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“Kalte Dusche” für Hoffnungen auf Corona-Lockerungen

Von Michael Stabenow.

Raus oder doch wieder rein in den Schutzbau? Die plötzliche starke Zunahme von Neuinfektionen und besonders von Krankenhausaufnahmen verhindert in Belgien weitere Lockerungen der Corona-Beschränkungen. Der zuständige belgische Konzertierungsausschuss hat sich am Freitag darauf verständigt, zunächst die weitere Entwicklung zu beobachten und am kommenden Freitag eine Neubewertung vorzunehmen. Derzeit scheint nur sicher: „Impfen ist die Priorität, die einzige Lösung“, wie es der Parteichef der französischsprachigen Liberalen (MR), Georges-Louis Bouchez auf Twitter formulierte. 

Damit wurde, zumindest vorläufig, ein Schlussstrich unter eine Debatte gezogen, die in den vergangenen Tagen ziemlich losgelöst von der epidemiologischen Entwicklung im Land geführt wurde. Einerseits gab es immer schneller steigende Zahlen, andererseits immer lautere Forderungen nach baldigen Lockerungen. Während sich die Kliniken mit Corona-Kranken füllten, tummelten sich landesweit zahlreiche Menschen, viele von ihnen ohne Schutzmasken, offenbar sorglos auf Straßen, Plätzen und Parkanlagen im belgischen Vorfrühling.

Einstweilen bleibt es bei dem Beschluss, nach den Friseursalons am 1. März auch den Betrieb in anderen sogenannten Kontaktberufen zu gestatten. Dazu gehören zum Beispiel Schönheitssalons, Tätowierungsstudios, aber auch Massagepraxen.

Ministerpräsident Alexander De Croo hatte schon Anfang der Woche die Erwartungen auf weitreichende Lockerungen gedämpft. Und als am Freitag feststand, dass tags zuvor mehr als 200 Menschen in die Corona-Abteilungen der Krankenhäuser aufgenommen werden mussten, war der zarte Traum von den Lockerungen ausgeträumt. Dabei hatten die Zahlen noch am Morgen nicht sonderlich beunruhigend ausgesehen. Im Wochenvergleich stiegen die Krankenhausaufnahmen gerade einmal um ein Prozent. Dafür ging jedoch die Zahl der Corona-Neuinfektionen um 24 Prozent nach oben und die Zahl der Patienten auf den Intensivstationen, die zuletzt wochenlang knapp oberhalb von 300 gelegen hatte, näherte sich der Marke von 400 an.

Nach der Sitzung des Konzertierungsausschusses trat ein sichtlich betreten wirkender Regierungschef vor die Mikrofone und Kameras. „Dies ist eine kalte Dusche“, sagte De Croo. Bei solchen Zahlen sei an Lockerungen nicht zu denken. „Das wäre undurchdacht, ruchlos, unverantwortlich.“ Beifall für die harte Linie der Regierung gab es aus der medizinischen Fachwelt. Der Löwener Virologe Marc Van Ranst sprach von einem „guten Beschluss“. Belgien befinde sich ein weiteres Mal an einer Wegscheide in der Pandemie.

Zuvor hatte Steven Van Gucht, Chef der Gesundheitsbehörde  Sciensano, erklärt, dass die „geringere Einhaltung der Regeln“ ein Grund für den jüngsten Anstieg der Corona-Kennziffern sein dürfte. Als weiteren Grund nannte er „neue Varianten“ des Virus. So sei der Anteil der ansteckenderen englischen Variante innerhalb einer Woche von 37 auf 53 Prozent gestiegen, während auf die südafrikanische Variante 2,2 Prozent und die brasilianischen zuletzt 0,9 Prozent entfallen seien.’

Wissenschaftler und Politiker hoffen, bis zur nächsten Tagung des Konzertierungsausschusses am kommenden Freitag Aufschluss darüber zu erhalten, ob es sich bei diesen Entwicklungen lediglich um ein Aufflackern der Zahlen handelt oder tatsächlich eine dritte Welle ausgebrochen ist. Der Genter Statistiker Bart Mesuere, der Tag für die Tag die neuesten Zahlen aufschlüsselt und einordnet, meinte am Freitag dazu: „Der exponentielle Anstieg scheint sich auf 25 Prozent pro Woche zu beschränken.“

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