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Belgischer Nationalfeiertag im Zeichen eines zehnjährigen Thronjubiläums

Von Heide Newson

Seit 1890 hat Belgien einen Nationalfeiertag, der auf den 21. Juli fällt. In diesem Jahr wurde er aufwändiger als sonst begangen, da er mit dem zehnjährigen Thronjubiläum von König Philippe zusammenfiel. Das fing damit an, dass die Militärparade wesentlich größer als üblich ausfiel sowie eine Reihe staatlicher Museen bis einschließlich Sonntag kostenlos zugänglich sind. Vor zehn Jahren hatte Philippe die Regentschaft von seinem Vater König Albert II. übernommen, und laut einer Umfrage der Zeitungen “Le Soir” und “Het Laatste Nieuws” sind die Belgier mit ihrem König mehrheitlich zufrieden. Wenn das kein Grund für eine ganz besondere Feier ist – und gefeiert wird der 21. Juli überall in Belgien.

Es ist neun Uhr in der Früh. An den Teichen von Ixelles, in der Avenue des Klauwaerts, scheint noch alles im Tiefschlaf zu liegen, als ich bei angenehmen 17 Grad den Bus in Richtung Kathedrale nehme. Aber so weit komme ich gar nicht. An der Porte de Namur ist Schluss, wir müssen alle aussteigen. „Das ist wegen der Festlichkeiten,“ entschuldigt sich die Busfahrerin. Alles ist weiträumig abgesperrt. Zu Fuß geht´s dann weiter in Richtung Stadtschloss. Dank meines Presseausweises lassen mich die Ordnungskräfte durch die an ein Labyrinth erinnernden Absperrungen. Um 9.30 Uhr erreiche ich die Kathedrale St. Michael und St.Gudula, in der das Fest mit dem traditionellen „Te Deum“, beginnt, an dem König Philippe und Königin Mathilde teilnehmen.

“Ich bin schon um sechs Uhr aufgestanden, um hier vor der Kathedrale einen guten Platz zu erwischen,“ sagt Lenie Pirotte, die sich ganz sicher ist, heute endlich König Philippe und Königin Mathilde „live“ zu sehen. Die Kamera ist gezückt. „Hoffentlich gelingen mir gute Fotos”, sagt sie in freudiger Erwartung. Soweit mein Auge reicht, schaue ich in strahlende, (vorwiegend belgische) Gesichter, die diesen Tag in einem Meer von Hüten, Schals, Schirmen und Fähnchen in den Nationalfarben Schwarz, Gelb und Rot so richtig feiern wollen. “Ich bin stolz, Belgier zu sein, insbesondere heute“, sagt Guy, der sich mit belgischer Fahne auf dem Fahrrad im Osten der Stadt auf den Weg zur Kathedrale gemacht hat.

Der Countdown läuft. Vertreter aus Diplomatie, Wirtschaft und den internationalen Institutionen treffen ein, die Glocken läuten, Kirchenmusik erklingt. Und dann wird es mucksmäuschenstill. Die königliche Eskorte ist im Anmarsch, und gleich darauf folgt das Königspaar im eleganten Mercedes. „Wow”, ertönt es aus der Menschenmenge, als Königin Mathilde, stilsicher in einem atemberaubenden rot-orangenen Outfit aus dem Auto steigt und dann mit Ehemann Philippe und ihren Kindern zur Kathedrale schreitet.

“Haben die Belgier eine hübsche Königin“, sagt Monica Rodriguez, die mit ihrer Familie einige Tage Urlaub in Belgien macht. „Eigentlich wollten wir zur Grand´Place, kamen aber nicht durch. Und nun diese Überraschung, wie im Film, unglaublich, einfach magisch.“

Pünktlich um zehn Uhr beginnt die Feier im königlichen Park. Und zwischen dem Föderalparlament und dem Königspalast geht es gleich rund. Den ganzen Tag gibt es dort ein vielfältiges Programm. Groß und Klein amüsieren sich bei sehr einfallsreichen Aktivitäten, genießen den Feiertag an verschieden Ständen bei Fritten, Waffeln, Eis, Bier und sonstigen Leckereien.

Die Feierlichkeiten haben für mich schon gestern Abend im Marollen-Viertel begonnen“, sagt Cindy Quidoux aus Anderlecht, mit der ich im königlichen Park ins Gespräch komme. Mathilde und Philippe hätten beim „Bal National“ ordentlich mitgefeiert, 40 Minuten seien sie geblieben. Umwerfend habe Mathilde in ihrem gelben Hosenanzug ausgesehen. Auf meine Frage, ob Philippe ihrer Meinung ein guter König sei, sagt sie, dass sie ein Fan von König Baudouin gewesen sei. Keiner käme an diesen ran. Das sei die Meinung der gesamten Familie.

Am Nationalfeiertag steht allerdings stets das Defilee der militärischen und zivilen Einheiten im Mittelpunkt. Wegen des gleichzeitigen Thronjubiläums fiel es größer und imposanter aus als in den Vorjahren.

Das Defilee beginnt um 16 Uhr. Insgesamt nehmen fast 1.400 Frauen und Männer teil, neben Angehörigen der Streitkräfte auch Abordnungen von Polizei und Rettungsdiensten. Vor dem Stadtschloss warten abertausende von Schaulustigen darauf, nicht nur die Militärparade und die Flugschau, sondern vor allem den König und die Königin sowie weitere Mitglieder der königlichen Familie zu sehen. Sie werden nicht enttäuscht. Das Königspaar scheint an diesem Nationalfeiertag überall präsent zu sein. Unter den vorbeimarschierenden Militärangehörigen erkennt man Prinzessin Elisabeth und ihren Bruder Gabriel, die ihre Ausbildung bei den Streitkräften soeben beendet haben. Prinz Laurent, der Bruder des Königs, nimmt an der Seite seiner Ehefrau Prinzessin Claire auf der großen Tribüne Platz. Prinzessin Astrid, die Schwester von Philippe, sitzt in Militäruniform neben Ehemann Erzherzog Lorenz von Österreich.

Dann ertönt die “Brabanconne”, die Nationalhymne – ein Zeichen, dass das Königspaar nun eintrifft. Die Sonne strahlt vom Firmament, als es geladene Gäste, die sich um Belgien verdient gemacht haben, herzlich begrüßt. Nicht umsonst steht in diesem Jahr die große Militärparade unter dem Motto „Be Heroes“, und von diesen zumeist freiwilligen Helden scheint es in Belgien viele zu geben. Königin Mathilde hat offensichtlich Probleme mit ihrem gigantischen Hut, den sie stets festhält, da der aufkommende Wind ihm zusetzt. Von der Tribüne aus verfolgt das Königspaar mit seinen Gästen ein faszinierendes Defilee der unterschiedlichen Streitkräfte. Und die Flugshow, selbst Helikopter kommen am Brüsseler Himmel zum Einsatz, ist einfach sensationell.

Sensationell ist auch das Festkonzert, das am Abend im Jubelpark anlässlich der zehnjährigen Regentschaft von König Philippe stattfindet. Dieses grandiose Event lassen sich Mathilde und Philippe nicht entgehen. Bekannte Künstler der belgischen Musikszene präsentieren ihre Hits, begleitet von einem 25-köpfigen Orchester. Mit dem abschließenden Feuerwerk, Lichtshows und Videobotschaften geht ein volksnaher, stimmungsvoller Nationalfeiertag in einem einzigartigen Ambiente und einer Königsfamilie zum Anfassen zu Ende. Und sogar die “drache nationale”, der für den Nationalfeiertag eigentlich charakteristische Regenguss, bleibt diesmal aus.

One Comment

  1. Aedo Duran Ilse

    Wiedermal ein Beitrag, den man mit grossem Vergnügen liest! Danke Heide Newson. Man erfährt alles und wird fürs Nichtdabeigewesensein voll entschädigt. Die anschauliche Schilderung des Ablaufs plus schöne Fotos lassen keine Wünsche offen. Den sog. Drache Nationale gibt’s nun schon seit mindestens 10 Jahren nicht mehr. Immer nur das beste und oft sogar sehr heisses Sommerwetter am 21.7. Aber jedes Jahr wird er ob seiner Abwesenheit sehr freudig zitiert.

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