Von Michael Stabenow
Ach Europa! Nun sollen uns künftig jene Farbtupfer am Wegesrand fehlen, die uns auch in grauen Wintertagen den belgischen Alltag bunter erscheinen lassen. Wie konnte es nur dazu kommen? Möglich machen soll es die jetzt im Grundsatz angenommene neue EU-Verpackungsordnung. Im Jahr 2030, so das übergeordnete Ziel, sollen fast alle Verpackungen wiederverwertet werden. Im Klartext bedeutet dies, dass nun auch Belgien zügig eine Pfandregelung für Plastikflaschen und Blechdosen einführen muss.
Vereinbart wurde die Neufassung der EU-Verordnung im sogenannten Trilog-Verfahren zwischen Vertretern des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und der EU-Mitgliedstaaten, geleitet von der amtierenden EU-Ratspräsidentschaft. Und wer hat diese derzeit inne? Belgien! Ausgerechnet das Land, in dem die Regionen Flandern, Wallonien und Brüssel zwar allesamt bis 2025 jene derzeit vor allem auf Glasflaschen beschränkte Pfandregelung ausweiten wollen, in dem aber, wie so oft, die Meinungen darüber auseinandergehen, wie dies am besten zu bewerkstelligen ist.
Soll es eine Regelung nach deutschem Muster geben, bei der bei jedem Kauf von Getränken in Kunststoff- und Blechumhüllungen ein Obolus zu entrichten ist, der bei der Rückgabe wieder ins eigene Portemonnaie fließen soll? Oder soll es, wie in Flandern angestrebt, auch möglich sein, die Verpackungen in die für Recyclingprodukte üblichen blauen (Plastik-)Säcke zu werfen und durch Scannen des Barcodes sicherzustellen, dass am Ende auch wieder ein paar Cent – oder, je nach Konsum – auch mehr in der Haushaltskasse klingeln?
Ausgerechnet Belgien als EU-Ratspräsidentschaft bringt die Regionen des Landes nun in Zugzwang. Haben die belgischen Vertreter im Trilog-Verfahren vielleicht vergessen, dass es für viele Zeitgenossen zwischen Ostende und Arlon offenbar kaum ein größeres Vergnügen gibt, als nach dem Genuss von Bier, Cola oder Saft die Verpackungen scheinbar achtlos aus dem Auto oder beim Zwischenstopp mit dem Fahrrad oder beim Spaziergang einfach in die Landschaft zu pfeffern. Ach Europa, ach Belgien!
Ja, man könnte Dosen und Plastikflaschen auch in einem öffentlichen Abfallbehälter am Wegesrand entsorgen, wenn man den eigenen Geldbeutel schonen und den Müll nicht zuhause in die dafür käuflich zu erwerbenden Recyclingsäcke oder –behälter werfen möchte. Etwas muss man den Dosen- und Flaschenwegschmeißern allerdings bescheinigen: Sie sorgen dafür, dass es sehr bunt am belgischen Wegesrand zugeht – ob grün, gelb, orange, rot, blau oder auch mehrfarbig. Schon aus der Ferne können wir inzwischen meist rasch ausmachen, welches Gebräu die längst geleerten Dosen im Gras oder auf dem Acker einst enthielten.
Und das soll nun alles mit der kommenden Pfandregelung auch in Belgien der Vergangenheit angehören? Tröstlich ist immerhin, dass, sobald es Frühling wird, die Pflanzenwelt ihren Beitrag zur Farbenpracht in der Natur leistet. Und ganz vorbei muss der Lieblingssport mancher Auto- und Radfahrer sowie Wanderer nicht unbedingt sein. Das Vergnügen muss man sich künftig jedoch ein wenig kosten lassen. So ist in Flandern ein Pfand von 20 bis 25 Cent je Verpackung im Gespräch. Aber war es nicht schon immer ein bisschen teurer, einen besonderen Geschmack zu haben?
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