
Von Heide Newson
Live-Musik, Charleston, Twist, Rock, DJs, Tanz, viel belgischer Humor und jede Menge gute Laune sorgen am Vorabend des belgischen Nationalfeiertags an der „Place du Jeu de Balle“ für eine mitreißende und ausgelassene Stimmung . Mehr als 15.000 Menschen, überwiegend Belgier, nehmen am Sonntagabend am traditionellen „Bal National“ teil, mit dem Belgiens Nationalfeiertag am 21. Juli traditionsmäßig in der Brüsseler Innenstadt eingeläutet wird.
Auf dem Weg zur „Place du Jeu de Balle“ werde ich von belgischen Flaggen an öffentlichen Gebäuden, Geschäften und Privathäusern begleitet. Sie sind gehisst, um den belgischen Nationalstolz zu zeigen. Patriotismus, Belgiens gemeinsame Identität und das Kulturerbe des Landes stehen dann im Herzen des Marollenviertels im Vordergrund, wozu in der belgischen Kulinarik vor allem „Moules frites“ und die vielen unterschiedlichen Biersorten gehören, die rund um das gigantische Volksfest serviert und bei angenehmen Temperaturen genüsslich verzehrt werden.
Der “Bal National“ ist bekannt für seine ausgelassene und ungezwungene Atmosphäre – ein Fest für alle Altersgruppen aller Bevölkerungsschichten, bei dem jeder zu einer spektakulären Show mit Tanzen, Singen und Mitmachen eingeladen ist. Auch wenn man kein „Superstar“ im Tanzen ist, werden einfache Tanzschritte vorgemacht und zum Mitmachen animiert. Und schon schwingen die Belgier bei einer großen Auswahl der phantastischen Live-Acts das Tanzbein. Auftritte unter anderem von „Let`s Dance Ketjes”, Lou B, ein blinder und zugleich autistischer Musiker, Dots, Daddy K. heizen die Mega-Stimmung an, die bis lange nach Mitternacht noch „in full swing“ ist. Der „Bal National“ im Marollenviertel ist am Vorabend des Nationalfeiertags wirklich „the place to be“. Es ist ein gigantisches Volksfest mit schrägen Typen, phantasievollen Kostümen, Perücken in den belgischen Landesfarben, Musik, die von Pop, Rock und elektronischen Sounds bis zu belgischen Ohrwürmern reichte. Der “Bal National” bietet eine authentische Möglichkeit, sich von den Gemeinsamkeiten und den Zusammenhalt innerhalb Belgiens ein Bild zu machen.
„WE ARE BELGIANS“
Der Ruf „We are Belgians“, von der Bühne lautstark in die Menschenmenge skandiert, wird nicht nur mit frenetischem Applaus bedacht, sondern auch vom begeisterten Publikum kaskadenhaft wiederholt. Zwischen „Rock and Pop“ lobt der „DJ“ die seiner Meinung nach auf den Punkt gebrachte und überzeugende Ansprache von König Philippe zum Nationalfeiertag, die zuvor über Fernsehkanäle und Newsportale ausgestrahlt worden ist. „Applaus für unsere Königsfamilie, die einen tollen Job macht“. ruft er in die Menge und braucht nicht lange auf tosenden Beifall zu warten.
KÖNIG PHILIPPES ANSPRACHE ZUR NATION
In seiner vielbeachteten Rede zum 21. Juli hat König Philippe zum Konflikt im Nahen Osten Stellung genommen. Er verurteilt dabei „die schweren humanitären Missbräuche im Gazastreifen” und bezeichnet sie als “Schande für die ganze Menschheit”. Das Staatsoberhaupt mahnt seine Landsleute auch dazu, die nationalen Probleme der Belgier nicht aus den Augen zu verlieren. Eindringlich fordert er dazu auf, endlich eine Regierung für die Region Brüssel-Hauptstadt zu bilden – mehr als ein Jahr nach den Wahlen vom Juni 2024. Die gesamte Rede von König Philippe zum Nationalfeiertag kann hier heruntergeladen werden.
Am Montag folgen die offiziellen Feierlichkeiten zum belgischen Nationalfeiertag. Traditionsgemäß beginnen sie rund um die Kathedrale St. Michael und St. Gudula, wo die belgischen „Royals“ sowie zahlreiche Politiker an der „Te Deum“-Messe teilnehmen. Schon in den frühen Morgenstunden haben sich unzählige Schaulustige, darunter Natan mit seinem Kumpel Didier, mit Regenzeug für die eventuelle „Drache nationale“ – den eigentlich zum Nationalfeiertag dazugehörenden Guss von oben – auf den Weg gemacht, um vor der Kathedrale einen guten Platz für Fotos von den „Royals“ zu ergattern. „Ich wohne zwar in Laeken, habe aber bislang noch keinen von der königlichen Familie zu Gesicht bekommen,“ sagt Natan. Auch in den Vorjahren nicht, als er vor dem Königspalast Position bezogen habe. Außer der Militärparade habe er nicht viel gesehen. Aber jetzt habe er eine Chance. „Ja ich mag König Philippe, eigentlich die gesamte Königsfamilie“, sagt Natan. Die Familie könne sich doch weltweit sehen lassen, und sie mache einen guten Job für gesamt Belgien. Obwohl er morgen wieder arbeiten müsse und als Gärtner gerade in dieser Jahreszeit stark gefordert sei, so Natan, werde er bis zum Ende des Nationalfeiertags im Jubelpark mit seinen Kumpeln zünftig mitfeiern.
Und Natan wird nicht enttäuscht. Kurz vor 10 Uhr läuten die Glocken, die vielen Würdenträger befinden sich bereits in der Kathedrale. Die lange Pferdekolonne hält Einzug vor dem Gotteshaus, in dem Mathilde und Philippe im Jahr 1999 den Bund der Ehe geschlossen hatten. Ein Mercedes mit der königlichen Standarte fährt vor, König Philippe und Königin Mathilde steigen aus,und schreiten die Stufen zur Kathedrale hinauf. Und wie im Vorjahr ist Königin Mathilde in ihrer eleganten Robe, diesmal in einem roten Spitzenkleid, mal wieder der absolute Hingucker. Natan ist im fotografischen Einsatz, drückt ununterbrochen auf den Auslöser seines Fotoapparats – und scheint zufrieden mit dem Ergebnis. Nach dem Königspaar folgen ihre Kinder: Kronprinzessin Elisabeth, ganz in Grün, ihr Bruder Emmanuel und die Geschwister Elenore, ebenso in Grün, sowie Gabriel. Nach der Messe nehmen die Mitglieder der Königsfamilie ein Bad in der Menge. Sie wenden sich mit netten Worten an die unendlich vielen Schaulustigen, plaudern mit ihnen und posieren für Selfies. „On vous aime, Votre Majesté,“ oder “Nous aussi“, rufen den König viele Zaungäste entgegen. Viele drücken ihm und seinen Kindern die Hände und wünschen ihm nur das Allerbeste. Trotz des kurzen – wenngleich heftigen – Schauers setzen die „Royals“ ihr ausgiebiges Bad in die Menge fort.
Um 16 Uhr beginnt auf der „Place des Palais“ die zivile und militärische Parade. Viele Menschen aus allen Teilen Belgiens strömen dorthin, um an diesem Spektakel teilzunehmen. Rund 1.000 Soldaten, zahlreiche Vertreter von Polizei, Feuerwehr und anderen Einsatzkräfte paradieren am Königspaar vorbei. Viele Veteranen sind beim Defilee dabei, das im Zeichen des Gedenkens des Zweiten Weltkrieges und der Integration von Frauen in die belgische Armee vor 50 Jahren steht. Und am belgischen Himmel bestaunen viele Zuschauer, unter ihnen der langjährige ehemalige Antwerpener Bürgermeister Bart De Wever, in diesem Jahr erstmals in der Rolle als Premierminister Belgiens, die Flugkünste der belgischen Luftstreitkräfte und deren Kampfflugzeuge. In einigen Einheiten marschieren Soldaten, die in Einsatzgebieten aktiv sind, vermummt – eine Anordnung aus Sicherheitsgründen von Verteidigungsminister Theo Francken .
Dabei findet in Brüssel den ganzen Tag ein wahres Volksfest statt. Im Königlichen Park gibt es ein tolles Programm mit Animationen, Shows für Kinder, folkloristische Paraden, Konzerte, viel Blasmusik und Sportdarbietungen. Parks und Plätze haben sich in lebendige Festzentren verwandelt. Und an den vielen Ständen, die sich bis zum Justizpalast hinziehen, kommt das leibliche Wohl alles andere als zu kurz.
Der krönende Abschluss des Tages ist für viele der Schaulustigen das spektakuläre Feuerwerk, das vom Jubelpark aus den Himmel über Brüssel erleuchtet sowie ein weiteres Megakonzert, bei dem sich die Königsfamilie ebenso sehen lässt. Und auch wenn es am Nationalfeiertag so manchmal zwischendurch geregnet hat und die „Drache nationale“ dann doch nicht ausgeblieben ist, lassen sich die Belgierinnen und Belgier ihre Feierlaune nicht verderben. Wie gewöhnlich nehmen sie alles mit ihrem unschlagbaren Humor und ihrem großen „Spaß an der Freude“ ihres mal wieder gelungenen Nationalfeiertags, der zur Erleichterung aller im Großen und Ganzen wie geplant, friedlich und ohne große Vorkommnisse abgelaufen ist.
Fotogalerie
Fotos: Jürgen Klute, Heide Newson
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