Von Heide Newson
Der belgische Nationalfeiertag am 21. Juli stand ganz im Zeichen des zehnjährigen Thronjubiläums von König Philippe, der heute im gesamten Land populärer und beliebter ist als je zuvor.
Es ist der 21. Juli 2013: Seit 10.45 Uhr ist das Land ohne König. Das Staatsoberhaupt Albert II. hat aus gesundheitlichen Gründen abgedankt. Knapp anderthalb Stunden später hat Belgien einen neuen König, und das ist dessen Sohn Philippe, der sich nach der Eidesleistung in den drei Landessprachen überraschend selbstsicher, königlich und professionell gibt.
Seit Jahren hatte man sich in Belgien, vor allem in Flandern, die Frage gestellt, ob der schüchterne, zurückhaltende und so hölzern wirkende Philippe tatsächlich geeignet und auch bereit sei, König zu werden. Fragen, ob er so einem Amt überhaupt gewachsen sei, begleiteten den damaligen Kronprinzen seit vielen Jahren, obwohl er intensiv auf die Rolle als Staatsoberhaupt vorbereitet worden war, vor allem von seinem Onkel König Baudouin.
Als der beliebte König Baudouin vor drei Jahrzehnten, am 31. Juli 1993 plötzlich verstarb, rätselten viele, ob Philippe ihm auf den Thron folgen würde. Man entschied sich für seinen Vater, Prinz Albert, da der Prinz noch als zu jung und unerfahren galt.
Die Jahre als Kronprinz nutzte Philippe für seine Ausbildung. Abitur machte er im Jahr 1978, seine Ausbildung zum Kampfpiloten schloss er 1981 ab. Anschließend studierte er bis 1985 Politikwissenschaften am Trinity College in Oxford und erwarb einen Master of Arts an der kalifornischen Stanford University. Als sein Vater den Thron bestieg, wurde Philippe als Ehrenvorsitzender des belgischen Außenhandelsamts weltweit in zahlreiche wirtschaftliche Missionen eingebunden. 20 Jahre später war es dann so weit. Sein Vater dankte ab, ein wesentlich selbstsicherer Philippe bestieg den Thron. „Ich bin mir der Verantwortung, die auf mir lastet, bewusst“, sagte er bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach der Abdankungsrede seines Vaters – und wirkte wie ausgewechselt.
An Statur und Selbstsicherheit gewann Philippe vor allem nach seiner Hochzeit mit Mathilde d‘Udekem d‘Acoz im Jahr 1999. Sie ist ihm seitdem eine große Stütze. War zuvor seine Körperhaltung bei öffentlichen Auftritten sehr angespannt und klangen seine Sätze bei offiziellen Reden wie einstudiert, so wirkt er heute locker und selbstsicher – und das in den drei Landesprachen.
Überrascht war die belgische Bevölkerung, als der Kronprinz 1999 seine Verlobung mit Mathilde bekannt gab. Ich erinnere mich genau: Der Himmel über Schloss Laeken ist königsblau, die Sonne strahlt vom Firmament. Philippe begrüßt uns an der Seite seiner Mathilde, die er als seine Verlobte vorstellt. Locker vom Hocker, recht ungewöhnlich für einen Pressetermin bei „Königs“, beantwortet er all unsere Fragen. Mathilde, die ausgebildete Logopädin, lässig in einer smarten langen beigen Hose, verrät, dass sie sich bei einem Tennisspiel kennengelernt hätten. Nein, Deutsch spreche sie noch nicht, wolle es aber lernen, antwortet sie auf meine diesbezügliche Frage.
Drei Jahre war es dem Paar gelungen, die Beziehung vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Und nun kündigten sie ihre Verlobung an, die am 13. November 1999 auf Schloss Laeken stattfinden sollte.
Auf der Verlobungsfeier sah ich ein verliebtes Paar, das beim Eröffnungstanz überglücklich wirkte. Man musste weder reich, mächtig, schön, berühmt sein noch zu den oberen Zehntausend gehören, um zu dieser von Kronprinz Philippe und Mathilde d‘Udekem d‘Acoz auf Schloss Laeken eingeladen zu werden „Meine Verlobung soll ein wahres Volksfest werden“, hatte die bürgernahe Mathilde verkündet. Insgesamt 500 vom Königshaus persönlich eingeladene und 1000 „normale“ Bürger, von den Gouverneuren der einzelnen Provinzen ausgewählt, trafen per Bus, Privatauto oder Eisenbahn gegen 18 Uhr aus allen Teilen Belgiens vor dem festlich beleuchteten Königspalast ein. Mehr als 180 Tische waren festlich gedeckt. Mathilde, in einem Hauch von Marineblau auf hohen Absätzen, drehte an der Seite von Prinz Philippe ihre Partyrunde. Strahlend, höfische Regeln völlig vergessend, schüttelte sie Hände von Jung und Alt. Auch Philippe gab sich locker sowie bürgernah und scherzte mit seinen Gästen.
Auf die Verlobung folgte am 4. Dezember 1999 die Hochzeit, über die ich ebenso hautnah berichten konnte.
Ein eiskalter Wind pfeift um die Kathedrale St.Michel und Gudula, die Zeuge eines großen Ereignisses wird. Der rote Teppich ist ausgelegt, über den „Royals“ wie Prinz Charles, Königin Beatrix, Großherzogin Josephine-Charlotte von Luxemburg, Prinz Naruhito aus Japan, König Harald V. von Norwegen, Prinz Albert von Monaco, König Carl Gustav von Schweden, Königin Sofia von Spanien, Königin Margrethe von Dänemark, König Albert II. und Königin Paola sowie das Hochzeitpaar Prinz Philippe und Mathilde schreiten. Bernard Foccroulle, damaliger Chef der Brüsseler Oper, verrät, dass Philippe und Mathilde die Werke Bachs gleichermaßen schätzen, und das Repertoire selbst ausgewählt haben. Und als künftige Königin kann man sich Mathilde, die eine große innere Ruhe ausstrahlt, schon an diesem Tag vorstellen. Wann immer es das Protokoll erlaubt, das an diesem Tag nicht wie eine Schweizer Uhr tickt, hält das strahlende, verliebte Brautpaar Händchen. Was wir hier erleben, ist eine totale Harmonie zwischen Mann und Frau, von der Kardinal Danneels in seiner Lesung noch so häufig sprechen wird. Dann der große Augenblick: Prinz Philippe geht nach der Trauung im Brüsseler Rathaus nunmehr auch vor Gott mit Mathilde den heiligen Bund der Ehe ein. Und am Abend findet ein großer volksnaher Empfang auf Schloss Laeken statt.
Mittlerweile hat das Ehepaar vier Kinder, zwei Söhne und zwei Töchter, und wirkt sehr glücklich. Königin Mathilde gelingt es perfekt, sich zurückzunehmen und nicht sich, sondern ihren Mann stets in den Vordergrund zu rücken. Auf ihre stille, intelligente, liebenswerte, freundliche Art, scheint sie ihn seit Jahren positiv zu beeinflussen. Durch sie hat er sich wohl zu dem souveränen Staatsoberhaupt entwickelt, das er heute ist.
Insgesamt mache er seine Sache gut, findet die Mehrzahl der Belgier, die nach anfänglicher Skepsis längst ihrem Monarchen ihr Vertrauen aussprechen. Sie haben sich an seine stille Art gewöhnt, und sie mögen ihn so, wie er ist. Nach einigen Fauxpas, zum Beispiel nach den Pariser Anschlägen Ende 2015, als ein Foto von König Philippe, der sich zum Zeitpunkt in einem Kurhotel in Frankreich aufhielt, im Morgenrock erschien, gibt es heute viel mehr Positives als Negatives über ihn zu berichten. Der sehr pflichtbewusste Philippe hat seinen Beitrag dazu geleistet, das zerstrittene Königreich mit Flamen im Norden und Wallonen zusammenzuhalten. Auch bei noch so heiklen Situationen findet er meist den richtigen Ton, und er bietet selten eine Angriffsfläche.
Auch die für das Königshaus so unangenehme Lage wegen der unehelichen Tochter seines Vaters regelte Philippe in seiner ruhigen Art professionell. Er empfing seine Halbschwester Delphine Boël, die heute zur Königsfamilie gehört, als erster ganz offiziell. Er ist ein König zum Anfassen, sehr volksnah, so die überwiegende Meinung während des jüngsten Nationalfeiertags. Was vor Jahren noch undenkbar für ihn gewesen wäre, sprich Sinn für Humor, steht zwar nicht jeden Tag auf Philippes Tagesordnung. Aber auch dies scheint er nun durchaus zu genießen. Wer erinnert sich nicht, als er die Rolle des Fußball-Nationaltrainers übernahm und den Spielern lustige Anweisungen gab – alles auf einem Video festgehalten. Auch wenn er sich heute zunehmend humorvoll und locker gibt, so bleibt er doch immer professionell, stilsicher und sehr königlich. Kein Wunder, dass die ehemaligen Bedenken ihm gegenüber längst der Vergangenheit angehören, und heute wohl kaum jemand mehr an seinen Fähigkeiten zweifelt oder sie in Frage stellt.
© Fotos: https://www.monarchie.be
Beiträge und Meinungen