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Belgiens holpriger Weg zur Elektromobilität

© goingelectric.de

Von Reinhard Boest

Die Begeisterung der Belgier für die Elektromobilität hält sich noch immer in Grenzen, jedenfalls wenn es um die Anschaffung eines eigenen neuen Autos geht. In den vergangenen drei Jahren ist zwar der Anteil “elektrifizierter” Autos deutlich gestiegen: von 14,3 Prozent der Neuzulassungen im Jahr 2020 auf zuletzt 46,2 Prozent. Dazu gehören vollständig batteriebetriebene Fahrzeuge (BEV), Plug-in Hybride, deren Batterie an der Steckdose aufgeladen wird (PHEV) und “normale” Hybrid-Wagen, deren Batterie vom Verbrennungsmotor geladen wird (HEV). Bei den BEV- und PHEV-Fahrzeugen waren aber nur gut 8 Prozent der Käufer Privatpersonen, rund 92 Prozent der Neuzulassungen entfielen auf Firmenwagen. Von den insgesamt in Belgien zugelassenen 5,878 Millionen Fahrzeugen haben immer noch 92 Prozent ausschließlich einen Benzin- oder Dieselmotor.

Der Grund für diese Entwicklung liegt auf der Hand: Elektroautos sind in Belgien weiterhin für eine große Mehrheit unerschwinglich und bleiben ein Privileg für diejenigen, die entweder über einen Firmenwagen verfügen können oder genug Geld haben. Die Bilanz, mit der das Land im europäischen Vergleich relativ gut dasteht, wird fast ausschließlich von den Firmenwagen getragen.

In den ersten neun Monaten dieses Jahres wurden nach Angaben des Branchenverbands Febiac in Belgien rund 375.000 Personenautos neu zugelassen. Davon waren 68.700 reine Elektro-Fahrzeuge (BEV); rechnet man die PHEV- und HEV-Autos hinzu (104.400), ist immerhin fast die Hälfte “elektrifiziert”. Der insbesondere seit 2020 zu verzeichnende Anstieg der Anzahl Elektro-Autos setzt sich also fort, während die Zulassungen bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor rückläufig sind. Autos mit Benzinmotor stellen 2023 aber mit knapp 44 Prozent noch immer den größten Anteil an Neuzulassungen, während auf Dieselautos nur noch 9,3 Prozent entfallen (2012 noch 75 Prozent). Durch den höheren Anteil elektrifizierter Autos sinken auch die CO2-Emissionen. Der durchschnittliche Emissionswert der Neuzulassungen liegt 2023 bei 86 Gramm pro Kilometer; 1995 lag er bei 186, 2020 (mit strengerer Berechnungsmethode) bei 130 Gramm.

Diese Fortschritte werden aber nur durch den hohen Anteil an Firmenwagen erreicht. Von den 375.000 Neuzulassungen in den drei ersten Quartalen 2023 entfielen darauf 255.000 Autos, also mehr als zwei Drittel. Private Kaufinteressenten können dem emissionsfreien und -armen Angebot noch wenig abgewinnen. Von den 120.000 Fahrzeugen, die sie in diesem Jahr angeschafft haben, sind nicht einmal 6.000 BEV und weitere 6.000 Plug-in Hybride. Immerhin 16.000 gingen einen ersten Schritt in Richtung Elektromobilität und kauften ein HEV, bei dem die Preisunterschiede zum Verbrenner nicht ganz so groß sind.

Wichtigster Grund für die Zurückhaltung dürfte weiterhin der hohe Preis sein. So kostet das 2023 in Belgien bisher mit fast 9.000 Exemplaren am meisten verkaufte Auto – der batteriebetriebene Tesla Y – laut Katalog in der Basisversion rund 48.000 Euro. Unter den Top Ten der Elektroautos findet sich nur ein Modell – der Dacia Spring -, der für rund 20.000 Euro zu haben ist, und davon wurden nur gerade einmal 250 Stück verkauft. Die von Febiac veröffentlichte Statistik weist aus, dass unter den neu zugelassenen Firmenwagen die BEV- und PHEV-Modelle an der Spitze lagen, bei den Privatwagen dagegen Autos mit Verbrennungsmotoren. Interessant ist auch der Blick auf die regionalen Unterschiede: in Flandern liegt mit dem Tesla Y ein BEV-Modell an der Spitze, in Brüssel der Volvo XC40 (PHEV) und in der Wallonie der Dacia Sandero (mit Verbrennungsmotor).

Der hohe Anteil an Firmenwagen dürfte wesentlich auf die staatliche Förderungspolitik zurückzuführen sein. Die Bereitstellung eines auch privat nutzbaren Fahrzeugs durch den Arbeitgeber ist in Belgien ein beliebter Anteil der Entlohnung, da darauf zwar Steuern gezahlt werden müssen, aber keine Sozialabgaben. Die steuerliche Absetzbarkeit wird aber schrittweise immer stärker an die Emissionen gekoppelt. So sind seit dem 1. Juli 2023 sind nur noch BEV-Firmenwagen vollständig steuerlich absetzbar. 2026 läuft die steuerliche Berücksichtigung von Verbrennerfahrzeugen vollständig aus.

Gibt es für Firmenwagen immerhin eine begrenzte steuerliche Förderung, so ist in Belgien auf bundestaatlicher Ebene für die private Anschaffung elektrischer Autos keine besondere Unterstützung vorgesehen; insbesondere eine Kaufprämie wie etwa in Deutschland gibt es bisher nicht. Dafür sind in Belgien die Regionen zuständig. Die flämische Regierung hat angekündigt, ab Anfang 2024 eine Kaufprämie in Höhe von 5.000 Euro für den Kauf eines BEV zu gewähren, dessen Listenpreis nicht über 40.000 Euro liegen darf. Für dieses Förderprogramm stehen zunächst 20 Millionen Euro zur Verfügung. Das heißt, es könnten gerade einmal 4.000 Autos gefördert werden. In der Wallonie gibt es entsprechende Pläne nicht. In Brüssel existiert hingegen eine Prämie – wenn man sein Auto ganz abschafft.

Wie sieht die Zukunft aus? Man kann nur hoffen, dass die Versprechungen der Autohersteller für “erschwingliche” Elektroautos Wirklichkeit werden, bevor auch die steuerliche Förderung ausläuft. Bei bisher nur zehn Prozent Anteil am Fahrzeugbestand ist der Weg zur Elektromobilität noch sehr lang. Dabei ist von der Ladeinfrastruktur und der Frage, woher der Strom kommen soll, noch gar nicht die Rede. Und ob die Autobesitzer wirklich darauf vertrauen können, mit ihrem E-Auto für den Urlaub nicht nur an die belgische, sondern auch die spanische Küste zu kommen?

Den Fürsprechern von batteriebetriebenen Fahrzeugen bläst jetzt freilich auch aus einer anderen Ecke der Wind ins Gesicht. Wie die Wirtschaftszeitung „De Tijd“ berichtet, werde der bis 2030 zu erwartende, dann gut zwei Millionen „elektrifizierte“ Autos – und stets weniger Verbrennerfahrzeuge – umfassende Fuhrpark dazu führen, dass die jährlichen Einnahmen des Bundesstaats aus der Besteuerung von Kraftstoffen um 1,4 bis 1,5 Milliarden Euro unter dem jetzigen Niveau von 8 Milliarden Euro liegen dürften. Die Zeitung beruft sich dabei auf Studien des Beratungsunternehmens EY und des mehrheitlich von der Katholischen Universität Löwen kontrollierten Forschungsinstitut Transport & Mobility Leuven (TML). Als mögliche Reaktion darauf stehen höhere Steuern beim Fahrzeugkauf sowie Straßenbenutzungsgebühren in Form einer Vignette oder streckenabhängiger Abgaben zur Diskussion.

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