann kommen im derzeit von einer Mitte-Rechtskoalition aus MR und der – mit 17,3 Prozent in den Umfragen noch einigermaßen stabilen – zentristischen Partei „Les Engagés“ regierten Wallonien die klar links der Mitte positionierten Kräfte auf deutlich über 50 Prozent.

Bouchez, der zuletzt auch wegen seines missglückten Versuchs, in Brüssel eine Regierung auf die Beine zu stellen, in die Kritik geraten ist, versuchte am Freitagabend, die Bedeutung der Umfrageergebnisse herunterzuspielen. Sie hätten keinerlei Relevanz und dienten nicht zuletzt den Medien, welche die Umfragen in Auftrag gegeben hätten, als ein Mittel, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, erläuterte Bouchez im flämischen Fernsehsender VRT.

Von der Öffentlichkeit weniger beachtet werden dürfte, auch wenn es für die Zukunft der Arizona-Koalition durchaus bedeutsam erscheint, das relativ schlechte Abschneiden der flämischen Sozialisten (Vooruit). Die Partei, die als einzige linke Kraft gemeinsam mit N-VA, MR, „Les Engagés“ und den flämischen Christdemokraten (CD&V) die Arizona-Koalition stützt, kann laut Umfrage noch mit 11,4 Prozent rechnen – 2,2 Prozentpunkte weniger als im September.

Einiges spricht dafür, dass die strikte Ablehnung des Regierungskurses durch die sozialistische Gewerkschaft (ABVV/FGTV) Vooruit Sympathien unter ihrer traditionellen Wählerschaft kostet. Dagegen scheint die Talfahrt der flämischen Liberalen (Open VLD), die von 2020 bis 2025 noch mit Alexander De Croo den belgischen Regierungschefs gestellt hatten, inzwischen gestoppt zu sein. Unter ihrem neuen, bei den kniffligen Verhandlungen über die Brüsseler Regionalregierung für positive wie negative Schlagzeilen sorgenden Vorsitzenden Frédéric De Gucht hat sich die Partei seit September von 5,7 auf 7,1 Prozent verbessert.

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