
Ein paar Einblicke per Youtube in das Selbstverständnis und in das Privatleben des belgischen Staatsoberhaupts König Philippe
Von Michael Stabenow
Auch König Philippe, das belgische Staatsoberhaupt, muss offenbar mit der Zeit gehen. Kein Wunder daher, dass der Mitte April 65 Jahre alte gewordene Monarch sich über Youtube an die Öffentlichkeit gewandt und einige Blicke hinter die Kulissen des Schlosses im Brüsseler Stadtteil Laeken gewährt hat. Innerhalb von 40 Minuten beantwortet der „König der Belgier“ insgesamt 38 Fragen zu den unterschiedlichsten Themen: warum er keine Krone trage, welche Speisen er nicht möge, ob er Idole habe oder was ein König so alles tue oder lasse (Vraag Het Aan De Koning – Le Roi Répond – Fragen an den König).
Welche Fragen dem König noch so gestellt worden sind? Wir werden es nicht erfahren. Sehr wohl wissen wir, dass mehr als 2500 Fragen eingegangen sind. Anscheinend mehr oder wenig zufällig ausgewählt wurden dann Fragen von Bewohnern des Landes aller Altersstufen sowie – meist im Wechsel – auf Niederländisch und Französisch.
Auch, das darf im offiziell dreisprachigen Belgien nicht zu kurz kommen, ein Deutschsprachiger namens Etienne kommt mit der Frage zu Wort, welchen Beruf der Monarch denn gerne ausgeübt hätte, wäre er nicht König geworden. Wir vernehmen aus dem Munde des Staatsoberhaupts, etwas zögernd in der Sprache Goethes, dass er dann wohl etwas „im Bereich der Wirtschaft“ getan „oder im sozialen Sektor Projekte mit anderen Leuten“ geleitet hätte.
Dies und die Tatsache, dass der König selbst eine Tasse Kaffee hereinträgt, ehe er sich in einen Polstersessel niederlässt, wirkt auf jeden Fall persönlicher als jene Fernsehansprachen, die er zweimal im Jahr – zu Weihnachten sowie anlässlich des Nationalfeiertags am 21. Juli – vom Teleprompter abliest. Auch wenn er über seine Frau Königin Mathilde und die vier gemeinsamen Kinder, die beiden Hunde oder über seine Hobbies redet, wirkt König Philippe etwas steif – und vielleicht auch deshalb irgendwie authentisch. Im Mittelpunkt zu stehen, was seit der Amtsübernahme von seinem Vater König Albert II. fast tagtäglich der Fall ist, war nie seine Sache.
Freundlich distanziert, wie meist bei offiziellen Anlässen, wirkt Philippe auch dann meistens in dem Youtube-Beitrag, wenn ihm sehr persönliche Fragen gestellt werden. Ob er einmal geweint habe? Wie fast jeder beim Betrachten eines Films. Ob er etwas nicht essen möge? Tintenfisch, weil in einem Film ihm ein solches Lebeweisen offenbar sehr sympathisch erschienen ist. Oder ob er Idole habe? Nein, keine Idole, aber der Amerikaner Frank Borman, der als erster Astronaut den Mond umflogen und ihm kurz darauf ein Autogramm geschenkt habe, das „ist für mich ein Held“.
Dafür, dass der König beim Frage-Antwortspiel in kein Fettnäpfchen tritt, dürfte nicht nur die Auswahl der Fragesteller gesorgt haben, sondern auch die Vorbereitung der Antworten, die selten spontan herüberkommen. Am ehesten gilt dies zum Beispiel dann, wenn der Monarch auf die Frage, ob er mit seiner Frau und den Kindern gelegentlich Verstecken im Palast spiele, antwortet: „Der Palast ist groß, und manchmal entdecke ich neue Gänge und Orte. Wenn ich mich verstecken müsste, dann würde mich niemand finden.“
Offen wirkt auch die Antwort des Monarchen auf die Frage, ob er überhaupt private Freundschaftten pflegen könne. „Zum Glück habe ich einige Freunde“, antwortet er und fährt fort: „Einige nennen mich beim Vornamen. Doch wie sie mich nennen, ist eigentlich nicht so wichtig. Wichtig ist, dass es eine wirkliche Verbindung gibt und man sich so geben kann, wie man ist.“
Sich zu geben, wie man ist – eine Devise, die nur wenige Zeitgenossen in der Praxis erleben. Die meisten Bewohnerinnen und Bewohner Belgien kennen nur die „offizielle“ Seite des Monarchen, der freundlich lächelnd Hände schüttelt und auch beim „Small talk“ eher wortkarg wirkt.
Immerhin erfahren wir bei der Ansicht des Youtube-Beitrags, dass neben zwei Hündchen auch eine Schildkröte zu den Mitbewohnern des Schlosses in Laeken gehört. „Sie futtert Salat und führt eigentlich ein sehr gemütliches Leben“, erzählt der Monarch schmunzelnd. Mit dem Lebenswandel einer Schildkröte hat seine „Morgenroutine“ hingegen offenbar nichts zu tun. Er stehe morgens um sieben Uhr auf, frühstücke mit Kaffee („das ist sehr wichtig“), lese Zeitungen, meditiere und spiele Klavier, jeweils eine Viertelstunde lang, ehe es in den Brüsseler königlichen Palast gehe. „Und dann beginnt der Tag“, sagt Philippe.
Normalerweise, so die wenig überraschende Antwort auf eine Frage nach seinem Outfit, trage er einen Anzug – heute mit lachsfarbener Krawatte und einem weißen Einstecktuch. „Für mich ist das eine Form der Höflichkeit gegenüber den Menschen, denen ich begegne“, erklärt der König sein übliches Outfit. Und in der Freizeit? Ja, er habe auch „eine Art Jeans“, ziehe aber Leinenhosen vor, verrät der Monarch. Etwas später zückt er sein Handy, und ein paar Takte von Songs der Dire Straits, seiner Lieblingsband, erklingen im Schloss von Laeken.
Auf die Frage einer kleinen Flämin, warum er keine Krone trage, antwortet Philippe zunächst, er trage keine, „weil das im Übrigen sehr schwer und teuer“ sei. Dann sagt er einen Satz, der viel über sein Selbstverständnis verrät: „Die Würde des Königs hängt nicht von der Krone ab, die er trägt, sondern davon, wer er wirklich ist.“
An Ruhestand will der Monarch, der nun das in Belgien noch geltende Renteneintrittsalter erreicht hat, vorerst nicht denken. Seine Antwort auf die Frage nach der Zukunftsplanung beginnt er mit der Gegenfrage. Doch dann lässt er keinen Zweifel daran, dass die Planungen für eine Amtsangabe an die älteste Tochter längst angelaufen sind. Prinzessin Elisabeth, die am 25. Oktober 24 Jahre alt wird, soll jedoch genügend Zeit erhalten, sich auf ihre Zeit als belgisches Staatsoberhaupt vorzubereiten. Und nicht nur dies, wie der offenbar noch nicht von Amtsmüdigkeit geplagte Monarch erläutert: „Ich werde weiter für Belgien arbeiten und es meiner Tochter ermöglichen, ihre Jugend zu genießen, die Welt zu sehen und sich zu entwickeln.“
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