Aktuell, Belgischer Alltag

Niederländisch lernen? Auf zu Notaren und Immobilienmaklern!

            

Von Michael Stabenow

Schon mal etwas von „allochtoon“ (allochthon) und „anderstalig“ (anderssprachig) gehört? Vielleicht, wenn Sie in Flandern wohnen und nicht in Belgien geboren sind. „Anderstalig“ bedeutet, die Muttersprache ist eine andere als das Niederländische der „autotochtonen“ Einheimischen. Aber gibt es nicht in Flandern auch eine Menge Allochthone mit niederländischem Pass, deren Muttersprache ebenfalls das Niederländische ist?

Ganz schön verwirrend also. Glauben wir der anders-, das heißt deutschsprachigen Version von Wikipedia, dann wird die Bezeichnung „allochthon“ in den Niederlanden und „in der gleichen Art und Weise auch in dem flämischen oder niederländischsprachigen Teil Belgiens verwendet“. Demnach gilt eine Person als „allochthon“, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil im Ausland geboren ist.

So weit, so gut – und recht apart, auch wenn wir nicht gleich an Apartheid denken wollen. Immerhin wissen wir jetzt, warum wir – anders als die Einheimischen – als “anderstalig“, wenn auch nicht unbedingt im Sinne der oben genannten Definition als „allochthon“ gelten. Tatsächlich bezieht sich letztere Charakterisierung in der Praxis weniger auf Bürgerinnen und Bürger aus den Nachbarstaaten, sondern auf Menschen „mit Migrationshintergrund“ – was nicht unbedingt mehr Klarheit schafft.

Aber täuschen Sie nicht oder „make no mistake“, wie es derzeit gerne in einer anderen indogermanischen Sprache formuliert wird: Niemand sollte daran zweifeln, dass es von Vorteil ist, sich als „Allochthoner“ und „Anderstaliger“ in Flandern auf Niederländisch, und sei es noch so bruchstückhaft, zu verständigen. Sicherlich ist dies vorteilhafter, als Versuche, sich mit Händen und Füßen oder gar, was mancherorts in Flandern noch verpönter zu sein scheint, auf Französisch Gehör zu verschaffen.

Wie gut ist es daher, dass fürsorgliche Geister in Flandern dieser Tage keine Kosten und Mühen scheuen, den „Andererstaligen“ eine „andere taal“ – das Niederländische – schmackhaft zu machen. Diesem Zweck soll eine recht originelle Kampagne dienen. Ziel ist es, „Anderstalige“ – nicht nur Ausländer, sondern auch französisch- (und vielleicht auch deutsch-) sprachige Belgier – dafür zu erwärmen, Niederländisch zu erlernen. Dahinter stehen die Provinz Flämisch-Brabant, die für Eingliederung und Einbürgerung zuständige „Agentschap Integratie en Inburgering“ sowie die gemeinnützige, rund um Brüssel tätige Vereinigung „de rand“.

Erprobt wird die Strategie zunächst in vier im Brüsseler Umland gelegenen flämischen „Pilotgemeinden“: In Sint-Pieters Leeuw, Dilbeek, Grimbergen und Overijse sollen demnach insgesamt jeweils 2000 Informationsbroschüren in vier Sprachen an den Mann oder die Frau gebracht werden. Durch wen? Durch Notare und Immobilienmakler (https://www.ringtv.be/vlaamse-rand-samenleving/notarissen-en-immokantoren-moeten-anderstaligen-mee-overtuigen-van-het). Not macht offenbar auch in diesem Fall erfinderisch. Also auf zum Hauskauf oder zur Wohnungsmiete und vor allem: „Veel succes met het Nederlands!“.

 

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