Von Michael Stabenow
Am Freitag kommender Woche werden 200 Tage seit den belgischen Parlamentswahlen am 9. Juni vergangen sein. Der 2011 aufgestellte Landesrekord von 541 Tagen für die Regierungsbildung dürfte zwar wohl weiter Bestand haben. Aber eine neue handlungsfähige Regierung, das steht jetzt fest, wird es erst irgendwann im neuen Jahr geben können.
König Philippe verlängerte nun ein weiteres Mal den Auftrag zur Regierungsbildung für den erstmals im Sommer damit betrauten N-VA-Parteichef und Antwerpener Bürgermeister Bart De Wever. Am 7. Januar kommt es zum nächsten Treffen im Brüsseler Schloss. In einer Stellungnahme des Staatsoberhaupts hieß es anschließend: „Der König hofft auf einen entscheidenden Durchbruch Anfang 2025.“
Immerhin soll De Wever dem Staatsoberhaupt von Fortschritten bei den Verhandlungen mit den Koalitionspartnern in spe, den flämischen Christlichen Demokraten (CD&V), den Sozialisten (Vooruit) sowie auf französischsprachiger Seite die Liberalen (MR) sowie die zentristische Partei „Les Engagés“, berichtet haben. Allem Anschein nach ist jedoch noch keines der Verhandlungskapitel geschlossen. Und beim „heißen Eisen“, der Sanierung der aus dem Ruder gelaufenen Staatsfinanzen, geht es wohl allenfalls mit Trippelschritten voran.
Nach wie vor zanken die fünf Parteichefs und ihre engsten Mitarbeiter über die Art und Weise, wie der Staatshaushalt in den kommenden Jahren um mindestens 20 Milliarden Euro entlastet werden kann. De Wever und MR-Parteichef Georges-Louis Bouchez standen zuletzt recht unversöhnlich den auf Entgegenkommen gegenüber sozial schwachen Bevölkerungsgruppen pochenden Vorsitzenden der Sozialisten, Conner Rousseau, und der Christdemokraten, Sammy Mahdi, gegenüber. In deren Lager fand sich zuletzt der stärker als die übrigen Parteichefs der geplanten „Arizona“-Koalition auf Ausgleich bedachte Les Engagés-Vorsitzende Maxime Prévot wieder.
Erwartet wird, dass auch über die Feiertage die Verhandlungen fortgeführt werden, aber weniger intensiv als zuletzt. Verschiedentlich wird angeführt, dass die äußerste Frist zur Einigung Ende März verstreichen werde. Zu diesem Zeitpunkt soll die Europäische Kommission spätestens über die belgischen Pläne zur Haushaltspolitik befinden.
Der öffentliche Schuldenberg Belgiens türmt sich inzwischen auf mehr als 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), während die öffentliche Neuverschuldung sich immer weiter von der EU-Obergrenze von drei Prozent entfernt. So warnte die belgische Nationalbank jetzt, dass die Neuverschuldung ohne Kursänderung bis 2007 auf sieben Prozent der Wirtschaftsleistung zu klettern drohe.
Nach wie vor gilt – bei allen Differenzen – „Arizona“ als die einzige realistische Option für die künftige belgische Regierung. Derzeit spricht auch vieles weiter dafür, dass das Amt des Regierungschefs auf De Wever zulaufen wird. Allerdings ist die Kritik an der als zu wenig geschmeidig empfundenen Verhandlungsführung des N-VA-Parteichefs zuletzt lauter geworden.
Außerdem hat De Wever keinen Zweifel daran gelassen, dass er nach der jüngsten Verständigung über eine Koalition seiner Partei mit den flämischen Sozialisten in Antwerpen zunächst das von ihm 2013 übernommene Amt des Bürgermeisters seiner Heimatstadt weiterführen werde. Allerdings steht mit der 35 Jahre alten, in den Niederlanden geborenen Els van Doesburg schon eine designierte Nachfolgerin bereit, falls De Wever aus dem Antwerpener Rathaus in die Regierungszentrale in der Brüsseler Rue de la Loi/Wetstraat 16 umziehen sollte.
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