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Flandern und Nordrhein-Westfalen ziehen bei Wasserstoff an einem Strang 

Zusammenarbeit soll vertieft werden

Von Thomas A. Friedrich 

Die benachbarten Regionen Flandern und Nordrhein-Westfalen machen sich für einen verstärkten grenzübergreifenden Energieinfrastrukturausbau stark. Die Industrieregionen des Hafens von Antwerpen und des Ruhrgebiets wollen die industrielle Dekarbonisierung gemeinsam vorantreiben. 

 Bei einer gemeinsamen Sitzung der beiden Kabinette von Flandern und Nordrhein-Westfalen hatten die Regierungschefs Hendrik Wüst (CDU) und Matthias Diependaele (N-VA) im Hafenhaus in Antwerpen unlängst eine gemeinsame Absichtserklärung unterzeichnet. 

Demnach wollen sich die beiden Regionen in Belgien und Deutschland für eine wettbewerbsfähige, innovative und saubere Industrieentwicklung im europäischen Kontext engagieren.  Die nordrhein-westfälische Landesregierung forciert den beschleunigten Ausbau transeuropäischer Netze für den Gas- und Wasserstofftransport. Schon im Mai 2023 hatte die NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur eine Kooperationsvereinbarung mit der damaligen belgischen Energieministerin Tinne Van der Straeten (beide Grüne) in Brüssel unterzeichnet (siehe https://belgieninfo.net/belgien-und-nrw-wollen-bei-wasserstoff-noch-enger-zusammenarbeiten/).

Den Nukleus für eine grenzüberschreitende Wasserstoffinfrastruktur und Schlüssel für die Kooperation sind die Häfen in Flandern: „Der Hafen von Antwerpen ist für uns wichtiger als der Hafen von Hamburg“, hatte NRW-Landeschef Hendrik Wüst zur Bedeutung der belgisch-deutschen nachbarschaftlichen Beziehungen erläutert.  

Starke Industrieregion im Herzen Europas entwickeln 

Insbesondere die grenzüberschreitende Wasserstoffinfrastruktur zwischen Flandern und NRW – als Drehscheibe für Wasserstoffimporte und CO2-Exporte – trage zur Entwicklung einer starken Industrieregion im Herzen Europas bei. „Durch die Verbindung unserer Wirtschaft, Häfen und Innovationskraft bauen wir gemeinsam an einer wettbewerbsfähigen Zukunft für die Unternehmen und Menschen in unseren Regionen“, sagte der flämische Ministerpräsident Matthias Diependaele vor der Presse. 

Die Bedeutung des Hafens Antwerpen für die grenzüberschreitende Wasserstoffinfrastruktur zwischen Flandern und NRW zeigt sich nicht nur im globalen Frachtvolumen. In der Tat ist der Gemeinschaftshafen Antwerpen-Brügge als internationaler, global agierender Akteur zum Welthafen aufgestiegen.  

Starke Stellung des Hafens von Antwerpen

Der Hafen von Antwerpen beheimatet den größten integrierten Chemiecluster Europas, ist der größte Hafen für den Fahrzeugumschlag weltweit und der zwölftgrößte Containerhafen der Welt. 2024 wickelte der flämische Hafen ein Gesamtumschlag von 289 Mullionen Jahrestonnen ab.  

Zum Vergleich: Der größte deutsche Seehafen in Hamburg erreichte laut Statistik 2024 knapp 97 Millionen Tonnen Jahresfracht. Flandern zählt für Nordrhein-Westfalen zu den wichtigsten Handels- und Kooperationspartnern in der EU.  

Flandern gilt als innovativer und kraftvoller Wirtschaftspartner für NRW 

Die Region Flandern erwirtschaftet mit rund 6,8 Millionen. Menschen 70 % des belgischen Bruttoinlandsprodukts und ist für rund 80 % der Exporte des Landes verantwortlich.  

Von besonderer Bedeutung für NRW: der Chemiepark im Hafen Antwerpen, der große Niederlassungen nordrhein-westfälischer Multis wie Evonik und Lanxess sowie der rheinland-pfälzischen BASF beherbergt. Gemeinsam mit Rotterdam und der Rheinschiene bildet er einen der weltweit führenden Chemiecluster.  

NRW als Wirtschaftsregion bedeutend für europäische Wettbewerbsfähigkeit 

NRW-Landeschef Hendrik Wüst forderte bei seinem Besuch der EU-Kommission in Brüssel seine Parteifreundin Ursula von der Leyen (CDU) auf, bei den Anstrengungen der EU für mehr Wettbewerbsfähigkeit die wirtschaftsstarke Region Nordrhein-Westfalen stärker in den Fokus zu nehmen.  

Wer in Europa wirtschaftlich denkt, der muss Deutschland und gerade Nordrhein-Westfalen mitdenken, sagte Wüst. Eine starke und wettbewerbsfähige Europäische Union sei zentral für das Industrieland Nordrhein-Westfalen. “Und umgekehrt ist Nordrhein-Westfalen Wachstumsmotor für ganz Europa“, unterstrich der Ministerpräsident.  

Die Wirtschaftskraft von NRW liege 20 % über dem EU-Durchschnitt. Kaum ein anderes Land sei so mit den europäischen Märkten verflochten, so Wüst.  

Die den Landeschef bei seiner Brüssel-Tour begleitenden Vorstandsvorsitzenden namhafter in NRW angesiedelter Unternehmen (Eon, Henkel, Evonik, Uniper, Thyssenkrupp, DHL, Rheinmetall, Hochtief, RWE, Lufthansa und Covestro), legten in Brüssel die Finger in die Wunden europäischer Industriepolitik.  

Der Wirtschaftsstandort Europa ist in jüngster Vergangenheit immer stärker unter Druck geraten.” Für die exportorientierte Wirtschaft müsse es zu einem fairen Deal mit den USA beim Zollstreit kommen, der für die Aluminium- und Stahlindustrie noch nicht gelöst sei, lautete die Botschaft der NRW-Unternehmenslenker im Pressegespräch. NRW sei als bedeutendes Zentrum energieintensiver Industrie auf eine verlässliche und wettbewerbsfähige Energieversorgung angewiesen.  

Daher fordert die NRW-Landesregierung von der EU-Kommission verstärkte Anstrengungen für den Ausbau erneuerbarer Energien sowie den Hochlauf einer heimischen Wasserstoffwirtschaft und -produktion. Dabei dürfe Brüssel die Latte beim Wasserstoff nicht am Anfang zu hochlegen. Nur durch Etappen sei das Ziel von rein grünem Wasserstoff zu erzielen. Maximalforderungen von Anfang an für eine Wasserstoffwirtschaft würden energieintensive Unternehmen ins Ausland treiben, mahnte Wüst.  

Der flämisch-nordrhein-westfälische Schulterschluss führe in die richtige Richtung. Er sprach sich gleichzeitig für den Ausbau weiterer Energiepartnerschaften wie aktuell mit der belgischen Region Flandern aus.  

NRW und Flandern als EU-Modell beim Ausbau der Wasserstoffwirtschaft 

Der Aufbau einer leistungsfähigen Speicher- und Netzinfrastruktur müsse in der EU mit Nachdruck verfolgt werden. Die EU müsse dem Aufbau einer grenzüberschreiten den europäischen CO2-Transport- und Speicherinfrastruktur für die Nutzung und Speicherung von CO2 Priorität einräumen.  

Nur so könne es in der Hochlaufphase der Wasserstoffwirtschaft gelingen, mit blauem Wasserstoff zu arbeiten und NRW und Flandern als EU-Modell nachhaltiger Wirtschaftsstrukturen zu entwickeln.

Die Wasserstoffinfrastruktur zwischen Flandern und NRW nimmt inzwischen Fahrt auf. Es ist ein Projekt mit Potenzial als Blaupause für ganz Europ, das anfallende CO2 zu handhaben.  

Vorzeigeprojekt im Hafen von Antwerpen 

Konkret hat das belgische Gasunternehmen Fluxys im Hafen von Antwerpen die Projekte der Zukunft bereits angestoßen. Das Unternehmen hat mit 1.400 Beschäftigten allein in Nordwesteuropa bereits 4000 Kilometer Leitungen bzw. Pipelines gelegt und Netzwerke zum LNG-Terminal in Zeebrugge geschaffen.  

Jetzt haben wir uns vorgenommen, im Hafen von Antwerpen das Rückgrat des CO2-Transports mit Anbindungen bis ins Ruhrgebiet zu verwirklichen“, so Fluxys-Sprecher Thierry Vervenne bei einem Besuch im Chemiehafen von Antwerpen.  

In der vor wenigen Wochen begonnenen ersten Phase verlegte die Fachfirma bereits eine 18 Kilometer lange Pipeline im Hafen von Antwerpen zwischen den Produktionsfirmen BASF und Exxon entlang des Scheldekanals.  

Wir verlegen mit drei unterschiedlichen bergmännischen Verfahren den Vortrieb der 60-cm Durchmesser-Röhren in einer Tiefe von bis zu 60 Meter unter der Schelde durch“, erklärte der Ingenieur und Projektleiter Antoine de Hemptinne im Gespräch mit BelgienInfo.  

Als gemeinsames Projekt wollen Nordrhein-Westfalens Landesregierung und die flämischen Regierung einen CO2-Transit aus dem Ruhrgebiet bis in den Hafen Antwerpen und die Verbringung von CO2 in die Nordsee in Angriff nehmen.  

Die weitere Entwicklung hängt von der Geschwindigkeit der Transformation in der europäischen Energiewirtschaft und vom Marktverhalten der teilnehmenden Unternehmen ab,” appellierte Vervenne an NRW‘s und Flanderns Industrieunternehmen gleichermaßen. 

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