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“La Rentrée”: Auftakt des Deutschen Bankenverbandes im “Courtyard”

Brüsseler EU-Arbeit wieder aufgenommen

Von Thomas A. Friedrich 

Pünktlich mit der Rückkehr  des Trosses des  Europäischen Parlaments (EP) in das Quartier Luxembourg  lebt auch die Stakeholder-Szene in der EU-Hauptstadt wieder auf.

Bei den EU-Institutionen waren Ende 2024 über 13.000 Lobbyorganisationen und Interessenvertretungen im Transparenzregister bei der EU-Kommission eingetragen. Schätzungen zufolge wird die tatsächliche Zahl der hauptberuflichen Lobbyisten in Brüssel allerdings mit 15.000 bis 20.000 beziffert. Zu den Interessenvertretungen zählen vor allem Organisationen von Wirtschaftsverbänden, Unternehmen, Consultingformen sowie Nichtregierungsorganisationen (NGOs).

Auch EU-Volksvertreter lassen sich von Consultings coachen

Die mannigfaltige  Beratungsszene – oft angesiedelt rund um die Place du Luxembourg – hilft nicht nur im Vorfeld europäischer Gesetzgebung dabei, die Expertise und fundamentalen Interessen von Industrie, Wirtschaft und gesellschaftlich relevanten Gruppen in den EU-Institutionen einzuspeisen.

Auch Europaabgeordnete machen sich die profunden Kenntnisse vom Heer der Consultants – zusammengesetzt meist aus Anwälten und häufig auch ehemaligen Journalisten, auch früheren EU-Korrespondenten – für ihre eigene „Performance“ in der Öffentlichkeit zunutze. Ob Auftritte in den sozialen Medien, Kontaktanbahnung mit Medienvertretern oder die Formulierung von Pressemitteilungen und Anfragen im Parlament: Bezahlte Beratung ist auch für Volksvertreter kein Tabu mehr.

Hoffest Arts 56 unter offenem Himmel

“La Rentrée” im Parlamentsviertel nach der Sommerpause startet seit einigen Jahren traditionell unter der Adresse „Arts 56“ unweit des Parlaments. Das achtgeschossige Gebäude lädt beim Durchqueren des imposanten Foyers zum Entdecken des als „Courtyard“ apostrophierten großzügigen, als Gartenlandschaft gestalteten Innenhofs ein. Als Gastgeber des Abends fungierte am 1. September der Bundesverband deutscher Banken (BdB).

Der gesamte Vorstand war zu diesem Auftaktereignis aus Berlin und Frankfurt angereist. Neben dem Hauptgeschäftsführer Heiner Herkenhoff aus Berlin die Vorstandsvorsitzende der Commerzbank, Bettina Orlopp, und die Geschäftsbereichsleiterin Miye Kohlhase aus Frankfurt. Als Wanderer zwischen den Welten pendelt Vorstandsmitglied Kolja Gabriel seit zwei Jahren als Leiter des Geschäftsbereichs Politik und Innovation unablässig zwischen Berlin und Brüssel. Seine Nachfolge als langjähriger Leiter des Brüsseler Büros bekleidet seit Oktober 2023 Ute Schmaltz.

FDP-Europaabgeordnete Nicola Beer zur EIB-Vizepräsidentin aufgestiegen

Die zahlreich erschienenen Gäste aus dem Bankenmilieu, Aufsichtsgremien, der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie aus den EU-Institutionen waren gespannt auf das Wiedersehen mit der langjährigen FDP-Vizepräsidentin des Europpäischen Parlaments Nicola Beer.

Sie hat ihren Parlamentssitz in Brüssel und Straßburg mit einem Posten in der Chefetage der Europäischen Investitionsbank (EIB) in Luxemburg getauscht. Beer ist seit dem 1. Januar 2024 Vizepräsidentin der Europäischen Investitionsbank (EIB). Ihre Ernennung erfolgte im Dezember 2023 durch die EU-Mitgliedstaaten auf Vorschlag der Bundesregierung.  Sie folgte auf den FDP-Mann Werner Hoyer, der von 2012 bis 2023 an der Spitze der EU-Bank in Luxemburg gestanden hatte. Als gelernte Bankkauffrau und Anwältin rückte Beer als eine von acht Vizepräsidenten und als deutsche Vertreterin in die Führungsetage der EIB  auf.

Treffen auf ehemalige Europaabgeordnete-Kolleginnen

Als Mitglied des Europaparlaments arbeitete Beer vorrangig in den Ausschüssen für Wirtschaft und Währung, für Auswärtige Angelegenheiten sowie für Industrie und Forschung. Sie war unter anderem  Berichterstatterin für das Gesetz über Kritische Rohstoffe. Kein Wunder, dass sie als Keynote-Speakerin des BdB-Abends in Brüssel auf zahlreiche Europaabgeordnete traf – allen voran den Experten für Finanzdienstleistungen und Bankenunion Markus Ferber (CSU), die Ko-Vorsitzende der CDU/CSU-Abgeordneten Angelika Niebler (CSU) sowie den Grünen-Parlamentarier Rasmus Andresen, ebenfalls Mitglied im EP-Ausschuss für Wirtschaft und Währung. Auch die perfekt deutschsprachige lettische Europaabgeordnete Inese Vaidere (EVP) ließ es sich nicht nehmen, vom nahegelegenen Olymp des Parlaments zur Avenue des Arts zu kommen. 

EIB-Vizepräsidentin Beer verbreitet Optimismus und beschwört Europas Stärken

Nachdem die Vorstandsvorsitzende der Commerzbank, Bettina Orlopp, die Herausforderungen für den europäischen Finanzmarkt skizziert hatte, wartete EIB-Vizepräsidentin Beer mit Optimismus und positiven Botschaften für die Banken- und Finanzdienstleistungsbranche auf:

Gleich zu Beginn ihrer auf Fnglisch vorgetragenen Rede rief Beer dazu auf, sich auf die europäischen Stärken zu besinnen. Wörtlich sagte sie: “Europa steht vor großen Herausforderungen: geopolitische Veränderungen, Klimawandel, disruptive Technologien und der dringende Bedarf an Sicherheit und Verteidigung. Doch diese Herausforderungen bringen auch Chancen mit sich – und ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam mit unseren vertrauenswürdigen Bankpartnern ein stärkeres und widerstandsfähigeres Europa aufbauen können.“

Beer fächerte das umfangreiche Wirken der EU-Bank für die Behauptung Europas als “global player” auf. Die European Investment Bank (EIB) Gruppe arbeite Hand in Hand mit deutschen Banken, um Finanzierungen für Innovationen, erneuerbare Energien, Unternehmensinvestitionen sowie Sicherheit und Verteidigung zu erschließen. Ein besonderes Augenmerk richte die EIB darauf, privates Kapital zu mobilisieren und Unternehmer in jeder Phase von innovationsträchtigen Investitionen zu unterstützen.

European Tech Champions Initiative als Flagship-Projekt angestoßen

Wir setzen uns”, so Beer, “für einen Kapitalmarkt ein, der größer, schneller und einfacher ist und Wachstum und strategische Autonomie fördert.“ Initiativen wie die European Tech Champions Initiative und TechEU seien darauf angelegt, vielversprechende Start-ups gezielt zu fördern. Denn sie leisteten Pionierarbeit bei digitalen Anleihen und trieben nachhaltige Investitionen voran.

Durch die Zusammenarbeit im gesamten Finanzsektor machen wir Europa zum attraktivsten Standort für globales Kapital, Talente und Ideen. Lassen Sie uns weiterhin Partnerschaften aufbauen und gemeinsam die Zukunft gestalten“, erläuterte die EIB-Vizepräsidebtin. Sie richtete einen Appell an die Bankenvertreter, den Standort Europa in einer sich rasant verändernden wirtschaftlichen Weltlage zukunftssicher und wettbewerbsfähig zu halten.

Den offiziellen Redebeiträgen folgte Networking im außergewöhnlichen Ambiente dieses einzigartigen Patio im EU-Parlamentsviertel bei alkoholfreien Cocktails unter freiem Himmel mit DJ performance. Raffiniertes Catering-Angebot sowie erlesene Weine, Bier vom Fass sowie Gin-Getränke an der Indoor Bar ließen die Gäste bis in den späten Abend verweilen –  bis schließlich kurz vor Mitternacht ein kräftiger Regenschauer zum Aufbruch mahnte.

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