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Belgien auf dem Weg in das Glasfaser-Zeitalter – zu welchem Preis?

Von Reinhard Boest 

In Belgien wird allerorten gegraben. Tiefbauunternehmen reißen Straßen, Fußwege und Vorgärten auf und verlegen Glasfaserkabel. Das Land ist auf dem Weg in die digitale Zukunft. 

Belgien: Erster oder letzter beim Breitband-Internet in der EU?

Geht es allerdings nach dem Bericht, den die EU-Kommission jährlich über die Fortschritte der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der „Digitalen Dekade (2021-2030)” veröffentlicht, hat Belgien noch eine erhebliche Strecke vor sich. Bei der Abdeckung mit Glasfasernetzen liegt das Land im europäischen Vergleich nämlich auf dem letzten Platz. Im Jahr 2024 hatte es von dem angestrebten Ziel, bis 2030 eine 82-prozentige territoriale Verfügbarkeit von Glasfaser zu erreichen, nur 31 Prozent erreicht. Deutschland steht hier mit 37 Prozent nicht viel besser da. Dagegen sind andere Nachbarländer wie Frankreich und Niederlande mit 88 beziehungsweise 85 Prozent schon deutlich weiter; dazu haben nicht zuletzt massive staatliche Unterstützungsprogramme beigetragen, auch mit EU-Geldern. Der EU-Durchschnitt liegt derzeit bei 69 Prozent.

Nun ist die Glasfasertechnologie nicht die einzige, die einen Breitband-Internetzugang ermöglicht, das heißt einen Anschluss mit hoher Übertragungsgeschwindigkeit. Eine allgemein gültige „Breitband“-Definition gibt es nicht. Gemeint sind in der Regel Anschlüsse, die den aktuellen Anforderungen von Haushalten, kleinen Gewerbebetrieben oder Schulen entsprechen. Ein schneller Internetzugang ist daher auch über die beiden Netze möglich, die in Belgien seit langem existieren und praktisch auf dem gesamten Territorium verfügbar sind: das Telefon- und das Kabelfernsehnetz auf der Basis von Kupfer- beziehungsweise Koaxialkabeln. Diese ermöglichen mit entsprechender technischer Ertüchtigung Übertragungsgeschwindigkeiten (Upload) bis 100 Megabites pro Sekunde (Mbps) oder mehr. Legt man diesen Maßstab zugrunde, hatten 99 Prozent der Belgier Anfang 2025 einen Breitbandzugang von mindestens 100 Mbps, wie sich aus den Berichten des Belgischen Instituts für Postdienste und Telekommunikation (BIPT) ergibt. Mit diesen schon seit langem üblichen Werten liegt Belgien ganz vorne in der EU. Das BIPT hält die Verfügbarkeit und die Qualität der Breitbandversorgung in Belgien daher aktuell für durchaus zufriedenstellend.

Aufbau des Glasfasernetzes in Belgien: zuerst parallel, jetzt gemeinsam

Höhere Geschwindigkeiten, etwa von einem Gigabite (Gbps) und mehr, erfordern in der Regel eine Übertragung durch Glasfaser. Proximus, das frühere Staatsunternehmen Belgacom und führender Anbieter auf dem belgischen Markt, hat 2016 mit dem Aufbau eines Glasfasernetzes begonnen (FTTH, “Fiber to the Home”), also mit direktem Anschluss für einzelne Haushalte). Proximus konzentrierte sich dabei zunächst auf die großen Städte und Ballungsräume.

2020 wurden Partnerschaften mit “Fiberklaar” (Flandern) und “Unifiber” (Wallonie) zur Versorgung der weniger dicht besiedelten Gebiete geschlossen. Das Ziel war der Anschluss von 70 Prozent aller belgischen Haushalte bis 2028 und von 95 Prozent aller Haushalte und Unternehmen bis 2032. In Ostbelgien wurde ein Gemeinschaftsunternehmen mit der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft (“Glasfaser Ostbelgien” oder “Go Fiber”) gegründet, das bis 2026 alle neun Gemeinden in der DG anschließen soll.

Parallel nahmen weitere Unternehmen den Aufbau von eigenen Glasfasernetzen in Angriff: der Telekom-Anbieter Telenet und das Energieunternehmen Fluvius mit ihrer Gemeinschaftsgründung “Wyre” in Flandern, der Mobilfunkanbieter “DIGI” in einigen Brüsseler Gemeinden sowie “Orange” (früher France Telecom) in Brüssel und der Wallonie. Hinzu kommen noch einige eher lokale Anbieter.

Im Juli 2024 vereinbarten Proximus, Wyre, Telenet und Fiberklaar, die Glasfasernetze in Flandern gemeinsam zu entwickeln. Ein Jahr später folgte ein entsprechendes Protokoll zwischen Proximus, Unifiber und Orange für die Wallonie. Dabei geht es vor allem um die Versorgung der weniger dicht besiedelten Gebiete und den gegenseitigen Zugang zu den Netzen. Mit diesen Vereinbarungen werden zwar der Aufbau paralleler Netze einerseits und eine “Breitbandwüste” andererseits vermieden; die belgische Wettbewerbsaufsicht hat aber das letzte Wort darüber noch nicht gesprochen. Eine Untersuchung, gemeinsam mit dem BIPT, ist noch im Gange.

Glasfaserkarte Belgien: überwiegend weiße Flecken, vor allem im Süden

Ein Blick auf die interaktive Glasfaserkarte Belgiens zeigt vor allem im dünn besiedelten Süden des Landes fast flächendeckend eine „Glasfaserwüste“. Proximus hat nach eigenen Angaben bereits zu 2,4 Millionen Haushalten Glasfaser verlegt, das wären 45 Prozent aller belgischen Haushalte (etwa 5,2 Millionen). Die Regulierungsbehörde zählt per Ende 2024 aber nur 1,68 Millionen Glasfaser-Anschlüsse. Diese liegen, wie man auf der Karte sehen kann, vor allem in und zwischen den großen Städten – dort ist es wirtschaftlich am interessantesten. Die dünn besiedelten Provinzen im Süden sind dagegen bisher fast durchgehend ein weißer Fleck, und konkrete Angaben über Zeitpläne geben die Netzbetreiber nicht (außer für das Gebiet der Deutschsprachigen Gemeinschaft).

In den vom BIPT veröffentlichten Zahlen findet sich die optimistische Aussage über den Übergang zur Glasfasertechnik nur bedingt wieder. Danach basieren immer noch 52 Prozent der Breitbandanschlüsse (2,69 Millionen) auf Koaxialkabeln (HFC). Weitere 1,82 Millionen Anschlüsse nutzen das Telefonnetz mit DSL-Technologie, und nur 560.000 (etwa 11 Prozent) Glasfaser.

Es gibt also eine deutliche Diskrepanz zwischen der Zahl der Glasfaser-Anschlüsse und der tatsächlichen Nutzung: nur ein Drittel der Haushalte, die schon an Glasfaser angeschlossen sind, nutzen diese Technologie auch tatsächlich. Für einen Wechsel spielen die Tarife eine Rolle, aber auch die Frage, ob man die höhere Leistung wirklich braucht.

Glasfaser – auch eine Preisfrage

Ein Blick auf die von den verschiedenen Anbietern praktizierten Tarife zeigt, dass nicht die verwendete Technologie einen Unterschied macht, sondern die Leistung, also die Übertragungsgeschwindigkeit und die Datenmenge. 100 Mbps kosten gleich viel, ob über einen Glasfaser-, einen Kupferkabel- oder einen Koaxialkabelanschluss. Teurer wird es, wenn man sich für höhere Übertragungsgeschwindigkeiten entscheidet.

Auch wenn die Glasfasernutzung noch deutlich in der Minderheit ist, starten die Telekom-Unternehmen zunehmend mit der Vermarktung reiner Glasfaserangebote. Deren Bedeutung wird zunehmen, weil mit dem Ausbau der Netze nach und nach die bisher genutzten Techniken verschwinden werden. Proximus betont, dass man schon aus Kostengründen auf Dauer nicht mehrere Kabelnetze parallel betreiben werde; die Rede ist von höchstens fünf Jahren.

Schon jetzt mache man, so heißt es bei Proximus, die Erfahrung, dass 70 Prozent der Kunden, denen ein Glasfaseranschluss zur Verfügung gestellt werde, im Laufe der ersten 12 Monate auf diese neue Technik wechselten. Vorteile seien dabei nicht nur höhere Geschwindigkeiten (die nicht jeder braucht), sondern auch eine bessere Qualität und Stabilität der Datenübertragung. Seit 2022 legt Proximus schrittweise sein Telefonkabelnetz still, wo Glasfaser installiert wird; bis 2040 soll dieser Prozess abgeschlossen sein (Einzelheiten hier).

Mit welchen Kosten muss man also rechnen, wenn der Anschluss auf Glasfaser umgerüstet wird? Die Tageszeitung “Le Soir” hat sich die Mühe gemacht, Angebote zu recherchieren und zu vergleichen. Das Ergebnis: es ist unübersichtlich. Neben den “großen” (Proximus, Telenet, Orange) gibt es eine Reihe kleinerer, zum Teil nur regional tätiger Anbieter, etwa Scarlet, Mobile Viking (beides Filialen von Proximus), FastFiber,  Edpnet oder Digi. Der Vergleich ist schwierig, weil kaum zwei Angebote den gleichen Leistungsumfang haben: Unterschiede bei Geschwindigkeit, Datenmenge, Laufzeit, Sonderangebote oder Pakete (Internet, TV, Mobiltelefon) mit unterschiedlicher Zusammensetzung. Auch die Technik spielt eine Rolle: “reine” Glasfaser oder Hybrid, also eine Kombination zwischen Glasfaser und Koaxialkabel (etwa auf der “letzten Meile”, wie es Telenet anbietet).

Je schneller, desto teurer – was braucht man wirklich?

Bei annähernd gleichem Leistungsumfang sind die Preisunterschiede zu bisherigen “klassischen” Abonnements eher gering – unabhängig davon, welche Technik der Anbieter verwendet. Wenn man dagegen eine schnellere Breitbandverbindung per Glasfaser braucht (von 500 Mbps aufwärts), wird es zum Teil deutlich teurer, und der Preis steigt mit der Übertragungsgeschwindigkeit. Gleichzeitig wachsen die Preisunterschiede zwischen den Anbietern.

Die Preisfrage ist also: welche Übertragungsgeschwindigkeit und welches Datenvolumen brauche ich wirklich? Manche Experten sind der Auffassung, dass eine Kapazität von 100 Mbps für „normale“ Nutzer eigentlich ausreiche. Das entspricht dem aktuellen Standard in 99 Prozent des belgischen Territoriums. Es wäre allerdings zu wünschen, dass diese Leistung nicht nur im Angebot zugesagt, sondern auch wirklich erbracht wird (ein Speedtest verrät es: meistens nicht).

Aber es hängt natürlich auch davon ab, wie viele Personen in einem Haushalt gleichzeitig online sind, in welchem Umfang – datenintensives – Streaming oder Gaming genutzt wird oder ob man Wert darauf legt, dass eine umfangreiche Datei in 30 Sekunden statt in vier Minuten heruntergeladen wird. Dann kommt man mit 100 Mbps nicht aus.

Eine Entscheidungshilfe für die Wahl seiner Internetverbindung bietet auch das BIPT auf seiner Internetseite. Unabhängig von Glasfaser und Kabeltechnologie: Proximus wird seine Preise – vor allem für “Altkunden” – zum 1. Januar 2026 anheben, wie der Fernsehsender RTBF vor einigen Tagen berichtete.

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