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Mons – wir kommen wieder!

Eine erlebnisreiche Geschichte vom lohnenden Besuch der David Hockney-Ausstellung und einer frustrierenden Parkplatzsuche

Von Michael Stabenow

Waren Sie schon mal in Mons? Wenn nicht, dann sollten Sie unbedingt einmal dort vorbeischauen. Spätestens seit es der damalige Lokalmatador und spätere belgische sozialistische Premierminister Elio di Rupo geschafft hat, Mons mit dem Titel der europäischen Kulturhauptstadt zu schmücken, zieht es auch immer mehr ausländische Gäste in diese gut 60 Kilometer südwestlich von Brüssel gelegene und knapp 100000 Einwohner zählende Stadt.

Ob der 87 Meter hohe Belfried, der einzige barocke Glockenturm Belgiens, die malerische Grand´ Place mit dem im 15. Jahrhundert erbauten Rathaus oder die der heiligen Waltraut gewidmeten mächtigen Stiftskirche Sainte-Waudru – an historischen Bauwerken und spätmittelalterlichen oder frühneuzeitlichem Flair herrscht in der auf einen kleinen Hügel hinaufsteigenden Altstadt kein Mangel. Und dann gibt es das alljährlich kurz nach Pfingsten stattfindende Volksfest Ducasse de Mons, im Volksmund „Doudou“ genannt, bei dem alle aus dem Häuschen sind. Dabei wird nicht nur der Kampf des Heiligen Georg mit einem Drachen nachgestellt. Auch die angeblichen Reliquien der im siebten Jahrhundert hier heimischen Heiligen Waltraud werden auf einem prachtvollen und teilweise vergoldeten, sonst in der Kathedrale stehenden Wagen durch die Stadt gefahren.

Wer das Spektakel mit eigenen Augen sehen will, muss sich noch ein halbes Jahr gedulden. Wer schon vorher einen ruhigen Flecken in Mons aufsuchen will, ist im nahe der Grand´Place in der Altstadt gelegenen Musée des Beaux-Arts (BAM) gut aufgehoben. Vor vier Jahren gab es dort die erste belgische Retrospektive des kolumbianischen Malers und Bildhauers Fernando Botero, und im vergangenen Jahr wartete das BAM mit einer Sammlung von Werken des französischen Bildhauers Auguste Rodin auf (siehe “Excursion Mons, Expo Rodin“ – Belgieninfo). In diesem Herbst und noch bis zum 25. Januar kommenden Jahres bietet das BAM eine sehenswerte, dem britischen Maler und Grafiker David Hockney gewidmeten Ausstellung (David Hockney. Le Chant de la Terre | VisitMons), ziemlich genau drei Jahre nach einer umfassenden Werkschau im Brüsseler BOZAR.

Zu sehen sind vor allem Landschaftsmalereien und Stillleben des 1937 im nordenglischen Bradford geborenen Künstlers. Besonders beeindruckend sind die in Mons ausgestellten und im Frühling 2011 mit Hilfe eines IPad erschaffenen Bilder aus der Grafschaft Yorkshire. Die vorherrschend in Grüntönen gehaltenen und zuweilen tänzelnd wirkenden Motive verleihen den Bildern etwas Unbeschwertes und Heiteres, Das dürften nicht nur erwachsene Besucher zu schätzen wissen. Beeindruckend ist auch eine Bild-Collage, die den Künstler zweifach, schräg von hinten und spiegelbildlich vor einer mit 20 unterschiedlichsten Vasen und Blumengebinden dekorierten blauen Wand zeigt.

Eine besondere Würze verleihen der Ausstellung Werke von Künstlern, die Hockney nachhaltig beeinflusst haben: Vincent Van Gogh, Edvard Munch oder auch der finnische Maler Albert Edelfelt. Musikalisch untermalt wird die Ausstellung durch Auszüge aus dem 1911 entstandenen symphonischen Zyklus „Das Lied von der Erde“ von Gustav Mahler – weshalb die Ausstellung in Mons auf Französisch die Bezeichnung „Le Chant de la Terre“ trägt.

Entspannt und um viele optische Eindrücke bereichert verlassen die meisten Besucherinnen und Besucher nach rund anderthalb Stunden die auf zwei Stockwerke des Museums verteilte Ausstellung. In unserem Fall hat sich das besonders gut gefügt. Meist bevorzugen wir öffentliche Verkehrsmittel, wenn wir uns kreuz und quer durch Belgien bewegen. Aber in das von uns rund 75 Kilometer entfernte Mons? Von unserem flämischen Wohnort müssen wir zunächst zum Brüsseler Südbahnhof gelangen, um von dort aus dem im Januar 2025 eingeweihten neuen Bahnhof von Mons zu erreichen. Das bedeutet jeweils gut zwei Stunden für die Hin- und Rückfahrt. Mit dem Auto schaffen wir es normalerweise in jeweils knapp einer Stunde.

Ach ja, der Bahnhof von Mons! Statt, wie ursprünglich veranschlagt, 37 Millionen Euro soll das imposante weiße Bauwerk des spanischen Architekten Santiago Calatrava gut dreizehn Mal so viel, nämlich 480 Millionen Euro gekostet haben. Und die Bauzeit betrug nicht wie geplant zwei, sondern am Ende elf Jahre. Es war bekanntlich, wie uns ein Werbespruch einer Zigarettenmarke aus den sechziger Jahren lehrt, schon immer etwas teurer, einen besonderen Geschmack zu haben. Das scheint nicht nur für Bahnhofsbauten in Europa zu gelten. So wechselte ein Gemälde von David Hockney aus dem Jahr 1972, wie Wikipedia uns anvertraut, im November 2018 für den stolzen Preis von 90,3 Millionen amerikanischen Dollar durch eine Versteigerung den Besitzer.

Wir halten es mit bescheideneren Beträgen. 12 Euro pro Nase kostet der Eintritt zur Hockney-Ausstellung. Museum Pass-Inhaber haben sogar freien Zugang. Und gut zehn Gehminuten entfernt vom Museum lockt an der Place de Nervienne sogar ein Gratis-Parkplatz für mehr als 150 Autos. Leider gab es nicht nur dort keine einzige Parkmöglichkeit – vielleicht auch, weil nicht nur wir, sondern auch viele Berufspendler lieber mit dem Auto statt mit der Bahn nach Mons kommen. Auch bei der anschließenden Kreuz- und Querfahrt durch die Stadt schien schier jeder Parkplatz, ob kostenpflichtig oder nicht, besetzt zu sein.

Leider halten es die Stadtväter von Mons zudem mit der Ausschilderung von Parkhäusern spartanisch. Folgt man einem Verkehrszeichen, läuft man mangels weiterer Beschilderung leicht Gefahr, sich im Wirrwarr der Altstadt zu verheddern. Ein Zwischentopp, halb auf einem Bürgersteig, ein Blick aufs Smartphone sowie der obligatorische „Touchscreen-Eintrag ins Navi“ schienen Abhilfe zu versprechen.

Erleichtert bogen wir in die kleine Gasse zum Parkhaus in der Innenstadt ein. Auch wenn eine Anzeigetafel in Hockneys Lieblingsfarbe Grün „Libre“ anzeigte und eine Ruhepause für unser Gefährt verhieß, war das Zufahrtstor vergittert. Ein weißer Pfeil auf blauem Untergrund schien uns den Weg nach rechts zu weisen. Nach kurzem Zögern gingen wir darauf ein – und fanden uns gleich darauf wieder auf einer Straße wieder.

Wir zweigten wieder nach rechts ab und trugen uns, frustriert wie wir waren, schon mit dem Gedanken, den Museumsbesuch abzublasen. Da tauchten unterhalb der heute in barocke Gestalt gehüllten St. Elisabethkirche unvermittelt mehrere freie Parkplätze auf. Wir besetzten umgehend einen und schritten zum Parkautomaten. Dort bemerkten zu unserem Erstaunen, dass wir hier zwei Stunden lang kostenlos das Auto abstellen konnten. Das gab uns Zeit und Muße genug, die Hockney-Ausstellung zu genießen und danach den festen Vorsatz zu fassen, demnächst wieder nach Mons zurückzukehren.

 

 

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