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Horta und die Grammatik des Jugendstils

 

Von Heide Newson

Das Jahr 2023 steht ganz im Zeichen des Brüsseler Jugendstilmeisters Victor Horta. Bis zum 17. Januar 2024 können sich die Liebhaber des Jugendstils in Europas Hauptstadt weiter von floralen Ornamenten, fließenden Formen und anmutigen Arabesken verzaubern lassen. Ein besonderes Highlight in dieser faszinierenden Bandbreite ist die Ausstellung „Victor Horta et la Grammaire de l´Art Nouveau“ (Victor Horta und die Grammatik des Jugendstils) im Palast der Schönen Künste in Brüssel (BOZAR). Aber keine Angst. Keiner braucht sich um Grammatikregeln den Kopf zu zerbrechen. Stattdessen können die Besucher in die Grundzüge des Jugendstils à la Victor Horta und in die faszinierende Welt seines Architekturerbes eintauchen. Die Ausstellung erkundet die architektonischen Eigenheiten des Meisters anhand von Zeichnungen, Plänen und Modellen und gibt dem Besucher die Möglichkeit, diesen „Stararchitekten” jenseits der Mythen zu entdecken und die zentralen Themen seiner Arbeit besser zu verstehen.

Victor Horta und die Grammatik des Jugendstils“ sei als eine Forschungsausstellung konzipiert, so Kurator Iwan Strauven anlässlich einer Pressekonferenz im BOZAR. „Wir geben heimischen und internationalen Horta-Experten eine Plattform, die Themen und gezeigten Ausstellungsstücke zu erklären,“ fuhr er fort.

In neun Ausstellungsräumen wird die „Grammatik“ des Horta-Jugendstils unter die Lupe genommen. Modelle, noch nie gezeigte Archivunterlagen, einige Möbel, von ihm benutzte Baumaterialien, Designobjekte und biografische Anekdoten bilden den abenteuerlichen Parcours einer Ausstellung, die Hortas langjähriges Schaffen umfasst.

Victor Horta, am 6. Januar 1861 in Gent geboren und am 8. September 1947 in Etterbeek verstorben, wurde durch die Neuartigkeit seiner Wohnhäuser international bekannt. Im Jahr 1893 fing er an, Eigenheime und Geschäfte zu entwerfen. Einige Freunde aus seiner Freimauerloge vertrauten dem jungen Architekten den Bau ihrer Wohnhäuser an. So entstehen im Jahr 1893 die Häuser Tassel und Autrique, deren Innenraum von der freiliegenden Gusseisenkonstruktion und Glaselementen geprägt sind, und den damals 32-jährigen über Nacht berühmt machten. Gezeigt werden Fotos seines Hauses in der Rue Americaine – heute das Horta-Museum -, das Maison Vinck, den Palais des Beaux Arts, das Hotel Aubecq, das Maison du Peuple, Empire Solvay, Hotel Van Eetvelde, um nur einige zu nennen. Hortas Zusammenarbeit und gleichzeitige Auseinandersetzung mit König Leopold II. anlässlich der Konstruktion des Kongo-Pavillons wird kritisch durchleuchtet.

Jean Delhaye, Hortas Schüler

Ein weiteres Kapitel ist Jean Delhaye´s Foto-Serie aus dem Jahr 1963 gewidmet. Interviews gab Delhaye nur ungern und ganz selten. Aber wenn er sich dazu bereit erklärte, so kannte er nur ein Thema: Seine Begeisterung über seinen Lehrmeister und seine Trauer über die Zerstörung Büsseler Kulturguts wie das Maison du Peuple durch gewissenlose Stadtplaner. Delhaye verteidigte als ehemaliger Schüler von Victor Horta dessen Erbe und Lebenswerk bis zu seinem Tod wie kein anderer. Schon immer war der junge Delhaye vom Genie Hortas überzeugt, selbst zu einem Zeitpunkt, als dessen Architektur in Belgien noch abgelehnt wurde. Horta war für seinen Schüler ein Perfektionist. Was ihn vor allem faszinierte, war dessen Fähigkeit, Materialien wie Stahl und Glas, die in der damaligen Architektur noch selten eingesetzt wurden, zu einem harmonischen Ganzen zu verschmelzen. Horta habe nicht nur das Fach Architektur perfekt beherrscht, sondern auch 22 weitere Disziplinen vom Schmiedeeisen, Design bis hin zu Mosaikkunst.

Was ihn in seiner Jugend persönlich verletzt habe, sei die Tatsache gewesen, dass die Kunst Hortas von Kritikern oft als „Makaroni-Architektur“ verspottet geworden sei. Allerdings habe es in Belgien auch Kenner wie den Chemiker und Industriellen Ernest Solvay gegeben. Wenn dieser seinem Meister einen Auftrag gab, so brauchte mit Materialien nicht gespart zu werden. So konnten in Brüssel mehr als zwanzig prächtige Jugendstilhäuser errichtet werden. Horta selbst habe seine Häuser Hallet, Tassel und Aubecq am meisten geliebt. Letzteres konnte auch Delhaye nicht vor der Zerstörungswut der Brüsseler Spekulanten retten. Bis zu seinem Tod am 15. Januar 1993 leitete Delhaye gemeinsam mit der Kunsthistorikerin Francoise Aubry das von ihm im Jahr 1969 gegründete Horta-Museum. Aber nicht nur die Kunst des Architekten Victor Horta steht in den nächsten Monaten im BOZAR im Blickpunkt der vielseitigen Ausstellung, sondern ebenso das gesamte Lebensgefühl einer Epoche, die durch Filme, Baupläne, Retrospektiven wieder lebendig wird.

Fotos © BOZAR oder Christin Kiner

https://www.bozar.be/fr/calendrier/victor-horta-et-la-grammaire-de-lart-nouveau

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Solvay © BOZAR
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Tassel © BOZAR
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Moulages en platre © BOZAR
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Max Hallet © BOZAR
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Aubecq © BOZAR
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Musée Horta © BOZAR

 

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