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Empfang zum Festtag der “letzten Belgier”

Von Heide Newson und Reinhard Boest

Es gehört schon längst zur Brüsseler Tradition, und am 15. November war es wieder so weit. Der Festtag Ostbelgiens, der mit dem Fest des Königs zusammenfällt, wurde in der Vertretung in Brüssel in fröhlicher Runde gefeiert. Geladen hatten der Präsident des Parlaments, Karl-Heinz Lambertz, und der Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft Oliver Paasch. Die etwa einhundert Gäste, darunter Deutschlands bilateraler Botschafter Martin Kotthaus, der Schweizer Botschafter Philippe Brandt, die stellvertretende Botschafterin der Ukraine Natalia Anoshyna, Mitglieder der deutschsprachigen Regierung, des Parlaments sowie Vertreter aus der flämischen und französischen Gemeinschaft, um nur einige zu nennen, waren gekommen, um diesen Festtag mit den Ostbelgiern zu begehen.

Ein strahlender Ministerpräsident empfing seine Gäste mittags zusammen mit Parlamentspräsident Karl-Heinz Lambertz und der neuen Leiterin der Vertretung, Eva Johnen, mit Handschlag im lockeren Plauderton. Viele Gäste waren wie Oliver Paasch nach dem Te Deum in der Brüsseler Kathedrale anlässlich des Festtages des Königs direkt in die Deutschsprachige Vertretung geeilt. Zum Auftakt spielten Daniel Offermann (Kontrabass) und Frank Niessen (Piano) flotte Songs und sorgten sogleich für Stimmung.

Die neue Leiterin der Vertretung Eva Johnen hieß die Gäste in vier Sprachen aufs herzlichste willkommen. Sie freue sich, dass so viele der Einladung gefolgt seien, was eine große Ehre für den kleinsten Teilstaat Belgiens sei. Sie unterstrich, wie wichtig es für Ostbelgien sei, mit allen anderen Regionen und Ländern gute Kontakte zu unterhalten. Gute Beziehungen seien nur möglich, wenn man miteinander rede, den anderen zuhöre. Nur so könne man eine gute Basis des Vertrauens schaffen und viel voneinander lernen.

In seiner – wie immer bei diesem Anlass in vier Sprachen gehaltenen – Ansprache würdigte Ministerpräsident Oliver Paasch den belgischen Föderalismus und die Rolle, die darin die Deutschsprachige Gemeinschaft – “die letzten Belgier”, wie er sagte – spiele und in Zukunft spielen könne.

In den nunmehr gut einhundert Jahren der Zugehörigkeit zu Belgien sei die Geschichte der Deutschsprachigen nicht immer einfach gewesen. Heute sei Ostbelgien ein guter Ort zum Leben, und zwar dank des belgischen Föderalismus. Dieser werde oft zu Unrecht kritisiert, denn Belgien sei als Ganzes im weltweiten Vergleich doch ein erfolgreiches Land. Diversität sei kein Problem, sondern müsse als Chance gesehen werden. In föderalen Staaten hätten gerade kleine Teilstaaten ihren Platz und leisteten ihren Beitrag für das Ganze. Paasch verwies auf Beispiele in Deutschland, Italien und der Schweiz. Auch in der Ukraine sei eine künftige Friedensordnung am ehesten auf einer föderalen Grundlage denkbar.

Zu Recht werde das belgische System als kompliziert und überarbeitungsbedürftig beschrieben. Die Deutschsprachige Gemeinschaft maße sich nicht an, auf eine siebente Staatsreform zu drängen. Wenn sie aber komme, müsse sie auf dem Prinzip der Gleichberechtigung der Gemeinschaften und Regionen beruhen, auch für die Deutschsprachige Gemeinschaft. Ostbelgien verfüge schon jetzt über 80 Prozent der regionalen Zuständigkeiten und übe diese mit Erfolg aus.

Obwohl sie nur 0.7 Prozent der Einwohner Belgiens umfassten, könnten die Deutschsprachigen erfolgreiche Projekte zur Nachahmung für das ganze Land vorweisen, etwa die duale Ausbildung, die Familienpolitik oder den Bürgerdialog.

Auch Ostbelgien sei von den großen Krisen der jüngsten Zeit nicht verschont geblieben, wie der Corona-Pandemie, der Flutkatastrophe im Juli 2021 oder dem Krieg in der Ukraine mit seinen Folgen für die Energiepolitik. Man werde damit aber mit Hilfe seiner Zuständigkeiten und in Zusammenarbeit mit seinen Nachbarn und Partnern in Belgien und in der EU fertig werden. Am Ende seiner Rede verabschiedete Paasch den langjährigen Leiter der DG-Vertretung, Yves Kreins, und dankte ihm für seine Arbeit.

Anschließend fand das stimmungsvolle musikalische Rahmenprogramm seine Fortsetzung. Diskutiert wurde über Gott und die Welt, ein zentrales Thema war für viele der Krieg in der Ukraine. Das hatte etwas mit der Anwesenheit der stellvertretenden ukrainischen Botschafterin zu tun, die auch während des Empfangs in ständiger Verbindung mit ihrer Regierung stand. Breitwillig gab sie Auskunft über die aktuelle Lage zum Krieg und bedankte sich für die große Unterstützung, Solidarität und Anteilnahme, die ihrem Land auch aus Ostbelgien entgegen gebracht werde. All das mache ihr und ihren Landsleuten viel Mut, auch für die Zukunft. Und der Empfang der netten deutschsprachigen Belgiern, ein Festtag voller Harmonie und Lebensfreude, habe ihr sehr gut getan.


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