Belgien, Europa, Politik

Kontrollen jetzt auch in Belgien

Border France-Belgium at Bettignies, France

Von Reinhard Boest

Jetzt also auch in Belgien, bisher Musterschüler der europäischen Integration: die schleichende Aushöhlung des Schengen-Abkommens geht weiter. Eine Woche nach dem 40. Jubiläum dieses Herzstücks der europäischen Integration führt nach Österreich, Frankreich, Italien, Deutschland und den Niederlanden auch Belgien Kontrollen ein, um die Migration von Asylsuchenden zwischen den Mitgliedstaaten besser zu überwachen. Insbesondere soll verhindert werden, dass jemand nach Belgien kommt, der schon in einem anderen Staat Schutz gefunden hat oder in einem laufenden Verfahren ist.

Allerdings soll die belgische Vorgehensweise nicht so eklatant dem Wortlaut des Schengener Grenzkodex widersprechen, wie das etwa bei der jüngsten Praxis in Deutschland der Fall ist. Deshalb finden die Kontrollen eben nicht direkt an der Grenze statt, sondern bei der Ankunft von Zügen oder Bussen im Inland. Diese „Ankunftskontrollen“ haben auch den Vorteil, dass sie der EU-Kommission nicht formell notifiziert werden müssen – denn es handelt sich ja nicht um „Grenzkontrollen“.

Da etwa Busse auf der Linie zwischen dem nordfranzösischen Dünkirchen und dem grenznahnen belgischen De Panne, Züge aus Frankreich am Brüsseler Südbahnhof oder Flüge aus Griechenland und Italien kontrolliert werden, ist natürlich trotzdem der damit verbundene Grenzübertritt der Anlass für die Kontrollen. Aber immerhin vermeidet man Bilder langer Staus an den Grenzübergängen, wie man sie vor allem an den deutschen Grenzen jetzt regelmäßig sieht, auch an symbolischen Stellen wie der Europabrücke zwischen Kehl und Straßburg.

Aber da jetzt so viele Nachbarstaaten aktiv geworden sind, wollte die Arizona-Koalition wohl nicht zurückstehen. Die für Asyl und Migration zuständige Ministerin Anneleen Van Bossuyt von den flämischen Nationalisten (N-VA) sieht in der Maßnahme die „Fortsetzung der härtesten Migrationspolitik, die Belgien je gesehen hat“, wie sie zusammen mit Innenminister Bernard Quintin von den frankophonen Liberalen (MR) im flämischen Fernsehsender VTM unterstrich. Laut Quintin dient die Verschärfung der Kontrollen im Binnenland auch allgemein der Kriminalitätsbekämpfung. Jedenfalls dürfe Belgien nicht der Magnet für woanders abgelehnte Asylbewerber werden.

Ob die Kontrollen die behaupteten Erfolge zeitigen werden, bleibt abzuwarten. Die Erfahrungen, die zuletzt Deutschland und die Niederlande gesammelt haben, lassen daran eher zweifeln. Vor allem das Verhältnis zwischen dem notwendigen zusätzlichen Personalaufwand und der Zahl der aufgegriffenen Personen ist offenbar fragwürdig. Das hat für die Niederlande der dortige Rechnungshof gerade festgestellt, und kritische Stimmen gibt es ebenfalls aus den Polizeigewerkschaften, auch in Belgien.

Für die Politik in den betreffenden Ländern geht es offenbar vor allem darum, nationale Handlungsfähigkeit zu zeigen. Dabei sollte eigentlich allen klar sein, dass man einer Lösung des Problems nicht durch immer mehr Abschottung, sondern nur durch Zusammenarbeit näher kommen kann.

Dass derzeit nicht nur der „Geist von Schengen“, sondern zunehmend auch andere bisher als „Leuchttürme“ europäischer Politik gepriesene Projekte auf die schiefe Bahn geraten, scheint immer weniger zu stören – offenkundig auch nicht die belgische Arizona-Regierung.

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