
In Belgien erwacht das Bewusstsein für Preisschnäppchen beim Einkauf im Nachbarland
Von Michael Stabenow
Knapp 150 Kilometer trennen Brüssel von Aachen. Für viele deutsche Bewohner Belgiens ist es längst zur Praxis geworden, eine Reise über die Grenze zum Anlass zu nehmen, von einem unterschiedlichen Warenangebot und häufig auch günstigeren Preisen zu profitieren. Und auch wer die Fahrt über die Grenze nicht mit der Besichtigung touristischer Attraktionen in Aachen, Köln oder der Eifel verbinden möchte, macht sich trotz happiger Spritpreise durchaus bereitwillig mit leeren Einkaufstaschen auf den Weg.
Wenn Verbraucherorganisationen in Belgien der Frage nachgehen, in welchem Nachbarland oder welcher belgischen Region sich Einkäufe lohnen, dann geht der Blick vor allem nach Frankreich oder in die Niederlande. Dass auf Schnäppchenjäger jenseits der Ostgrenze Belgiens oft noch günstigere Angebote warten, ist vielen Belgierinnen und Belgiern nicht bewusst.
Das scheint sich jetzt ein wenig zu ändern. Es hat zuletzt in der belgischen Presse mehrere Berichte mit Preisvergleichen zwischen Einzelhandelsgeschäften in Belgien und Deutschland gegeben. Die französischsprachige Zeitung Sudinfo hat dieser Tage in einem Beitrag festgestellt, dass mehr und mehr Belgierinnen und Belgier sich zum Einkaufen nach Deutschland begeben. Die Zeitung hat anhand von Beispielen dargelegt, dass der Lebensmittelkauf mal in Belgien, mal in Deutschland günstiger sei – man also genau hinschauen müsse. Einem – kostenfrei – unter dem genannten Link abrufbarem Video ist jedoch zu entnehmen, dass zum Beispiel Hygieneprodukte in deutschen Läden oft günstiger sind.
Weniger positiv aus Sicht belgischer Einzelhändler ist dagegen der Befund, zu dem die flämische Zeitung Het Nieuwsblad in einem Mitte Juli samt Podcast veröffentlichten Beitrag gelangt ist. Demnach lassen sich, wie die „Vrolijke Vrekken“ („Fröhliche Geizhälse“) Ewoud und Kristof feststellten, beim Kauf von Drogerieprodukten in Deutschland gute Geschäfte machen. Dies gelte auch für Elektronikwaren, wenn man die in belgischen und deutschen MediaMarkt-Filialen für die gleichen Produkte praktizierten Preise nebeneinander stelle. Auch der Kauf von Schokolade könne sich, wie die Erfahrungen der aus dem Süßwaren-Eldorado Belgien angereisten Podcaster Kristof und Ewoud zeigen, preislich lohnen, wie sie beim Besuch von „Lindt Werksverkauf“ in Aachen festgestellt haben.
Eine kleine Warnung: Wer sich die offenbar lustig gemeinten Beiträge von Het Nieuwsblad im Original zuführt, sollte sich an mehreren Stellen angesichts reichlich aus der Zeit gefallenen Klischeevorstellungen über das Nachbarland Ohren und Augen zuhalten. „Jungs, nicht zu viele Witze über den Zweiten Weltkrieg machen, nicht wahr“, lautete angeblich die Botschaft, die der Chef den beiden Preisvergleichern mit auf die Reise nach Aachen gegeben haben soll. Mit der auf Preisvorteile in Deutschland gemünzten Überschrift des Artikels – „40-45? Ich wusste nicht, dass sich das auf den Rabatt bezog“ – soll offenbar auf die Zeit der deutschen Besatzung Belgiens im Zweiten Weltkrieg angespielt werden.
Dass sich beide Reporter in einem für das Rheinland eher untypischen alpenländisch anmutenden Kleidungsoutfit präsentierten, wirkt immerhin etwas weniger deplatziert als ihre Bemerkungen „Nach rechts, das haben sie hier gern“, „Blitz-Reportage“, „ein kleiner Anschluss an unseren Plan“ oder die auf sprachlichen Nachholbedarf hindeutenden Formulierungen „hupsches Fraulein“ oder „Ich habe es nicht gewist“. Wie die Belgier (in dem Fall die Flamen) auf Deutschland blicken, davon vermittelte übrigens im vergangenen Jahr auch eine Fernsehserie von Jan Leyers im Sender VRT einen Eindruck.
Aber decken wir einfach einmal den Mantel des Schweigens über diese Art von Humor. Stattdessen heben wir folgenden ebenfalls witzig, aber angemessener erscheinenden Befund hervor: „DM. Ich liebe dich.“ So gelangten die „Fröhlichen Geizhälse“ beim Preisvergleich für einen identischen Warenkorb zu der Erkenntnis, dass die in Belgien stark präsente Drogeriekette Kruidvat mit 98,49 Euro nicht weniger als 38,34 Euro und somit fast 40 Prozent mehr verlangt als der deutsche Konkurrent DM. Und auch der Vergleich der von MediaMarkt in Belgien und Deutschland praktizierten Preise förderte laut Ewoud und Kristof große Unterschiede zutage. So stießen sie darauf, dass in Deutschland ein Fernsehgerät vom Typ Sony Bravia mit 85 Zoll-Bildschirm für 1999 Euro zu haben war, für das in Belgien 2599 Euro verlangt wurden. Und das Handymodell Samsung Galaxy Z Flip 6 kostete in Deutschland 899 Euro, während es auf der belgischen MediaMarkt-Website für 1158 Euro angeboten wurde.
„Man muss einfach blöd sein, um in Belgien noch zu einem MediaMarkt zu gehen“, lautet – in Anspielung auf einen Werbespruch des Unternehmens – einer der Podcast-Befunde, ein anderer: „Ich werde künftig jedes Jahr einen Tag in Deutschland shoppen gehen“. Zudem kann man in Aachener Parkhäusern inzwischen, was früher nicht möglich war, auch mit einer belgischen Bankkarte zahlen.
Und noch etwas, was auch Belgieninfo vor knapp einem Jahr aufgefallen war, haben die „Fröhlichen Geizhälse“ aus Aachen als Erkenntnis mitgenommen – dass beispielsweise für eine innerbelgischer Standardbrief-Versendung 1,49 Euro Portokosten fällig werden und eine grenzüberschreitende Briefsendung von Deutschland nach Belgien 25 Cent günstiger ist. Einen für all diejenigen, die von Deutschland aus Weihnachtspost verschicken möchten, nützlichen Ratschlag erhielten wir übrigens unlängst in einem deutschen Postamt: auf einem Brief mit deutschem Porto solle man tunlichst keine belgische Absenderadresse vermelden.







Beiträge und Meinungen