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Alle Jahre wieder – die belgische Einkommensteuererklärung

Von Reinhard Boest

In den nächsten Tagen wird bei vielen Einwohnerinnen und Einwohnern Belgiens wieder ein brauner Briefumschlag im Briefkasten liegen: die Unterlagen für die Steuererklärung für Einkünfte im Jahr 2023. Das gilt natürlich nur für diejenigen, die ihre Erklärung noch in Papierform abgeben. Schon seit der Einführung von “Tax-on-Web” im Jahr 2003 gibt es die Möglichkeit, die Erklärung elektronisch abzugeben, und zwar über den Internet-Zugang “MyMinFin” der Finanzverwaltung (SPF Finances, FOD Financiën/FOD Finanzen), auch in deutscher Sprache. Dieses Angebot wird über die Jahre von immer mehr Steuerpflichtigen genutzt. Wer es schon verwendet, erhält eine Meldung in seine E-Box, dass die Unterlagen verfügbar sind.

Der föderale Finanzminister Vincent Van Peteghem von den flämischen Christdemokraten hat jetzt die – nach seiner Einschätzung eher geringfügigen – Neuigkeiten vorgestellt, die für das Steuerjahr 2023 von Interesse sind. Für Privatpersonen soll die Erklärung einfacher werden, indem häufiger eine vorab ausgefüllte Erklärung bei einer im Vergleich zu den Vorjahren “stabilen” Situation angeboten wird.

Ist man mit den vorausgefüllten Angaben einverstanden, bedarf es keiner Erklärung mehr. Nach Angaben des Ministers könnten in diesem Jahr vier Millionen und damit 60 Prozent der Steuerpflichtigen von diesem erleichterten Verfahren profitieren. Dieses ist allerdings Steuerpflichtigen vorbehalten, die (nur) Arbeitslohn, Rente, Pension oder Arbeitslosenunterstützung erhalten. Gibt es zusätzliche Einkünfte, etwa aus Immobilien oder aus dem Ausland, muss eine vollständige Erklärung ausgefüllt werden.

Dies gilt im Grundsatz auch für in Belgien ansässige Deutsche, die ihre Einkünfte aus öffentlichen Kassen aus Deutschland beziehen, also etwa Beamte oder Angestellte im deutschen öffentlichen Dienst und Pensionäre, aber auch Rentnerinnen und Rentner. Selbst wenn diese Einkünfte auf der Grundlage des zwischen Deutschland und Belgien bestehenden Doppelbesteuerungsabkommens von der belgischen Einkommensteuer befreit sind (die Steuer fällt in Deutschland an), ist seit 2003 die von den belgischen Gemeinden erhobene Zusatzsteuer zu entrichten. Diese besteht aus einem prozentualen Zuschlag auf die Einkommensteuer, wobei jede Gemeinde hier einen eigenen Satz festlegen kann (für 2024 lioegen die Sätze zwischen 5 und 9 Prozent; Liste hier).

Für die Berechnung wird aber nicht die im Herkunftsland tatsächlich gezahlte Einkommensteuer zugrunde gelegt. Vielmehr wird fiktiv errechnet, wie hoch auf die ausländischen Einkünfte die belgische Einkommensteuer wäre; darauf wird dann der Prozentsatz der Gemeindesteuer angewendet, die mit dem Steuerbescheid erhoben wird. Es ist aber zuweilen nicht ganz klar, auf welcher Grundlage die belgische Finanzverwaltung die steuerpflichtigen Einkünfte ermittelt. Seit 2015 werden zwischen den Steuerverwaltungen der EU-Mitgliedstaaten jährlich Informationen über die Einkünfte von Steuerpflichtigen ausgetauscht, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind. Dabei handelt es sich in der Regel um die Bruttoeinkünfte.

Unterschiedliche Regeln über steuermindernde Tatbestände wirken sich aber auf den Betrag aus, der letztlich wirklich steuerpflichtig ist. Auch die Zusammenveranlagung von Ehepartnern ist etwa zwischen Deutschland und Belgien unterschiedlich geregelt: in Deutschland werden Einkommen zusammengerechnet und dann für die Besteuerung fiktiv zur Hälfte geteilt (Splitting). In Belgien werden die Einkünfte des höher verdienenden Partners nur zu einem begrenzten Teil fiktiv für die Besteuerung auf den anderen Partner übertragen. Im Ergebnis ist in aller Regel die fiktive belgische Einkommensteuer höher als die in Deutschland tatsächlich gezahlte.

Wer davon betroffen ist, sollte darauf achten, dass das deutsche Finanzamt im Rahmen der Einkommensteuererklärung die deutsche Steuer um 8 Prozent mindert; mit dieser Pauschale soll die belgische Gemeindesteuer jedenfalls teilweise kompensiert werden. Zu beachten ist auch, dass in der belgischen Steuererklärung Immobilien im Ausland angegeben werden müssen (siehe  https://belgieninfo.net/einkommensteuererklaerung-2022-haben-sie-ihre-nicht-belgischen-immobilien-angemeldet/).

Das Ausfüllen der Steuererklärung ist auf den ersten Blick eine echte Herausforderung, und zwar gleichgültig, ob man sie auf Papier oder online vor sich hat. Das mehrseitige Formular besteht nämlich aus einer Ansammlung von mit Codes versehenen Kästchen, die man nur unter Zuhilfenahme der mitgelieferten Erläuterungen zuordnen und ausfüllen kann. Die Erläuterungen sind sehr ausführlich (132 Seiten), indes im Allgemeinen gut verständlich. Änderungen gegenüber dem Vorjahr sind hervorgehoben und als solche gekennzeichnet. Die Reihenfolge der einzelnen Kategorien erschließt sich allerdings nicht ohne Weiteres; oft muss man mehrere Seiten überspringen. Wie es sich für Belgien gehört, gibt es die Erläuterungen je nach Wohnort für Flandern, die Wallonie und Brüssel mit einigen Unterschieden, etwa um abweichenden regionalen Steuerbegünstigungen Rechnung zu tragen – aber für alle drei Regionen auch auf Deutsch.

Unter den von Minister Van Peteghem vorgestellten Änderungen für 2023 ist insbesondere hinzuweisen auf die steuerliche Behandlung von Sonderzahlungen zur Erhaltung der Kaufkraft angesichts der hohen Inflation, der Ladeeinrichtungen für Elektroautos im eigenen Haus oder der Förderung von E-Bikes durch den Arbeitgeber.

Wie in den Vorjahren muss die Erklärung auf Papier bis zum 30. Juni eingereicht werden, auf elektronischem Wege bis zum 15. Juli 2024. In Sonderfällen läuft die Frist jetzt sogar bis zum 16. Oktober. Dazu gehören vor allem Selbständige und Einkünfte aus dem Ausland.

Die Finanzverwaltung ist sich der Komplexität der Steuererklärung bewusst. Neben einer verstärkten Nutzung der vereinfachten Erklärung soll vom nächsten Jahr an die Struktur der Erklärung grundlegend überarbeitet werden und etwa nach Lebenssituationen gegliedert werden, damit sie sich leichter erschließt. Man darf gespannt sein. Auf eine grundlegende Steuerreform, wie sie eigentlich schon seit langem angestrebt wird (und die in Belgien dringend erforderlich wäre), wird man angesichts der Meinungsverschiedenheiten der jetzigen – und wohl auch der potentiellen künftigen – Koalitionspartner wahrscheinlich noch länger warten müssen.

Und auch aus der Ankündigung der Europäischen Kommission ist leider bisher nichts geworden. Ziel sollte es sein, Steuerpflichtigen das Leben zu erleichtern, die mit grenzüberschreitenden Sachverhalten konfrontiert sind und etwa in mehreren Ländern – zuweilen wenig kompatible – Steuererklärungen abgeben müssen.  Auf die im März 2021 auf den Weg gebrachte öffentliche Konsultation (siehe https://belgieninfo.net/genervt-von-der-steuererklaerung-eu-kommission-sucht-nach-verbesserungsvorschlaegen/) gingen 164 Reaktionen ein, im Wesentlichen aus Deutschland, Frankreich und Belgien. Ein Vorschlag der Kommission für eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten liegt bis heute nicht vor.

 

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