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„ToTaalplan“ soll Niederländisch in Brüssel schmackhaft machen

Cieltje Van Achter © N-VA Brussel

Von Michael Stabenow

Die Hauptstadtregion Brüssel mit ihren derzeit rund 1,25 Millionen Einwohner ist offiziell zweisprachig. Niederländisch, neben dem im Alltag dominierenden Französisch die zweite Amtssprache, fristet allerdings ein ziemliches Schattendasein. Kein Wunder, dass die flämische Regionalregierung dies in Brüssel, das offiziell als „Hauptstadt Flanderns“ fungiert, ändern möchte. Ob das von ihr 2024 unter der nur für Kenner der Sprache Vondels als Wortspiel zu begreifenden Bezeichnung „ToTaalplaan Nederlands“ auf 42 Seiten vorgelegte Programm von Erfolg gekrönt sein wird, muss sich noch erweisen.

Cieltje Van Achter, in der flämischen Regionalregierung für Brüsseler Angelegenheiten zuständig, zeigt sich zuversichtlich. Die der Neu-Flämischen Allianz (N-VA) angehörende Politikerin hat jetzt die Pläne konkretisiert. Der „ToTaalplan – „Total“ soll für umfassend, „Taal“ für Sprache stehen – soll zum Ausdruck bringen, wie es in einem Kommuniqué der Ministerin heißt, dass „Flandern das Niederländische als absolute politische Priorität in seiner Hauptstadt in den Vordergrund rückt.“

Geplant ist eine bessere Koordinierung zwischen den für die Förderung und Achtung der Stellung der niederländischen Sprache in Brüssel zuständigen Einrichtungen. Das besondere Augenmerk liegt auf der Beherrschung der Sprache in den flämischen Schulen, die oft von „Anderssprachigen“ („Anderestaligen“) – so die Bezeichnung derer, die nicht von Hause aus Niederländisch sprechen – und „Allochthonen“ („Allochtonen“) – wer nicht einheimischer Herkunft ist – besucht werden. Mehr Nachdruck will Van Achter auch darauf legen, dass in den Verwaltungen der Region, aber auch der 19 Brüsseler Gemeinden sowie bei der Polizei und in öffentlichen Einrichtungen wie Krankenhäusern oder auch in Pflegeheimen Niederländisch nicht zu kurz kommt.

Schmackhaft machen will die „autochthone“ Ministerin ihre Sprache nicht nur den „autochthonen“ und „anderssprachigen“ Schülerinnen und Schülern, sondern auch deren Eltern. „Niederländisch bietet Brüsselern die Chancen zu sozialem und wirtschaftlichen Aufstieg, nicht zuletzt dank der besseren Aussichten auf einen Job derjenigen, die die Sprache beherrschen“, erläutert Van Achter.

So weit die Theorie. In der Praxis hat sich das zahlenmäßige Verhältnis zwischen den Sprachen dramatisch verändert, wie auch im „Totaalplan“-Dokument nachzulesen ist. Mitte des 19. Jahrhundert war in Brüssel Niederländisch weitgehend unangefochten die am meisten verwendete Sprache. Eine Sprachenzählung hatte damals ergeben, das zwei Drittel der Bewohner niederländisch- und ein Drittel einsprachig waren.

Die Entwicklung verlief anschließend zugunsten der französischen Sprache. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts nimmt sie eine vorherrschende Stellung in der Hauptstadt ein. Das jüngste „Taalbarometer“ – eine regelmäßige Studie zur Sprachkenntnis in Brüssel – ergab, dass inzwischen 104 Sprachen in der Stadt Verbreitung finden. 2001 waren es „nur“ 72. Zuletzt gaben 81 Prozent der Befragten an, Französisch zu beherrschen. Dahinter folgten Englisch (47 Prozent), Niederländisch (22 Prozent), Spanisch (15 Prozent) sowie Arabisch. Kennzeichnend für die Entwicklung Brüssel zu einem Babylonischen Sprachengewirrs ist die Aussage von 11 Prozent der Befragten, weder Französisch, Niederländisch noch Englisch zu beherrschen.

Geschätzt wird, das derzeit noch 15 Prozent der Bewohner Brüssels Niederländisch als Muttersprache haben. Im Brüsseler Regionalparlament entfallen von den 89 Sitzen 72 auf  Abgeordnete, die sich auf französischsprachigen Listen zur Wahl gestellt haben. Der Anteil der 17 über niederländischsprachigen Listen gewählten Parlamentarier beläuft sich auf knapp ein Fünftel aller Mandate. In der Brüsseler Regionalregierung sind beide Sprachengruppen paritätisch vertreten. 

Wie schwierig das Unterfangen zur Förderung der niederländischen Sprache ist, zeigt eine andere im „ToTaalplan“ angeführte Statistik. Demnach entfallen auf französischsprachige Schulen 78 Prozent und auf niederländischsprachige 22 Prozent der Schulbevölkerung. Andererseits entstammten zuletzt drei Viertel der Schülerinnen und Schüler an flämischen Grundschulen in Brüssel nicht-niederländischsprachigen Haushalten. Das mag ein Zeichen für die Anziehungskraft dieser Schulen sein, kann aber durchaus die Unterrichtsbedingungen erschweren. Ob jedoch Aufforderungen an „Anderssprachige“, sich auch in den eigenen vier Wänden des Niederländischen zu befleißigen, ein geeignetes Mittel sind, sei dahingestellt.

Im „ToTaalplan“ wählt die flämische Regierung nicht immer die einer Charmeoffensive zugunsten des Niederländischen angemessene Sprache. Einerseits heißt es zwar, Niederländisch sei „eine Sprache, die Türen in Richtung einer besseren Zukunft öffnet“. Andererseits wählt sie aber Töne, die von vielen Französischsprachigen nicht gerade als versöhnlich empfunden werden sollten: „Die gesetzliche Zweisprachigkeit in der Hauptstadt Flanderns wird schon jahrzehntelang mit Füßen getreten.“ Wer solche Sätze liest, dürfte einen Eindruck davon bekommen, warum auch ein Jahr nach der Parlamentswahl bei den Bemühungen um eine neue Brüsseler Regionalregierung tiefe Gräben zwischen manchen Parteien beiderseits der Sprachgrenze klaffen.

ToTaalplan“-Ministerin Van Achter sieht auch die Niederländischsprachigen in der Pflicht, die Verbreitung der Sprache Vondels in Brüssel zu unterstützen. Dem flämischen Medium “BRUZZ”  erzählte die Ministerin: „Ich bekomme oft die Frage von Anderssprachigen, die Unterricht nehmen, aber die dann sagen: Ich kann das Niederländische nicht verwenden.“ Warum nicht? „Wir sind manchmal zu ungeduldig als Flamen in Brüssel. Wir schalten viel zu schnell auf Französisch oder Englisch um“, sagte Van Achter.

 

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