
Ferienzeit ist Wanderzeit
Von Thomas A. Friedrich
Der Weg der Zisterzienser erstreckt sich quer durch Europa. Der Paneuropäische Fernwanderweg „Cisterian landscapes connecting Europe“ spannt den Bogen aus dem Burgund über Deutschland nach Österreich, Polen, Slowenien und Tschechien und wurde im Jahre 2024 mit dem Europäischen Kulturerbe-Siegel ausgezeichnet.
„Vernetzung und regelmäßiger Austausch waren das Erfolgsrezept der Zisterziensermönche. Sie waren aktive Europäer und prägten unsere Kulturlandschaften nachhaltig. Auf den Spuren der `weißen Mönche‘ verbindet der Weg der Zisterzienser Menschen und Landschaften heute auf über 6.000 Kilometer“. Mit diesen Worten lädt der Landrat des Landkreises Bamberg, Johann Kalb, dazu ein, den neuesten europäischen Kulturwanderweg mit allen Sinnen zu erleben.
Grund genug für die Bayerische Landesvertretung in Brüssel, Mitte Juli, zu Beginn der Sommerferien, das grenzüberschreitende Projekt „Cisterian landscapes connecting Europe“ vorzustellen, das der Landkreis Bamberg mit seinem wissenschaftlichen Team als Hauptinitiator zusammen mit Partnern aus fünf EU-Staaten und 17 Landschaften seit 2019 betreibt.
Burgund bildete den Ausganspunkt einer kulturellen Europa-Idee
Begonnen wurde der Aufbau des klösterlichen Netzes der Zisterzienser in Burgund. Es umfasst heute mehr als 60 Kloster- und Kirchenanlagen. Sie sind in drei Hauptachsen aufgeteilt: der Zentrallinie mit dem Kloster Velehrad, den Klöstern Zdar nad Sazavou sowie der Abtei Plasy in Mähren und Böhmen in Tschechien; der Abtei Waldsassen und Kloster Langheim im Oberpfälzer Wald sowie Kloster Erbach im Steigerwald und den Klöstern Bronnbach und Maulbronn im Schwarzwald. Die Nordlinie bildet die Klöster Wagrowiec/Lekno in Polen, das Kloster Loccum in Niedersachsen sowie das Kloster Altenberg im Bergischen Land sowie die Klosterlandschaft Pforte im Saaletal. Die dritte Südlinie spannt die Route vom Böhmerwald über das Grazer Bergland bis nach Slowenien mit den Klöstern Vyssi Brod, dem Stift Zwettl, dem Kloster Sticna und dem Kloster Kostanjevica na Krki.
Der Zisterzienserorden geht auf das im Jahr 1098 gegründete französische Kloster Cîteaux nahe Dijon zurück und spaltete sich als Reformbewegung vom Benediktinerorden ab. Übernommen haben die in weißer Kutte gewandeten Mönche das Motto des Heiligen Benedikt „Ora et Labora“. Belgien verfügt unter anderem mit den Abteien von Orval in der Provinz Luxemburg, Val-Dieu in der Provinz Lüttich und den Ruinen der Abtei Villers-la-Ville in Wallonisch-Brabant über beeindruckende Zisterzienser-Zeugnisse.
Im Gespräch mit Belgieninfo erzählt Abt Philipp Helm vom Stift Rein – des weltältesten Zisterzienserklosters, gelegen am Fuße des österreichischen Ulrichsbergs zwischen dem Reiner Feld und dem Grazer Bergland – die Entstehungsgeschichte: „1098 haben sich drei Äbte quasi abgespalten vom Kloster Cluny. Das waren der heilige Robert, der heilige Alberich und der heilige Stephan. Gemeinsam haben sie das erste Kloster gegründet und waren als Äbte dort auch tätig. Der berühmteste von ihnen war der heilige Robert, der dem Orden Ausdruck und besonderes Gepräge verliehen hat“.
Obwohl die Ur-Zisterzienser sich mit ihrer Gründungsidee von der der allzu weltlichen Ordenswelt der Benediktiner seinerzeit abgrenzten, entwickelten sie dennoch über die Jahrhunderte ein feines merkantiles Gespür.
Großzügige Schenkungen eröffneten dem Orden vielfältige ökonomische Aktivitäten
Seit dem Mittelalter entwickelten sich die meist in unberührten Talgründen und entlang Flussauen angesiedelten Klosteranlagen zu Wirtschaftshöfen. Dabei bildeten die Klosterhöfe den Nukleus für die Vermarktung von Feldfrüchten und Obsterträgen. Der Hopfen- und Weinanbau entwickelte sich zu regionalen Brauereien und Weingütern. Für die Bewässerung der landwirtschaftlich genutzten Flächen schufen die Mönche ein ausgeklügeltes System von Kanälen und Bachweiden, errichteten Wassermühlen und legten den Grundstein für Teichwirtschaft mit ertragreichen Fischbeständen.
„Die Zisterzienser interpretierten die Ordensregel des „Bete und Arbeite“ neu und erwarben ein enormes Wissen zu Anbaumethoden, Pflanzenkunde, Wassermanagement, Wasserbaukunst und diversen Protoindustrien vom Bergbau über die Steinmetzkunst bis zur Eisenverhüttung“, sagt Gerhard Ermischer, Vizepräsident Europäische Wandervereinigung und Präsident des Wanderverbandes Bayern über die Wirtschaftsweise der weltoffenen Mönchsbrüder. „Sie wirtschafteten äußerst erfolgreich und verbreiteten mit ihrem wachsenden Netzwerk aus Mutter- und Töchterklostern dieses Wissen quer durch Europa“, erläutert Ermischer.
Über Jahrhunderte entwickelte Amtssitze und Wirkungsstätten laden auch zu Wallfahrten ein
„Die meisten Zisterzen lagen ökonomisch durchaus vorteilhaft wie beispielsweise Bronnbach oder Kloster Heisterbach im Siebengebirge, direkt an oder in unmittelbarer Nähe von Handelswegen“, beschreibt Winfried Schenk, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats Cisterscapes, das Erfolgsmodell der weißen Mönche.
Zisterziensische Kulinarik ein Projekt für Kopf und Bauch gleichermaßen
Xandra Wildung, Leiterin der Europäischen Kulturstätte Altenberg, arbeitet zusammen mit den Historischen Geographen der Universität Bonn mit dem Ziel, jungen Menschen mit Studienseminaren und Exkursionen den „Altenberger Dom als Ankerpunkt rheinischer Identität“ im Rahmen des europäischen Kulturerbes nahezubringen.
Gemeinsam mit der Universität Salzburg entsteht unter ihrer intensiven Mitarbeit derzeit ein historisches Kochbuch, das im Herbst dieses Jahres vorgestellt werden soll. Gemeinsam mit einem Sternekoch aus Altenberg sollen historische Rezepte aus mittelalterlichen Zisterzienser Klosterküchen für die Gegenwart auf den Teller gebracht werden.
Europäische LEADER und ELER -Förderung beflügelte das ambitionierte Vorhaben
Die unvergleichliche Vielfalt und Prägung europäischer Kulturlandschaften durch Abteien, Klöster und Kirchenanlagen wurde nach fünfjährigem intensivem Ringen ausgehend von Landrat aus Bamberg mit der Verleihung des Europäischen Kulturerbe-Siegels im April 2024 gekrönt. Das Projekt von insgesamt 170 Akteuren aus 17 Kulturstätten in fünf europäischen Mitgliedsländern wurde von 2019-2023 mit EU-Mitteln des Projekts LEADER von insgesamt 583.000 Euro gefördert. Für den Zeitraum von 2024 -2028 wurden weitere 761.000 Euro aus EU-Mitteln eingeworben.
Fassbier aus Bamberg zum Feiern des europäischen Wanderweges
Das Treffen von hunderten Protagonisten des Zisterzienser Weges in der Bayerischen Landesvertretung in Brüssel war Ausdruck von Stolz über das Erreichte und sollte den Esprit des Ordens auch gebührend begehen. So ließ es sich der Landrat des Kreises Bamberg, Johann Kalb, nicht nehmen, ein aus dem eigenen Sprengel angeliefertes Fass Bier im Innenhof der bayerischen Vertretung anzustechen. Assistiert von der CSU-Europaabgeordneten Marianne Hohlmeier, die als Conferencière durch das vielfältige Informationsprogramm des Abends führte.
Neben Speis und Trank sorgte die aus Nordrhein-Westfalen angereiste dreiköpfige Band „small is beautiful“ für den ansprechenden musikalischen Rahmen des bayerischen Sommerabends in der EU-Hauptstadt.
Praktischer vielfältiger Wegweiser mit Wandervorschlägen
Die Veranstaltung machte mehr als Laune, in den bevorstehenden Ferienwochen des Sommers sich die eine oder andere Strecke aus der 135-seitigen informativen Broschüre mit vielen Karten und farbigen Fotos vorzunehmen. Detaillierte Informationen und Bezug des kostenlosen Wanderführers: www.cisterscapes.eu oder www.zisterzienserweg.eu







Beiträge und Meinungen