Aktuell, Kultur

Ensor-Jahr 2024 – Auftakt in Ostende

 

Von Anne Kotzan

Unscheinbar in einer Seitenstraße von Ostende, der Romestraat, hat sich das Museum MU.ZEE etabliert. Per Zufall wird man es kaum entdecken. Die Architektur erinnert an ein altes längst stillgelegtes Kino, es ist aber ein altes Kaufhaus von 1947. Ein stiller und versteckter Ort, der einen in eine andere Welt zu verführen versteht. In die Welt des 19. Jahrhunderts und bis heute in der belgischen Kunst. Allein sein sprachspielerischer Name verweist auf Kreativität und Humor, MU.ZEE, Museum an der See (dem Meer), was es in Ostende ja auch ist, und zugleich wirkten hier namhafte belgische Künstler.

Einer davon ist James Ensor (1860-1949), im Ausland neben René Magritte sicher der Bekannteste. „Der Belgier wurde schon 1892, als 32-Jähriger, von einem Biographen als Don Quichotte der Kunst bezeichnet. Die Windmühlenflügel, gegen die er kämpfte, waren Kritiker und Kollegen, die seine Kunst ablehnten und ihn ausgrenzen. Ensor jedoch ließ ich nicht unterkriegen.“ Dies schrieb Christiaan Huther im Kunstforum 179 ansässig einer großen James Ensor Ausstellung in der Schirn Kunsthalle Frankfurt 2005. Dass Ensor Jahrzehnte um seine Anerkennung im eigenen Land kämpfen musste, belegt ein kurzes Zitat seines Bewunderers Emil Nolde, der ihn 1911 besuchte. „Im städtischen Museum (von Brüssel) suchten wir nach Radierungen von Ensor, in einem großen grauen Raum. Wir fanden keine. Er galt damals noch nichts in seinem Land.“

Heute gilt der Maler James Ensor als wichtigster Vertreter des belgischen Symbolismus und mit seinen fantastischen, skurrilen und teilweise absurden Kompositionen als ein Vater der Moderne. 2024 jährt sich Ensors Todestag zum 75. Mal dies nehmen die Städte Ostende und Antwerpen zum Anlass für ein ehrgeiziges, komplementäres und ganzjähriges Kulturprogramm.

Die Ausstellung

Das MU.ZEE in seiner Heimatstadt Oostende hat das Ensor-Jahr mit einer ganz besonderen Ausstellung eröffnet. „Rose, Rose, Rose à mes yeux. James Ensor en het stilleven in België (1830-1930)“. Der poetische Titel „Rose, Rose, Rose in meinen Augen“ stammt aus einer Rede von James Ensor anläßlich der Verleihung des Verhaeren-Preises 1923 an die Dichterin Claude Bernières, die er auch mehrfach portraitierte. Das Zitat verweist zum einen auf Ensor selbst als großen Literaten mit stark dadaistischen Zügen und zum anderen auf die Rose als beliebtes Motiv in Stillleben. Bekannt ist Ensor vor allem für seine grotesken Figuren und Masken geworden, aber wenig bekannt ist, dass ein Viertel seines Oeuvres aus Stillleben besteht. Rosen gehören zu seinen Motiven und vielleicht ist das Gemälde einer Rose „De stem van het absolute“ (Die Stimme des Absoluten) von Magritte 1955 eine Hommage an Ensor? Es ist neben rund 120 Werken von Künstlern wie Antoine Wiertz, Frans Mortelmans, Léon Spilliaert, Frits Van den Berghe, Jean Brusselmans und Marthe Donas in der Ausstellung vertreten. Diese Arbeiten von Vorreitern, Zeitgenossen und Nachkommen treten in einen spannenden Dialog mit den 40 Arbeiten von Ensor, die aus privaten und öffentliche Sammlungen des In- und Auslands zusammengetragen wurden.

James Ensor und das Stillleben

Ich wurde am 13. April 1860, einem Freitag, dem Venustag, in Ostende geboren. Also! Liebe Freunde, Venus kam vom Morgen ihrer Geburt an zu mir

wir lachten und sahen uns lange in die Augen. … Venus

war blond und schön, ganz mit Schaum bedeckt, sie roch nach Meer

salzig. Sehr schnell habe ich sie gemalt, weil sie meine Pinsel biss, aß

meine Farben, begehrte meine bemalten Muscheln, …“,

zitiert aus einer Rede Ensors aus dem Jahr 1922. Muscheln, Flaschen, Fische, Blumen, Gläser, Körbe, alles Gegenstände aus seiner Umgebung und teils über Jahrzehnte immer wieder in seinen Stillleben zu finden. Ein ständig Suchender nach Form, Licht und Inhalt. Mit den Jahren verändern sich Farben, Form und die Präzision der Ausarbeitung. Es scheint, dass das Stillleben einen Maßstab, eine Richtschnur vorgab für seine übrigen Motive. Das Stillleben eine Konstante in seinem ansonsten bewegten Leben, auch wenn er nicht viel Zeit außerhalb von Oostende verbracht hat.

Ostende, Land der Meereswunder, Farbzauber,

Zauber des Malers, was für eine Schönheit bietest Du uns!

Meine lieben Masken- und Syrenenfreunde, noch ein paar Worte.

Die Göttin der Malerei umarmt mich ständig mit ihren schillernden Armen. Sie zeigt mir das Licht, seine Bedeutung, seine Gesetze, ich könnte sagen die Form des Lichts, die Konstruktion des Lichts.“ (J.E.)

James Ensor war zeit seines Lebens ein Verfechter für den Wert des Genres Stillleben. Und so scheint das Konzept der Kuratoren ganz in seinem Sinne zu sein, indem sie seine Arbeiten in die Entwicklungsgeschichte des Genres stellen. Gleichzeitig entdeckt man weniger bekannte, aber herausragende belgische Künstler. Darunter auch Frauen, die seinerzeit von der Kunstwelt ausgeschlossen waren und nur in eigenen Salons ausstellen konnten.

Kurz zusammengefasst, eine einmalige Gelegenheit, den Stills von James Ensor zu begegnen, die zum Teil in Privatbesitz sind, und einer Vision dieses genialen Malers zu folgen, sowie die Möglichkeit belgische Künstler und Künstlerinnen für sich zu entdecken.

INFO: www.muzee.be

Geöffnet bis 14. April 2024

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