
Von Reinhard Boest
47 Milliarden Euro sollen 2026 in Belgien für Gesundheit ausgegeben werden. Aber gleichzeitig müssen 470 Millionen Euro eingespart werden. Das trifft alle Bereiche.
Die Föderalregierung ist immer noch auf der Suche nach einem Kompromiss für den Haushalt 2026. Premierminister Bart De Wever und seine Stellvertreter von den Koalitionspartnern tagen gefühlt in Permanenz im sogenannten „Kern“, aber weißer Rauch ist noch nicht in Sicht. De Wever musste seine Haushaltsrede in der Kammer schon zweimal verschieben, und manche sehen schon die erste richtige Regierungskrise heraufziehen.
Für einen wichtigen Bereich gibt es seit Anfang dieser Woche dagegen schon konkrete Zahlen: der Verwaltungsrat des Nationalen Instituts für Kranken- und Invalidenversicherung (INAMI/RIZIV) hat das Gesundheitsbudget für das Jahr 2026 beschlossen. Er beläuft sich auf knapp 47 Milliarden Euro, davon entfallen rund 41 Milliarden Euro auf Erstattungen für Gesundheitsleistungen. Gegenüber 2025 steigen die Honorare und Tarife um 2,72 Prozent.
Seit Februar hatten im Verwaltungsrat die Vertreter von Krankenkassen, Arbeitgebern, Gewerkschaften und Gesundheitsministerium daran gearbeitet. Die Regierung hatte als Ziel vorgegeben, die Gesundheitsausgaben durch „proaktive Maßnahmen nachhaltig unter Kontrolle zu halten, ohne den Zugang zu Gesundheitsleistungen oder qualitative Einbußen zu riskieren. Dazu hatte der föderale Gesundheitsminister ©Frank Vandenbroucke, ein flämischer Sozialist, mit den beteiligten Anbietern – vor allem Ärzte, Krankenhäuser, Arzneimittelsektor – Gespräche geführt. Am Ende setzten sich seine Vorstellungen durch, denn die anderen Mitglieder des Verwaltungsrats konnten sich nicht auf eine gemeinsame Position einigen.
Schon jetzt ist absehbar, dass die im Jahr 2026 verfügbaren Mittel nicht ausreichen werden. Der Beschluss geht von einem Einsparbedarf von 470 Millionen Euro aus, der mit konkreten Beträgen auf die verschiedenen Sektoren verteilt wird. Die größten Einsparvorgaben treffen den Pharmabereich (228 Millionen Euro) und die ärztliche Versorgung (145,6 Millionen Euro). Die Krankenhäuser müssen 50 Millionen Euro beitragen, die häusliche Pflege 12 Millionen Euro. Auf die anderen acht Bereiche (von Kinesitherapeuten über Zahnärzte bis Hebammen) entfallen jeweils deutlich unter 10 Millionen Euro.
Medikamente: Höhere Zuzahlung, weniger Antibiotika
Am augenfälligsten für Patientinnen und Patienten ist die Erhöhung der Zuzahlung („ticket modérateur“) für Medikamente, für die es eine Erstattung durch die Krankenkasse gibt. Künftig soll sie für jede abgegebene Packung mindestens 2 Euro betragen, 1 Euro für bedürftige Personen, für die ein erhöhter Erstattungssatz gilt (BIM). Die erwarteten zusätzlichen Einnahmen in Höhe von 26 Millionen Euro sollen dazu dienen, neue innovative Medikamente erschwinglicher zu machen.
Stark eingeschränkt wird ab 2026 die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln gegen Magensäure, die inzwischen ein Fünftel der Belgierinnen und Belgier regelmäßig einnimmt. Zwischen 2004 und 2017 hat sich der Verbrauch verdreifacht, und er steigt weiter. Die Medikamente werden oft über einen zu langen Zeitraum eingenommen und schaden dadurch der Gesundheit mehr als sie nutzen. Die Einsparung wird mit fast 54 Millionen Euro beziffert. Weitere 29,4 Millionen Euro Einsparung verspricht man sich durch einen effizienteren Einsatz von Statinen (Arzneimittel gegen Cholesterol).
Mit Blick auf die zunehmende Antibiotika-Resistenz und die damit verbundenen Gesundheitsgefahren soll gegen einen übermäßigen Verbrauch dieser Medikamente vorgegangen werden. Oft enthalten die verkauften Packungen mehr Tabletten, als für die konkrete Behandlung erforderlich sind. Reste werden dann zuweilen für riskante Über- oder Selbstmedikation eingesetzt. Künftig sollen Apotheken Antibiotika nur in der für den konkreten Einsatz erforderlichen Menge abgeben. Das erfordert gegebenenfalls individuelle Verpackungen, für die die Apotheke eine gesonderte Vergütung erhalten soll. 3,3 Millionen Euro sollen dafür eingesetzt werden.
Keine höhere Zuzahlung beim Arzt, aber weniger teure Untersuchungen
Unverändert bleibt der Betrag für das „ticket modérateur“ für einen Termin beim Hausarzt bei 4 Euro und beim Facharzt bei (in der Regel) 12 Euro. Der Ärzteverband AbSym hatte sich für eine Erhöhung um 1 Euro eingesetzt, was aber am Widerstand der Krankenkassen scheiterte. Für die Leistung der Hebammen wird dagegen erstmals eine Zuzahlung eingeführt.
Die Sparvorgabe in Höhe von 150 Millionen Euro für ärztliche Behandlungen soll zu einem großen Teil durch Einschränkungen und Effizienzsteigerungen in der Radiologie und Chirurgie erreicht werden. Das betrifft etwa Computertomografien, Elektrokardiogramme oder Ultraschall-Untersuchungen. In der klinischen Biologie ebenso wie bei Operationen des Grauen Stars sollen durch die Anpassung von Pauschalen erhebliche Mittel eingespart werden. Und anscheinend wird in Belgien zu oft und zu schnell bei Rückenbeschwerden operiert.
Das für den Krankenhausbereich vorgesehene Einsparvolumen von 50 Millionen Euro ist bisher noch gar nicht konkretisiert. Das sollen die Beteiligten im ersten Halbjahr 2026 ausarbeiten. Potentiale werden vor allem bei den Tageskliniken und einer effizienteren Struktur der Krankenhauslandschaft gesehen. Die Bettenzahl für die Akutversorgung könne bei 2030 um 8 Prozent sinken.
Die Interessenvertretungen aller betroffenen Leistungserbringer haben sich – wenig überraschend – unzufrieden mit den beschlossenen Maßnahmen geäußert und vor Problemen bei der Versorgung oder zurückgehenden Investitionen in neue Medikamente gewarnt. Minister Vandenbroucke geht davon aus, dass mit dem Beschluss des Verwaltungsrats der INAMI/RIZIV der Gesundheitshaushalt für 2026 in trockenen Tüchern ist. Aber wer weiß: vielleicht wird er im Rahmen des Gesamthaushalts 2026 noch einmal “nachgebessert”?
Detaillierte Darstellung der geplanten Maßnahmen:
https://www.inami.fgov.be/SiteCollectionDocuments/INAMI_CGSS_2025.pdf







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