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Auf zur Europawahl am 9. Juni!

Was deutsche und österreichische Bürgerinnen und Bürger – ab 16 Jahren – in Belgien beachten sollten

Von Michael Stabenow

Am 9. Juni werden in Belgien nicht nur die Abgeordneten des föderalen und der regionalen Parlamente, sondern auch des Europäischen Parlaments gewählt. Über die künftig 22 (bisher 21) Mitglieder des Parlaments dürfen auch die in Belgien lebenden EU-Ausländer mitentscheiden. Voraussetzung ist, dass sie sich bis zum 31. März in die Wählerliste eintragen lassen und einen entsprechenden Antrag eingereicht haben (EU-BÜRGER IN BELGIEN? | Wahlen Belgien 2024 – FOD Inneres – Direktion der Wahlangelegenheiten (belgium.be)).

Seit 1999 können in einem anderen Mitgliedsland lebende Bürgerinnen und Bürger dort das Stimmrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament ausüben. Nehmen sie dieses Recht wahr, dürfen sie natürlich ihre Stimme nicht auch in ihrem Herkunftsland abgeben. In Belgien lebende deutsche und österreichische Staatsbürgerinnen und -bürger können sich aber dafür entscheiden, ihre Stimme in ihrem Heimatland – und nicht in Belgien – abzugeben. Die Voraussetzungen dafür finden sich unter diesen Links: Deutsche im Ausland – Die Bundeswahlleiterin sowie Aktive Wahlberechtigung bei Europawahlen (oesterreich.gv.at). Ist man bereits in Belgien eingeschrieben, möchte aber für die Europawahl 2024 doch lieber im Heimatland abstimmen, kann man bei seiner Gemeinde die Streichung aus dem Wählerverzeichnis beantragen. Der Antrag muss vor dem 1. April 2024 gestellt werden (gleiche Frist wie für die Eintragung).

Wahlberechtigt sind in allen drei Ländern alle Bürgerinnen und Bürger, die am Stichtag des 9. Juni das 16. Lebensjahr vollendet haben. In Deutschland führt dies zum Beispiel dazu, dass sich die Zahl der Wahlberechtigten um rund 1,4 Millionen auf dann gut 62,6 Millionen erhöhen wird. Wer sich in Belgien einmal in das Wählerverzeichnis eingetragen hat, muss dies bei nachfolgenden Wahlen kein zweites Mal tun und erhält dann automatisch die Aufforderung zur Teilnahme an der Wahl.

Genau genommen ist es mehr als „eine Aufforderung“, da in Belgien grundsätzlich – auch für die in die Wählerlisten eingetragenen Bürgerinnen und Bürger – Wahlpflicht herrscht. Ausgenommen davon sind jedoch die 16 bis 18 Jahre alten Jugendlichen, die im Juni erstmals ihre Stimme abgeben dürfen. In der Praxis hat ein Verstoß gegen die für ältere Bürgerinnen und Bürger geltende Wahlpflicht meist keine Folgen.

Dennoch ist die Wahlbeteiligung in Belgien wegen der Wahlpflicht höher als in den meisten anderen Ländern. Hinzu kommt, dass sich Wählerinnen und Wähler mit der belgischen Staatsangehörigkeit ohnehin in die Stimmlokale begeben müssen (oder zumindest sollten), da gleichzeitig die Mitglieder der Abgeordnetenkammer und der insgesamt vier regionalen Parlamente Flanderns, Walloniens, der Hauptstadtregion Brüssel und der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens gewählt werden.

Wegen der Wahlpflicht sind auch Gedankenspiele zu relativieren, ob eine Stimme in Deutschland „weniger wert“ ist als in Österreich oder Belgien. Allerdings: Setzt man die Bevölkerungszahl und die Anzahl der Europaabgeordneten ins Verhältnis, dann entfallen in Deutschland (96 Abgeordneten) auf jeweils einen Sitz rund 875000, in Belgien (22 Abgeordnete) rund 530000 sowie in Österreich (21 Abgeordnete) „nur“ 455000 Einwohner.

Entsprechend der vom Deutschen Bundestag im vergangenen Jahr beschlossenen Neuregelung sind die Hürden für den Einzug von Parteien wegen der „Zweiprozentklausel“ zwar höher, aber weiterhin deutlich niedriger als in Österreich und vor allem in Belgien. In Österreich gilt eine Sperrklausel von vier Prozent – da es aber nur 21 Sitze gibt, beträgt sie de facto 4,75 Prozent.

Noch höher ist die Sperrklausel de facto in Belgien, da über die 22 Abgeordneten in drei verschiedenen Wahlbezirken entschieden wird. Die in die niederländischsprachigen Wählerlisten (in Flandern und Brüssel) eingetragenen Bürgerinnen und Bürger entsenden 13 Abgeordnete. Auf französischsprachige Listen (in Wallonien und Brüssel) entfallen acht Abgeordnete. Die Deutschsprachige Gemeinschaft schickt einen Abgeordneten nach Straßburg. In der Praxis bedeutet dies, dass dieser nicht gemäß dem eigentlich üblichen Verhältnis-, sondern entsprechend dem Mehrheitswahrecht gewählt wird. Der derzeitige deutschsprachige Abgeordnete Pascal Arimont, Mitglied der zur Europäischen Volkspartei (EVP) gehörenden Christlich Sozialen Partei (CSP) und seit 2014 Europaparlamentarier, wird im Juni ein weiteres Mal antreten.

Während der frühere belgische Premierminister und ehemalige liberale Fraktionsvorsitzende Guy Verhofstadt nicht wieder kandidieren wird, dürften die Reihen der künftigen 22 belgischen Abgeordneten mit manchen „alten Bekannten“ gespickt sein. Spitzenkandidat der französischen Liberalen (MR) ist der derzeitige EU-Ratspräsidenten und frühere belgische Regierungschef Charles Michel. Sein Vorgänger im Amt des Premierministers, der derzeitige wallonische Ministerpräsident Elio di Rupo, will für die französischsprachigen Sozialisten (PS) in das Europ^äische Parlament einziehen.

Spitzenkandidat der inzwischen unter „Vooruit“ firmierenden flämischen Schwesterpartei ist deren früherer Vorsitzender Bruno Tobback. Auch für die flämischen Christdemokraten (CD&V) tritt mit Wouter Beke ein ehemaliger Parteichef an. Eine im Parlament seit langem profilierte Abgeordnete ist die Niederländerin Sophie in´t Veld. Nach ihrem Austritt aus der linksliberalen Partei D66 in ihrer Heimat ist sie jetzt Spitzenkandidatin der besonders pro-europäischen Partei “Volt” im niederländischsprachigen Wahlbezirk. Ihre Aussicht auf einen der 13 Sitze des Bezirks wird jedoch derzeit als gering eingestuft.

 

 

One Comment

  1. Wolfgang Gaede, eh. Beamter im Ratssekretariat

    Du
    Würde gerne mit M. Stabenow. über einige Aspekte der Europawahl sprechen , auch am Telefon, die nach meiner Erfahrung wichtig sind.

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