Mit der Belgisch-Bayerischen Gesellschaft zu einer Rodin-Ausstellung nach Mons
Von Heide Newson
Zugegeben, Mons gehörte in den letzten Jahren nicht zwingend zu meinem Besichtigungsprogramm. Diese etwa 100.000 Einwohner zählende Stadt kannte ich bislang in meiner Funktion als Journalistin vornehmlich als Standort des Militärischen Hauptquartiers der Nato, Shape, und als Europas Kulturhauptstadt im Jahr 2015. Als Elisabeth Wenig, Generalsekretärin der Belgisch- Bayerischen Gesellschaft, dann in Zusammenarbeit mit der der „Aiace“ Deutschland, einen (Tages-)Trip nach Mons zur „Excursion Mons, Expo Rodin“ organisierte, war ich gleich Feuer und Flamme und meldete mich zur Mitfahrt an. „Der Zug fährt am 25. Juni um 10.18 Uhr vom Zentral-Bahnhof los, etwas früher vom Nordbahnhof, etwas später vom „Midi“, hatte Elisabeth über E-Mail informiert. Sie steige am „Gare Centrale” in den zweiten Wagon ein. Zehn oder elf Personen hätten sich angemeldet.
Bei Kaiserwetter starteten wir unseren Trip nach Mons an Bord eines komfortablen Zugs. Mit etwas Verspätung trafen wir in Mons ein. Wow, was für ein Bahnhof, ich kannte nur den alten, mir verschlug´s die Sprache. Ein spektakuläres, futuristisches Wunderwerk, architektonisch genial, passt aber wie die Faust aufs Auge in diese Stadt, eher nach Sydney, so nicht nur mein erster Eindruck. Den neuen Hauptbahnhof für Mons habe ja nicht irgendwer entworfen – sondern kein Geringerer als der spanisch-schweizerische Architekt, Bauingenieur und Künstler Santiago Calatrava Valls, wurde mir von kenntnisreichen Teilnehmern erklärt. Und dieser Künstler, der auf die Konstruktion von Brücken und futuristischen Bahnhöfen (siehe Lüttich) spezialisiert ist, macht seinem internationalen Ruf als genialer Ingenieur auch in Mons alle Ehre. All das muss man ihm zugestehen, aber nicht jedem gefällt´s. Und noch weniger gefällt´s den Reisenden, dass das Prestigeobjekt, mit dessen Bau im Jahr 2006 begonnen wurde, und das seit 2015 schon längst vollendet sein sollte, einfach nicht fertig wird. Die ewige Baustelle nervt, auch dass wir das Hauptgebäude, das wie ein Ufo aussieht, noch immer nicht betreten können.
Abgesehen vom Bahnhof überzeugte uns die beschauliche Stadt mit ihrem wirklich wunderschönen Stadtkern. Zu Fuß ging´s vorbei an rot geziegelten und von grauem Sandstein eingefassten Häusern, die ein stimmiges Gefühl der industriellen Zeit aus dem frühen 19. Jahrhundert boten. Zum Erkunden kleiner faszinierender Gassen blieb keine Zeit. Aber das eigentliche Highlight von Mons ist ohnehin die Grand´Place mit ihrem opulenten Rathaus. Und nur wenige Meter davon entfernt kehrten wir ins Restaurant „Le Carillon“ ein, wo ein gemütliches Ambiente und ein schön gedeckter Tisch auf uns warteten. Alles war perfekt, die Sonne strahlte mit unserer guten Laune um die Wette, Speis und Trank waren ausgezeichnet, der Service exzellent, die Stimmung einzigartig, und Preis-Leistung nicht zu toppen.
In Mons, so schien es, kann man sich alles bestens zu Fuß erlaufen. Gestärkt durch ein gutes Mahl, süffigen Rosé, Bier oder Soft Drinks, marschierten wir bei angenehmen 26 Grad zum Museum der Schönen Künste (Musée des Beaux-Arts), wo wir von unserer Führerin Montserrat Soler begrüßt wurden. Mit ihrer Ankündigung, dass fast zweihundert Skulpturen gezeigt würden, Zeichnungen, Drucke und Gemälde, die aus dem Rodin Museum in Paris, internationalen Institutionen und Privatsammlungen stammen, stieg unsere Neugierde und Spannung auf die Ausstellung, die eine Neuinterpretation von Rodins künstlerischem Werdegang beleuchtet, dessen Höhepunkt Belgien ist. Und dem war so. Rodins sechsjährige Tätigkeit in Belgien von 1870 bis 1876 zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Ausstellung.
Wir erfahren, dass der am 12. November 1840 in Paris geborene Bildhauer und Zeichner, mit dem das Zeitalter der modernen Plastik und Skulptur begann, aus einer konservativen Beamtenfamilie stammte. Bereits mit 13 Jahren wurde er Schüler an der sogenannten „Petite École“, wo er bis 1857 blieb. Während dieser Zeit, so unsere Führerin, habe er sich vergeblich um die Aufnahme als Student an der berühmten „Ècole nationale supérieure des Beaux-Arts de Paris“ bemüht, um Bildhauerei zu studieren. Dreimal sei er durchgefallen und habe gleichwohl um Anerkennung in der Pariser Kunstwelt gekämpft. Da diese zunächst ausbleibt, geht er im Jahr 1871 mit gerade mal 30 Jahren zu einem längeren Arbeitsaufenthalt nach Brüssel. „Rodin kam nach Belgien, um dort eine Reihe von Aufträgen zu übernehmen, er musste ja Geld verdienen“, so Montserrat Soler. In Belgien verliebte er sich in die Werke von Rubens, in Italien in Michelangelos, was sich in seinen Skulpturen und Zeichnungen niederschlägt.
Wir nehmen riesige Gipsmodelle in Augenschein, Figuren aus Bronze, antike Statuen, denen wesentliche Körperteile fehlen, was uns ins Staunen versetzt, während das Höllentor, eins seiner Hauptwerke, wie aus einer anderen Welt erscheint. Über 30 Jahre arbeitete Rodin an der Idee zum Höllentor, in welchem Dantes Göttliche Komödie eine zentrale Rolle spielt. Beeindruckt sind wir ebenso von seiner Plastik „Die Bürger von Calais“, die ihren historischen Hintergrund aus der Zeit des Hundertjährigen Kriegs habe. “Der Denker“, eine weltweit bekannte Skulptur, oder „Der Kuss“ finden ebenso unsere Bewunderung. Das „Eherne Zeitalter“ kommt einem dagegen nicht sofort in den Sinn, wenn man an Rodin denkt. Dennoch betrachten wir gerade diese Skulptur, die einen jungen belgischen Soldaten darstellt, mit großem Interesse. Denn hier handelt es sich um die erste Bronzestatue Rodins, die im Jahr 1877 während seiner Zeit in Brüssel entstand. „Er fertigte all das an, was die Leute in Belgien mochten und in Auftrag gaben”, so unsere Rodin Expertin in ihrer verständlichen und lebendigen Erklärung.
Während Rodins skulputurales Werk weltweit bekannt ist, wurde seinen Zeichnungen lange Zeit weniger Beachtung geschenkt. Dabei habe er sein ganzes Leben lang gemalt, betont Montserrat Soler. Wir können uns davon überzeugen, wie unglaublich kreativ der französische Bildhauer war, mit welcher Leidenschaft er sich an die Arbeit machte, und was für ein hinreißender Maler er war. Auch während seiner Brüsseler Zeit habe er immer gezeichnet. So verewigte er den Bois de la Cambre oder den Forêt de Soignes in seinen Zeichnungen. Das Faszinierende: in Mons sind viele seiner Handzeichnungen ausgestellt, die vorher noch nirgendwo zu sehen waren. Wir erfahren, dass Rodin lieber Zeichnungen von seinen Skulpturen anfertigte, als sie fotografieren zu lassen. In den letzten 20 Jahren seines Lebens habe er sich hauptsächlich der Malerei, seiner ganz großen Leidenschaft, gewidmet.
Nach dem Besuch der sehenswerten Ausstellung und einer grandiosen Führung begeben wir uns auf Empfehlung von Montserrat Soler in den „Jardin du Mayeur“, wo wir ein Exemplar von Rodins Statute „Die Bürger von Calais“ mit einer gewissen Ehrfurcht und in Gedanken versunken betrachten. Dieser besondere Leckerbissen, eine Leihgabe des Musée Royal de Mariemont, scheint nirgendwo besser hinzupassen als in diesen wunderschönen Garten, umgeben von historischen Gebäuden. Nach der Rodin-Ausstellung, die noch bis zum 18. August läuft, kehrt sie an ihren angestammten Platz zurück.
Bevor wir die Rückfahrt nach Brüssel antreten, entspannen wir auf der Grand´Place bei einem kühlen Drink, jeder Menge guter Laune und stellen fest, dass dieser Trip nach Mons unsere Erwartungen weit übertroffen hat.
https://musees-expos.mons.be/agenda/rodin-une-renaissance-moderne?u=87f428a7b65846b48b365e166aa0aac2
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