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Die Ausstellung von Grace Ndiritu „Reimagines the FOMU Collection“ im Fotomuseum Antwerpen

Von Anne Kotzan

Der Januar zeigt sich von seiner ungemütlichen Seite. Ein guter Grund, sich jenseits von Strand und Natur nach alternativen Ausflugszielen im Warmen umzusehen. Mein Tipp ist das Fotomuseum in Antwerpen (FOMU). Auch wer es bereits kennt: es wartet gerade mit einer besonderen Ausstellung aus seinem Archiv auf. Das FOMU lud die britisch-kenianische Künstlerin Grace Ndiritu ein, in einen Dialog mit der Museumssammlung zu gehen und diese in einer von ihr konzipierten Weise dem Publikum zu präsentieren. Unbefangenheit und Kreativität geben nun einen völlig neuen und spannenden Zugang, der Fotograf(inn)en aus unterschiedlichen Zeitspannen und mit ebenso unterschiedlichen künstlerischen Ansätzen mischt und zu einem abenteuerlichen Rundgang zusammenstellt.

Hintergrund

Noch bevor die Fotografie in Museen und Galerien ihren Platz fand, wurde das Fotomuseum in Antwerpen gegründet. Diese Pionierstellung in Sachen Fotografie verdankt es Karel Sano, Abteilungsleiter bei Gevaert Photoproducts N.V. und Piet Bauduin, damals Kurator des Museums Sterckshof. Anlässlich der von ihnen 1965 kuratierten Ausstellung „125 Jahre Fotografie“ im Provinzmuseum für Kunst und Handwerk Sterckshof in Deurne kam der Stein ins rollen. Nach dem Erfolg dieser Ausstellung wurden die Leihgaben des Unternehmens Agfa-Gevaert zusammen mit dem Archiv der ehemaligen Verlagsabteilung an die Provinz Antwerpen übertragen. Diese Sammlung bildete den Kern für den Aufbau einer ständigen Abteilung innerhalb des Museums, die der Geschichte der Fotografie gewidmet ist. 1986 fanden das Museum und seine Sammlungen im renovierten Flanders Warehouse am Waalsekaai ein dauerhaftes Zuhause. Im Jahr 2000 wurde nach zuvor zugefügten Anbauten eine weitere gründliche Renovierung durchgeführt, und vier Jahre später wurde das renovierte Museum für Fotografie eröffnet, das unter anderem auf 1400 Quadratmetern Ausstellungsräume umfasst. Danach wurde die Kapazität mit dem Bau des Lieven-Gevaert-Turms, des ersten Niedrigenergie-Fotodepots in Europa, noch einmal erhöht. Heute ist das FOMU eine vollwertige (inter)nationale Einrichtung zur Verwaltung des Kulturerbes.

Agfa-Gevaert war damals auch in Deutschland – mit Sitz in Leverkusen – eine bedeutende Firma für Kameras und Filmmaterial, und viele Familienfotos der 1960er und 1970er Jahre wurden mit einer Agfa-Kamera gemacht. Dieses Archiv ging als Fotorama in die Bestände des Museum Ludwig in Köln ein.

Die Ausstellung

In meinem langen Leben als Fotokunstkritikerin ist es mir zuvor noch nie passiert, dass ich am Eingang einer Ausstellung meine Schuhe gegen Museumspantoffeln eintauschen musste. Diese Erfahrung war eine Premiere und sofort verständlich, als meine Füße in den weißen Flauschteppich eintauchten. Grace Ndiritu hat hier nicht nur Bilder an die Wände gehängt, sie hat ein räumliches Gesamtwerk konzipiert. Aus ihrer Liebe zu Textilem, Design und Architektur hat sie einen Parcours mit Stellwänden und eben diesem Teppich entworfen, der angelehnt ist an Weltausstellungen, kalifornische Häuser und Museumseinrichtungen der 1950er Jahre. Ihre Inspirationsbrunnen waren die Weberin Anni Albers, die Fotografin Tina Modotti und die Malerin Georgia O’Keeffe.

Ausgangspunkt für Grace Ndiritu’s Arbeit mit den Archivbeständen des FOMU ist ihre Arbeit „A Quest For Meaning“ (2014), in der sie assoziativ Fotografien zusammengestellt hat, um eine universelle Schöpfungsgeschichte zu erzählen. Diese unkonventionelle Arbeitsweise hat das FOMU neugierig gemacht, was die Künstlerin wohl aus dem Archiv zu Tage fördern würde. In Museumsarchiven schlummern Schätze, die nie das Tageslicht sehen, da sie in den üblichen akademischen Ausstellungen oft keine Platz finden, sei es thematisch, zeitlich oder weil das Archiv zu wenig Bestände von den Künstlern hat. Grace Ndiritu ist eingetaucht in die Bilderwelt des Archivs und hat die dort präferierten Fotografien verschiedenen Themen zugeordnet, wie „Reisen, Sonne, Pflanzen, Objekte“, „Abstract, Afrika, Stillleben, Tier, Farbe, Textil“, „Interieure, Landschaften, Exterieurs, Kristalle“ sowie „Weben und Stoffe“. In sich sehr breit gefächerte Themengebiete, die sie als einen Fluss an Komposition, Grafik, Form wie die Komposition eines Musikstücks präsentiert. Unter den Künstlern entdeckt man international bekannte Namen wie An Ray, Paul Strand, Erna Lendvai-Dircksen, Wolfgang Tillmans, Edward Weston, Rinko Kawauchi, Tina Modotti, Robert Adams und Willy Ronis, aber auch hervorragende belgische Fotografen wie Flip Tas, Vincent Delbrouck, Paul Kooiker, Dirk Braeckman, Vincent Delbrouck, Herman van den Boom, Willy Kessels, Nadine Tasseel, Geert Goiris und Wim Wauman. Bewusst sind auf den ausgewählten Fotografien keine Personen zu sehen, der Besucher steht für die menschliche Anwesenheit.

Die große Attraktion ist das „Kaiserpanorama“, ein hölzerner runder Guckkasten, der 1905 von Joseph Maes für 25 Neugierige entworfen wurde und der 50 Stereoglaspositive mit einem automatischen Bildwechsel zeigt. Ursprünglich war er für den Zoo bestimmt, aber nun – nach über 10 Jahren Restauration – wird das außergewöhnliche Objekt erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.

Für mich war es ein inspirierend komponierter Spaziergang, und ob man der schamanistischen Seite der Künstlerin nachfolgen kann, bleibt dem Besucher überlassen.

Die Ausstellung von Grace Ndiritu, „Reimagines the FOMU collection ist noch bis 25. Februar zu sehen. Sie ist nur eine der laufenden Ausstellungen des Hauses.

Adresse: Waalsekaai 47, 2000 Antwerpen Geöffnet Di-So, 10.00 bis 18.00 Uhr www.fomu.be

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