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Belgien verlängert Laufzeit von Doel 4 und Tihange 3 um 10 Jahre

Atomkraftwerk Tihange
Wallonie.be

Von Michael Stabenow

Es war eine schwere Geburt. Am Montagabend konnte Premierminister Alexander De Croo dann endlich Vollzug vermelden: Wie sich bereits seit Juli abzeichnete, wird Belgien die Laufzeiten der Kernreaktoren Doel 4 (bei Antwerpen) und Tihange 3 (bei Huy) um zehn Jahre bis 2036 verlängern. Vorausgegangen war ein monatelanges Tauziehen zwischen der Regierung und dem Betreiber Engie Electrabel, der sich zunächst gegen eine Verlängerung gesträubt hatte.

De Croo zeigte sich zuversichtlich, dass Belgien nun in der Lage sei, die Energieversorgung durch erneuerbare Energieträger (Wind- und Sonnenenergie), Gas sowie – für ein Jahrzehnt – durch Atomstrom längerfristig zu sichern. Die Verhandlungen sollten eigentlich bis zum Jahresende 2022 abgeschlossen werden. In zähen Verhandlungenin den vergangenen Tagen ist es schließlich doch noch gelungen, eine Vereinbarung zur Laufzeitverlängerung zu schließen.

Die Vereinbarung sieht vor, dass der belgische Staat die Hälfte der Anteile der künftigen Betreibergesellschaft übernimmt. Sie enthält Kriterien zur Verteilung von Kosten und Gewinnen auf der Grundlage der künftigen Strompreisentwicklung sowie Garantien für den Betreiber. De Croo unterstrich, dass damit Belgien wieder an der Kontrolle der Stromerzeugung aus den Atomkraftwerken beteiligt ist, die bisher allein in der Hand der französischen Betreibergesellschaft Engie lag. Für Engie ist andererseits wichtig, dass ein Fahrplan für den künftigen Umgang mit der Schließung der Anlagen sowie mit den anfallenden nuklearen Abfällen vereinbart wurde, worüber die Details noch verhandelt werden müssen. Zu den Kosten äußerte sich De Croo nicht. Diese Frage soll in den kommenden Wochen anhand von Studien geklärt werden. Zuletzt waren Kosten von mindestens 18 Milliarden Euro im Gespräch.

Die beiden Reaktoren müssen für den Weiterbetrieb bis 2036 umfassend aufgerüstet werden. Dafür sollen sie im Sommer 2025 vom Netz genommen werden und stehen daher bis November 2026, dem geplanten Zeitpunkt der Wieder-Inbetriebnahme, für die Energieversorgung nicht zur Verfügung. Vor allem die französischsprachigen Liberalen (MR) hatten daher einen zeitlich begrenzten Weiterbetrieb anderer Reaktoren ins Gespräch gebracht. Davon war zuletzt jedoch keine Rede mehr.

Auch wenn das Vertragswerk nach Angaben des Premierministers in den kommenden Monaten noch komplettiert werden muss, können insbesondere die technischen und Umweltprüfungen unmittelbar beginnen, die für die förmliche Genehmigung der Verlängerung notwendig sind. Das ist für die Einhaltung des ohnehin engen Zeitplans sehr wichtig.

Die „Vivaldi“-Koalition aus den Liberalen, Sozialisten und Grünen beider Landesteile sowie den flämischen Christlichen Demokraten schien bei ihrem Amtsantritt im Herbst 2020 an der schrittweise bis 2025 geplanten Stilllegung aller sieben Reaktoren in Doel bei Antwerpen sowie dem zwischen Namur und Lüttich an der Maas gelegenen Tihange festzuhalten, wie es eigentlich seit 2003 gesetzlich vorgesehen ist. Insbesondere die französischsprachigen Liberalen hatten jedoch schon seit längerem offen für eine weitere Nutzung der Kernenergie geworben.

Mit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine entbrannte eine heftige Diskussion um die Verlängerung zumindest der beiden „jüngsten“, 1985 in Betrieb genommenen Reaktoren Doel 4 und Tihange 3 (mit einer Leistung von jeweils über 1000 Megawatt). Auch die Grünen, nicht zuletzt die aus ihren Reihen kommende Energieministerin Tinne Van der Straeten, gaben unter dem Eindruck der stark steigenden Energiepreise und drohender Versorgungsengpässe den Widerstand gegen eine Laufzeitverlängerung auf und stimmten im März 2022 Verhandlungen mit Engie zu.

Im vergangenen Juli erzielte die Regierung eine Grundsatzeinigung mit Engie über eine Verlängerung der Laufzeit um zehn Jahre (siehe https://belgieninfo.net/belgischer-staat-wird-miteigentuemer-von-zwei-kernreaktoren-in-belgien/). Das Betreiberunternehmen befand sich dabei in einer Position der Stärke, da die Regierung angesichts der Energiekrise unter Zugzwang stand. In den vergangenen Monaten wurden dann die Einzelheiten verhandelt, über die jetzt ein Kompromiss erzielt wurde.

De Croo wirkte bei der Bekanntgabe der Beschlüsse am Abend sichtlich erleichtert. „Morgen können die Arbeiten für die Laufzeitverlängerung der jüngsten Zentralen beginnen“, sagte der liberale Politiker. In den kommenden „zwei bis drei“ Wintern erwartet er in Belgien keine Versorgungsengpässe. De Croo erinnerte zudem daran, dass Belgien derzeit den Nachbarn Deutschland (durch Gaslieferungen) und Frankreich (durch Stromexporte) bei der Energieversorgung behilflich sei.

De Croo wies auch darauf hin, dass die belgischen Pläne noch durch die Wettbewerbshüter der Europäischen Kommission geprüft und gebilligt werden müssten. Dies erscheint allerdings in diesen Zeiten der Energiekrise nicht als unüberwindliche Hürde.

Pressemitteilungen (französisch und niederländisch)

https://news.belgium.be/fr/engie-et-le-gouvernement-federal-belge-encadrent-la-prolongation-des-reacteurs-de-doel-4-et-tihange

https://news.belgium.be/nl/engie-en-de-belgische-federale-regering-leggen-het-kader-vast-voor-de-verlenging-van-de

 

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