Von Heide Newson und Reinhard Boest
Wenn der deutsche Botschafter beim Königreich Belgien, Martin Kotthaus, zusammen mit den Leiter/innen der deutschen Landesvertretungen zur Feier des Tages der Deutschen Einheit einladen, dann kommen die Gäste gerne. So geschehen am 4. Oktober.
Es ist Tradition, dass der Tag der Deutschen Einheit in der Vertretung von Sachsen-Anhalt stattfindet, dort wo einst die DDR-Botschaft „residierte“. Und dort sollte er auch in diesem Jahr ausgerichtet werden. Mehr als 500 Einladungskarten waren gedruckt, steckten zum Versand im Briefumschlag, als die Botschaft die Mitteilung erhielt, dass die Decke in der traditionellen Location am Boulevard Saint Michel undicht war. Da der Schaden nicht so schnell behoben werden konnte, musste ein anderer Veranstaltungsort gefunden werden. In der Not sprang die Hessische Landesvertretung ein. Das passte auch deswegen, weil das Land gerade den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz übernommen hat.
„Hier ist ja alles toll vorbereitet,“ so Robert Henkel, der zwar die Sachsen-Anhalt Vertretung als Veranstaltungsort schon wegen des schönen Gartens vorgezogen hätte. Aber das Wichtigste war ihm die Internationalität und Vielfältigkeit der Gäste aus allen Teilen der Welt, was man auf anderen Empfängen nicht habe. Gesichtet wurde Botschafter Jose Filomeno Monteiro von den Kapverdischen Inseln, der seit 2016 in Belgien ist, und Martin Kotthaus als einen sehr erfahrenen Diplomaten und Freund bezeichnete. Deutschland sei ein wichtiger Partner für sein Land, ebenso wie die deutschen Touristen, die man sehr schätze. Und Ammon Mutembwa, Botschafter aus Zimbabwe, schwärmte von deutschen Städten wie Hamburg, München und Berlin. „Ich bin beeindruckt von den Deutschen, die Wiedervereinigung ist ihnen wirklich gelungen. Wenn das kein Grund ist, mit zu feiern.“
Aber was wäre solch ein Tag ohne Ansprachen? Es war Martin Kotthaus, der als erster das Wort ergriff. Zunächst bedankte er sich bei der hessischen Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten Lucia Puttrich und bei Friedrich von Heusinger, dem Leiter der Hessischen Landesvertretung, dass diese ohne Zögern eingesprungen seien.
Zu Beginn seiner Rede kündigte Kotthaus an, dass die Gäste nur 25 Minuten warten müssten, um nach Ansprachen und Hymnen den Tag der Deutschen Einheit feiern zu können – am Ende wurden es 50, was der Stimmung aber keinen Abbruch tat. Für die belgische Regierung sprach der stellvertretende Ministerpräsident und Verkehrsminister Georges Gilkinet in Vertretung von Umweltministerin Zakia Khattabi, die kurzfristig wegen Krankheit absagen musste. Als Ko-Gastgeberin ergriff schließlich die hessische Europaministerin Lucia Puttrich das Wort.
Kotthaus stellte – zwischen den drei Amtssprachen Belgiens und Englisch wechselnd – die aktuellen Herausforderungen in den Mittelpunkt seiner Ausführungen, bei denen die Europäer weiter zusammenstehen müssten. Für die Unterstützung der Ukraine gegen die russische Aggression hätten die EU-Mitgliedstaaten schon große Anstrengungen geleistet (allein Deutschland 7,3 Milliarden Euro seit Beginn des Konflikts) und müssten das auch in Zukunft tun. Die Bedrohungen durch den Klimawandel seien seien jetzt für jeden sichtbar. Daher müsse der nächste Klimagipfel in Doha ein Erfolg werden. Kotthaus würdigte die enge Zusammenarbeit zwischen Belgien und Deutschland in der Energiepolitik, sowohl bei der kurzfristigen Versorgung mit Flüssiggas über die belgischen Terminals als Ersatz für russisches Erdgas als auch beim Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere Offshore-Windenergie in der Nordsee. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an die Besuche von Bundeskanzler Scholz in Zeebrügge und Ostende in diesem Jahr (Belgieninfo berichtete). Er zähle darauf, das Belgien in seiner am 1. Januar 2024 beginnenden EU-Ratspräsidentschaft auch die Klimapolitik weiter voranbringen werde, und wünschte der Regierung viel Erfolg.
Im Übrigen sehe man mit Spannung auf den großen Wahltag in Belgien im Juni 2024. Eine Woche darauf beginne die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. Mit einem Augenzwinkern wies der Botschafter darauf hin, dass sich die deutsche Elf als Gastgeber (zum Glück?) nicht qualifizieren musste, während die „Roten Teufel“ gesetzt seien und zu den Turnierfavoriten gehörten. Auf jeden Fall seien die acht Austragungsorte ein lohnendes Reiseziel nicht nur für belgische Fußballfans. In der anstehenden „Woche für Deutsch“ (siehe https://belgieninfo.net/eine-ganze-woche-deutsch/) könne man sich sprachlich darauf vorbereiten: „Ein Bier bitte, eine Brezel bitte“…
Am Ende erinnerte Kotthaus an den Glücksfall, den die deutsche Einheit bedeute. Der russische Angriffskrieg erinnere aber in brutaler Weise daran, dass nichts sicher sei.
Auch Minister Gilkinet unterstrich, dass die aktuellen Krisen nur gemeinsam – europäisch und global – bewältigt werden könnten. Er würdigte die gute belgisch-deutsche Zusammenarbeit insbesondere im Energiesektor, aber auch in der Klimapolitik und während der Corona-Krise. Die anstehende EU-Ratspräsidentschaft sei eine große Herausforderung, zumal man eigentlich nur die ersten beiden Monate zur Verfügung habe, bevor der Europawahlkampf in die heiße Phase gehe. Es gelte, die nächste Legislaturperiode vorzubereiten, und man habe sich ein anspruchsvolles Programm vorgenommen. Im Anschluss an die – auf Französisch gehaltene – Rede bemerkte Botschafter Kotthaus scherzhaft, dass der Minister ein idealer Kandidat für die „Woche für Deutsch“ sei.
Für Ministerin Puttrich ist die deutsche Wiedervereinigung auch nach 33 Jahren noch „ein Wunder“, das damals nur im Rahmen der europäischen Integration möglich gewesen sei. Dafür müsse man den europäischen Nachbarn dankbar sein. Auf die deutsche Einheit sei mit der Osterweiterung die europäische Einigung gefolgt. Jetzt stehe man bald vor einer weiteren Erweiterungsrunde, die wieder eine enorme Herausforderung bedeute. Gelingen könne das nur, wenn man den Grundsatz „Einheit in Vielfalt“ beherzige. Das gab ihr Gelegenheit, auf die Vielfalt hinzuweisen, die der Föderalismus in Deutschland garantiere, der deshalb auch in der EU erhalten bleiben müsse.
Nach den Ansprachen stimmten die Rheingau Vista Boys die Gäste mit schmissiger Musik auf gute Laune und Fröhlichkeit ein. Und spritzig, jazzig und so ganz anders intonierte die Gruppe, die Hessens Europaministerin in ihrem „Reisegepäck“ hatte, die deutsche, belgische und europäische Hymne. „Cheers, auf Deutschland und die tollen Boys,“ so Zimbabwes Botschafter, dem die schmissig interpretierten Nationalhymnen besonders gut gefielen. Gut kamen auch die exzellenten Weine aus hessischen Landen an. Einige Gäste aus fernen Ländern wagten sich sogar an den ihnen bislang unbekannten Apfelwein ran. „Not bad at all,“ schmunzelte ein ausländischer Gast, für den dieser typisch hessische Drink eine Premiere war.
Zelebriert wurde Deutschlands Nationalfeiertag zudem mit landestypischen und regionalen Leckerbissen wie Kartoffelsuppe oder einem Brezel-Sandwich. Dann kündigte Martin Kotthaus an, dass die Dachterrasse geöffnet sei. Das ließen sich viele Gäste, denen es in dem proppenvollen Sitzungssaal ein wenig zu eng und heiß geworden war, nicht zweimal sagen. Und hier, über der Brüsseler Skyline ging das Fest mit musikalischer Begleitung, guten Gesprächen und viel Gelächter munter weiter. Bis 20 Uhr war der Empfang geplant, woran sich bei der Stimmung, mitreißenden Songs, Wein, Bier und leckeren Häppchen kaum ein Gast hielt. „Das mit dem Dachschaden in Sachsen-Anhalts Landesvertretung war eine Panne der besonders sympathischen Art,“ witzelte ein Gast. „ Die hessische Landesvertretung hat einen super Job gemacht, das war ein tolles Fest, das mir in Erinnerung bleibt.“
Deutschlands Botschafter Martin Kotthaus und Friedrich von Heusinger waren sichtlich erleichtert, dass alles so gut geklappt hatte. Gut gelaunt und völlig entspannt unterhielten sie sich noch zu später Abendstunde mit ihren zufriedenen und fröhlichen Gästen.
Danke, liebe Heide, für die ausführliche Zusammenfassung!