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Geduldsprobe am Freitag, dem 13. an der deutschen Grenze

Erlebnisse auf dem Weg von Brüssel ins Rheinland  am Vortag des 40-jährigen Schengen-Jubiläums zur Reisefreizügigkeit 

von Thomas A. Friedrich

Freitag der 13.: 30,5 Grad zeigt das Außenthermometer in meinem Auto. Die Warnleuchte für erhöhte Motortemperatur leuchtet gelb blinkend auf. Seit 35 Minuten Stop and Go vor der niederländischen Grenze auf der A76 Richtung Deutschland. 20 km vor dem Grenzübergang bei Aachen stauen sich hunderte Lastwagen auf der rechten Spur. Ein Trucker mit türkischem Kennzeichen blockiert die linke Fahrspur.

Als ich versuche, kurz vor der letzten Raststätte auf holländischem Terrain über die rechte Standspur abzukürzen, zieht ein Brummi abrupt nach rechts und versperrt mir das unerlaubte Ausweichmanöver.

Nerven liegen bei Truckern, Urlaubsreisenden und auch Polizisten blank

Die Nerven liegen blank: nicht nur bei dem sich im Schneckentempo bewegenden 30-Tonner auf dem Weg ins Wochenende oder der Suche nach einem Parkplatz vor dem Wochenendfahrverbot für Lastwagen auf deutschen Schnellstraßen.

Deutsche Urlauber auf der Heimfahrt von den belgischen oder niederländischen Meeresstränden  – braun gebrannt oder krebsrot von den Sonnenintensität der Nordsee gezeichnet – auch viele von ihnen kochen vor Wut.

Bondsrepubliek Duitsland macht sich mit Grenzkontrollen unbeliebt

Die zur Eindämmung illegaler Migration an den deutschen Grenzen auch im Dreiländereck Belgien-Deutschland-Niederlande seit Wochen  praktizierten verschärften Grenzkontrollen just hinter dem blauen Schild „Bondsrepubliek Duitsland“ bringen Autofahrer mit gelben niederländischen, weiß-roten belgischen und schwarz auf weiß gedruckten deutschen Zulassungsschildern gleichermaßen derzeit in Rage.

Viele Wohnmobile und Wohnanhängergespanne sowie Harley Davidson-Fahrer auf Wochenendtour weichen vor der Grenze an der letzten Ausfahrt  – Nummer 7 –  Richtung Kerkrade – Vaals auf die N281 aus.

Vorbei scheinen die Zeiten zu sein, als der Verkehr am Grenzübergang flüssig ohne Rückstau problemlos verlief.  Wo sonst die Vorfreude mitschwang, endlich das zwischen 6 und 19 Uhr geltende 100 Kilometer-Tempolimit  auf den niederländischen Autobahnen hinter sich zu lassen, um  auf der deutschen Autobahn Bleifuß geben zu können, werden  viele Fahrzeuglenker an diesem Freitag, dem 13., auf eine schwere Geduldsprobe gestellt.

Ärger in umliegenden Dörfern auf Ausweichrouten an grüner Grenze

Verkehrsteilnehmer, die über niederländische Nationalstraßen ausweichen wollen, um sich über die „grüne Grenze“ zu retten, müssen sich inzwischen dem Ärger erzürnter Bürger stellen, die unter dem  Ausweichverkehr in ihren sonst ruhigen Dörfern ebenso leiden. Wer den sonst üblichen Grenzübergang  Richtung Aachen ansteuert, muss sich aktuell auf Kontrollen der Bundespolizei auf dem Parkplatz bei  der Grenze gefasst machen, die es in sich haben. Der gesamte Verkehr, LKW und PKW sowie Busse und Kleintransporte, wird auf getrennten Spuren über den Parkplatz geleitet.

Meine Katze Minouche im Kofferraum trägt zur Deeskalierung bei

Weil ich auf dem Weg in der abgesperrten Spur mit meinem Handy bei heruntergedrehtem Fenster auf der Fahrerseite die Polizistinnen und Polizistinnen im Schritttempo fahrend fotografiere, schwenkt ein uniformierter Beamte sofort die rote Kelle vor mein Gesichtsfeld und weist mich an, links ranzufahren. Mein Versuch, mit leichtem Schwenk nach links dem nachfolgenden Autos die Durchfahrt zu ermöglichen – das gefällt dem uniformierten Kontrolleur überhaupt nicht. Er trommelt wild mehrfach mit der Faust oder der flachen Hand auf mein Autodach. Meine Katze „Minouche“ kreischt im Kofferraumbereich in ihrem Transportbehälter  erschreckt auf.

Der Beamte von stattlicher Statur, wohl fast zwei Meter hoch gewachsen, sucht mir Respekt einzuflößen und brummt mich an, dass ich gefälligst vor seiner roten Kelle das Fahrzeug zum Stehen zu bringen hätte. Mein Einwand,  den Verkehr nicht behindern zu wollen, findet kein Gehör. Er  erhöht sogar die Lautstärke der Ansprache des Beamten.

Ich will aussteigen, was mir der Polizist verbal verwehrt. Ich habe sitzen zu bleiben im Fahrzeug. Als er sich zur Kollegin wendet, drücke ich flink die Tür auf und stehe unvermittelt neben ihm. Wortlos wende ich mich  direkt hinters Auto und öffne die Heckklappe.

Dort miaut in der Hitze des frühen Nachmittags meine Katze, die seit zweieinhalb Stunden im schwarzen Auto ohne funktionierende Klimaanlage tierisch ebenso Ungemach auf der arg verzögerten Fahrt nach Bonn zu erdulden hat.

Ich stelle mich dem etwas perplexen Beamten vor als Journalist und frage um Erlaubnis,  aus dem Rucksack im Kofferraum meinen Presseausweis herausholen und ihm zeigen zu dürfen.

Fotografieren aus einem fahrenden Fahrzeug sei eine Ordnungswidrigkeit und werde mit 120 Euro geahndet, belehrt er mich.  „Ich dachte, das kostet 80 Euro “, erwidere ich. Als ich ihm eröffne, dass ich eine Geschichte recherchiere zu den Auswirkungen der neuen Grenzkontrollen an deutschen Grenzen, gibt er sich versöhnlicher. Von der Ahndung des unerlaubten Fotografierens wolle er mal absehen, aber ich solle mein Fahrzeug vorziehen und mich den Kollegen zur Kontrolle stellen.

In der zweiten Stufe des Parkplatzkontrollverfahrens werden einzelne Fahrzeuge nebeneinander auf Insassen und Gepäck hin kontrolliert. Auch dort will man meine Personal- und Fahrzeugpapiere sowie Führerschein sehen, mich aber nicht aussteigen lassen. Meiner Bitte, der Katze im Kofferraum ein wenig Frischluft verschaffen zu dürfen, wird mir von den sehr jungen Kolleginnen und Kollegen dann doch gewährt.

Auch  Polizistinnen und Polizisten schwitzen in der sengenden Sonne

Das in der sengenden Hitze in vollem Ornat und schwerer Schutzkleidung stehende Polizeipersonal schwitzt sichtbar ebenso und muss sich überdies vereinzelten Unmutsreaktionen kontrollierter Autofahrer stellen.

Der Grenzkontrollbereich ist, so schätze ich, mit gut zwei Dutzend Beamtinnen und Beamten bestückt. Das arbeitende Polizeikontingent ist auf dem Parkplatz mit einer Vielzahl von Containern für Aufenthalt, menschliche Bedürfnisse und mit Verpflegungs-Lastwagen der Bundespolizei voll umfänglich ausgestattet. Das Personal wechselt bei der sengenden Hitze im zweistündigen Rhythmus.

 Urlauber genervt von unerwarteter Warteschleife im Grenzbereich

Auch eine vierköpfige Familie aus dem Rhein-Sieg-Kreis, nach einer Woche am Meer im niederländischen Renesse  auf der Heimkehr, gerät in das Netz der Kontrolleure – offenbar weil der graumelierte Fahrer nicht im Schritttempo die erste Kontrollstation passiert hatte.

Was mir noch auffällt: Der Güterverkehr mit  dicken 40-Tonner-Brummis mit Zulassungsschildern aus Litauen, Lettland, Ungarn, Tschechien, der Slowakei oder der Türkei rollt nach zehn Kilometer Stau an der Kontrollstelle weitgehend unbehelligt über die Grenze.

Ich bedanke mich bei dem leitenden Beamten vor Ort für die Auskunft und die Erlaubnis, nach 15 Minuten weiterer Wartezeit aus Distanz Übersichtsfotos vom Ort des Geschehens machen zu dürfen. Die jungen Beamten, die noch meinen Personalausweis sowie Führer-  und Kfz-Schein festhalten, kommunizieren indessen bei geöffneter Heckklappe mit Minouche. Meine Katze hat wesentlich zur „Deeskalierung“ der Situation beigetragen. Als ich die Hand auf das Autodach lege, verbrenne ich mir fast die Hand angesichts gefühlter 50 Grad auf dem Blech.

Am Vortag des 40-jährigen Schengen-Jubiläums für freie Fahrt an allen innereuropäischen Grenzen kommt ein schaler Beigeschmack an diesem Freitag, dem 13., auf. Für alle beteiligten Kontrolleure und die  Kontrollierten scheint dies wirklich kein Vergnügen zu sein. Die Hoffnung, dass bald wieder Normalität einkehren und ein sicherer,  ungebremster Grenzübergang in der EU wieder der Normal

fall sein möge – diese Hoffnung, da bin ich mir sicher, wird von allen geteilt.

 

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