An der Umbenennung eines traditionsreichen Brüsseler Fußballvereins scheiden sich die Geister
Von Michael Stabenow
(Fast) alle schwärmen von Royale Union Saint-Gilloise (RUSG). Es geht um jenem Fußballverein aus dem Brüsseler Südwesten, der in der abgelaufenen Saison das Kunststück vollbracht hat, sich nach 90 Jahren wieder mit dem Titel des belgischen Landesmeisters schmücken zu können. Bei manchem Fan in der belgischen Hauptstadt spielte da sicher auch etwas Schadenfreude darüber mit, dass der lange übermächtige Stadtrivale RSC Anderlecht sich damit wohl auf Jahre von der Aura des führenden Brüsseler Fußballvereins verabschieden musste.
Dass der Aufschwung der traditionsreichen „Union“ eng mit dem finanziellen Engagement des britischen Investors Tony Bloom zusammenhängt, rückt dabei ziemlich in den Hintergrund. Für weniger positive Schlagzeilen sorgt dieser Tage ein anderer Brüsseler Verein, der bisher unter dem Kürzel RWDM – es steht für Racing White Daring Molenbeek – firmiert.
2023 war der von dem amerikanischen Investor John Textor mehrheitlich kontrollierte – und finanzierte – Verein nach einer langjährigen Durststrecke in das belgische Fußball-Oberhaus zurückgekehrt. Der Abstieg folgte postwendend, und auch die angestrebte Rückkehr in die erste Liga scheiterte vor einigen Wochen, wenn auch nur knapp.
Für mehr Aufregung als der verpasste RWDM-Aufstieg sorgt jedoch unter vielen Fans die vom Klubeigner Textor beschlossene Umbenennung des Vereins in „Daring Brussels“. So ähnlich – nämlich „Daring Club de Bruxelles“ – hieß jener Verein, der zwischen 1912 und 1936 fünfmal die belgische Landesmeisterschaft errang und die Matrikelnummer 2 des belgischen Verbandes innehat – einen Platz hinter „The Great Old“, Royal Antwerp FC (RAFC) aus der Scheldestadt Antwerpen.
Auf der Website erfahren wir die „Geschichte einer Renaissance“. 130 Jahre nach der Gründung werde „ein Monument des belgischen Fußballs“ wie Phönix aus der Asche wieder auferstehen. Die Bezeichnung „Brussels“ habe international einen Wiederkennungswert; „Daring“ stehe für Kühnheit, was bestens zum Verein und seinen Fans passe. Und der symbolträchtige Name werde dazu beitragen, alte und neue Anhänger zu vereinen. Da es keinen anderen Verein namens „Daring“ gebe, sei es zudem gleich, ob – wie einst – von „Daring de Bruxelles“ oder – in der Sprache Shakespeare – von „Daring Brussels“ die Rede sei.
Ganz so sehen das viele Anhänger des bisherigen Namens RWDM nicht. Petitionen, Protestmärsche und sogar ein einstimmiges Votum des Gemeinderats der Brüsseler Stadtteils Molenbeek-Saint-Jean sollen dafür sorgen, dass es beim bisherigen Namen RWDM bleibt. Der Gemeinderat drohte damit, die Mannschaft nicht mehr im Edmond Machtens-Stadion in Molenbeek auflaufen zu lassen.
Soll der Bezug zu “M wie Molenbeek” etwa verschwinden, weil der Stadtteil, insbesondere wegen der mit ihm immer wieder in Verbindung gebrachten mörderischen Terroranschläge am 16. März 2016 gebracht wird? Für die eingefleischten Anhänger ist dieses Argument nebensächlich.
Auch wenn viele Fans nicht in Molenbeek wohnen – mit der Gemeinde verbindet sich, nicht zuletzt wegen des dortigen Stadions, die jüngere Geschichte des Vereins. Dabei ist er 1973 aus der Fusion von Daring und dem im Brüsseler Osten beheimaten Verein Racing White hervorgegangen; dieser ist wiederum durch die Zusammenlegung der Vereine Racing Club de Bruxelles und White Star entstanden – daher auch die später von RWDM übernommene Matrikelnummer 47.
Zwei Jahre nach der Gründung – 1975 – wurde RWDM sogar belgischer Meister – vor dem auf Platz 3 gelandeten Stadtrivalen RSC Anderlecht und dem heutigen Meister Union Saint-Gilloise, der sich damals auf der Talfahrt zum 1981 erreichten Tiefpunkt in der vierten Liga befand. In den Reihen der RWDM-Meistermannschaft spielten unter anderem der Mittelfeldregisseur Jean Dockx, der später als pfiffiger Fußballexperte im belgischen Fernsehen äußerst populär gewordene niederländische Stürmer Johan Boskamp sowie Morten Olsen, später Abwehrchef beim 1. FC Köln sowie langjähriger dänischer Nationaltrainer.
Die Gedanken des Investors Textor gehen dieser Tage wohl kaum zurück zu den ruhmreichen RWDM-Zeiten. Glaubt man der Zeitung „Het Nieuwsblad“, dann besteht noch eine kleine Chance, dass es bei der Bezeichnung RWDM bleiben könnte. Es ist allerdings eine Sichtweise, der in der Brüsseler Zeitung La Dernière Heure (DH) prompt und entschieden widersprochen wurde.
Textor dürften aber im Augenblick ohnehin andere Sorgen plagen. Seine Hoffnung auf einen großen Coup des in seinem Besitz befindlichen Vereins Botafogo bei der in den Vereinigten Staaten ausgetragenen Klub-Weltmeisterschaft musste Textor dieser Tage aufgeben. Im innerbrasilianischen Duell unterlag Botafogo gegen Palmeiras mit 0:1 nach Verlängerung.
Seine Beteiligung von 40 Prozent am Londoner Premier League-Verein Crystal Palace hat der amerikanische Geschäftsmann inzwischen abgestoßen. Damit sollte die Auflage der europäischen Fußballunion (UEFA) erfüllt werden, wonach nicht zwei ein und derselben Person gehörende Vereine gleichzeitig in den europäischen Wettbewerben antreten dürfen.
Bei diesem zweiten im Besitz Textors befindlichen Verein handelt es sich um den französischen Traditionsklub Olympique Lyon. Der wurde jetzt gerade in erster Instanz von der französischen Fußball-Aufsicht wegen hoher Schulden dazu verdonnert, den Gang in die zweite Liga anzutreten. Ob eine Berufung gegen die Entscheidung oder die Ankündigung Textors, Geschäftspartnern seine Anteile zu überlassen, für Abhilfe sorgen werden, steht noch in den Sternen – und dürfte die RWDM-Anhänger ohnehin nicht vorrangig interessieren,
Aktuelle Ergänzung vom 8. Juli 2025:
Die Fanproteste haben sich ausgezahlt. Der Verein hat jetzt bekanntgegeben, dass es beim herkömmlichen Namen RWDM bleiben darf – wenn auch mit dem Zusatz “Brussels”. Der Verein heißt fortan “RWDM Brussels” . dies, wie es auf der Website heißt (https://share.google/1rtwVj4fgZkoZ18en , “um den Interessen unseres Vereins im internationalen Rahmen zu dienen Bühne zu dienen”,
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