Von Lawrence Murray
Jedes Jahr am ersten Samstag im August veranstaltet die Stadt Antwerpen die Museumsnacht. An diesem Abend öffnen die Museen und Kultureinrichtungen der Stadt ihre Türen in der Zeit von 19 Uhr bis 1 Uhr nachts. Mit einer einzigen Eintrittskarte können die Besucher alle teilnehmenden Einrichtungen besuchen und ein speziell zusammengestelltes Programm genießen, daa nur in dieser Nacht angeboten wird.
Obwohl offizielle Besucherzahlen für die diesjährige, mittlerweile 18. Museumsnacht schwer zu erhalten sind, erwies sie sich erneut als großer Erfolg. In den Straßen Antwerpens wimmelt es nur so von Menschen, die von einem Museum zum anderen ziehen und jene quirlige Atmosphäre erzeugen, die entsteht, wenn Menschen zusammenkommen, um der Kultur zu huldigen. Die Veranstaltung unterstreicht das Engagement der Stadt für die Kultur und ihr Bestreben, die Einwohnerinnen und Einwohner zur Auseinandersetzung mit Kunst zu ermutigen. Mehrere Faktoren tragen zur Attraktivität der Museumsnacht bei. Der Zutritt zu allen teilnehmenden Museen macht die Veranstaltung kostengünstig und sorgt dafür, dass auch Menschen die Einrichtungen besuchen, die das vorher vielleicht nicht in Betracht gezogen haben. Exklusive Programme, die nur an diesem Abend angeboten werden, erhöhen die Attraktivität. Außerdem wird die Veranstaltung aufgrund ihrer Beliebtheit zu einem gesellschaftlichen Ereignis, bei dem sich Freunde treffen, um den Abend gemeinsam zu verbringen. In den Cafés und auf den Plätzen der Stadt tummeln sich viele Gruppen, die das Gefühl des gemeinschaftlichen Erlebens noch verstärken.
In diesem Rückblick werde ich einige der Museen und Einrichtungen, die ich besucht habe, vorstellen und meine Eindrücke schildern, wie sie ihre Sammlungen präsentiert haben:
Plantin-Moretus-Museum
Während der Museumsnacht stach das zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Plantin-Moretus-Museum hervor – sowohl innen als auch außen. Dies wurde durch Lichtinstallationen erreicht. Damit kann ein Museum bei Nacht hervorragend Effekte erzielen – eigentlich sollte jedes Museum solche Möglichkeiten nutzen. Die beleuchtete Fassade des Museums, das auch mit Antwerp Pride verbunden ist, hob es von den anderen teilnehmenden Museen deutlich ab. Sie sorgte dafür, dass das Museum gut wiedererkennbar und unverwechselbar blieb. Der historische Innenhof wurde durch eine bezaubernde Lichtinstallation in eine magische Welt verwandelt. Dies sprach Besucher aller Altersgruppen an und regte Vorstellungskraft, Kreativität und Neugierde an. Diese Mischung aus Fantasie und historischem Ambiente ermöglichte es den Besuchern, ihre eigenen Geschichten zu erfinden, die durch die reiche Sammlung von Büchern und Geschichten des Museums inspiriert wurden.
Die um die Säulen gewickelten Lichter schufen eine beeindruckende Atmosphäre, die den Garten und das Haus in ein sanftes, ätherisches Licht tauchte. Diese moderne Installation stand nicht im Widerspruch zur historischen Architektur des Gebäudes, sondern zeigte, wie moderne Elemente historische Orte aufwerten können. In ihrer Kombination schufen sie ein einzigartiges und unvergessliches Erlebnis. Das abendliche Konzert und Aktivitäten wie das Sticken (in einem Raum, der mit wunderschönen flämischen Wandteppichen bedeckt war) bereicherten das Erlebnis zusätzlich. Das Konzert sorgte für eine beachtliche Menschenmenge auf dem Freitags-Markt (Vrijdagmarkt) und verstärkte somit die Verbindung zwischen dem Museum und dem historischen Marktplatz. Dadurch wurde die örtliche Bedeutung des Museums unterstrichen und die Antwerpener ermutigt, sich mit ihrem kulturellen Erbe auf ansprechende Weise zu beschäftigen.
M HKA – Museum für zeitgenössische Kunst
Neben dem Museum Plantin-Moretus zeigte sich das M HKA als weiterer Höhepunkt meiner abendlichen Erkundungstour. Die aktuelle Ausstellung “The Lives of Animals” ist eine tiefgründige und visuell fesselnde Untersuchung der komplizierten und vielschichtigen Beziehung zwischen Menschen und dem Tierreich. Durch die Linse der zeitgenössischen visuellen Kunst erforscht die Ausstellung die Komplexität unserer Interaktionen mit Tieren und provoziert einen anhaltenden öffentlichen Dialog. Die teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler hinterfragen die seit langem vertretene Auffassung von der “menschlichen Ausnahmestellung”, indem sie die oft übersehene Kontinuitäten zwischen Mensch und Tier hervorheben.
Die Ausstellung führt die Besucher auf eine evolutionäre Reise – sowohl im natürlichen Sinne als auch im breiteren Kontext des gesellschaftlichen Diskurses. Sie lädt uns ein, zu überdenken und neu zu definieren, was es bedeutet, ein Mensch zu sein. Es ist eine notwendige Reflexion über die Verbundenheit aller Lebewesen, die uns zwingt, uns mit den ethischen und philosophischen Fragen auseinanderzusetzen, die unser Verständnis von Menschlichkeit prägen. Die Ausstellung begann mit vertrauten Darstellungen von Tieren – Karikaturen, Fotografien und den Assoziationen, die wir mit bestimmten tierischen Merkmalen verbinden. Im weiteren Verlauf der Ausstellung begannen sich jedoch die Grenzen zwischen Tier, Mensch und Natur
Tomás Saraceno – Galaxien auf Saitenselbst aufzulösen. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für diese thematische Verwischung waren Panamarenkos kinetische Hühnerskulpturen, die einen Reflexionspunkt innerhalb des Museumsnacht-Programms von M HKA bildeten. Diese mechanischen Hühner, die aus Metall gefertigt sind und deren elektronische Komponenten freigelegt sind, laufen im Stundentakt. Dennoch widersprechen sie konventionellen Vorstellungen von Robotik; sie sind keine sterilen, futuristischen Maschinen. Stattdessen sind diese Gebilde aus Metall und Drähten unmittelbar als Hühner zu erkennen, und das Thema rief fast instinktiv eine Betrachtung der uralten philosophischen Frage hervor: “Was war zuerst da, das Huhn oder das Ei?” Den Abschluss der Ausstellung bildete eine Installation, die jede Ähnlichkeit mit der natürlichen Welt vollständig aufhob. Was blieb, waren Konstruktionen aus Metall, Drähten und Kunststoff, die fast keinen tierischen Bezug mehr hatten. Doch M HKA animiert den Betrachter, das Organische in diesen mechanischen Formen zu sehen. Könnten diese Formen außerirdisches Leben, die Bausteine des Lebens oder vielleicht die Zukunft der Menschheit darstellen?
Tomás Saraceno – Galaxien auf Saiten
Diese anregenden Fragen sind besonders relevant in einer Zeit, in der die Betonung des “Natürlichen” schwindet und künstliche Technologien Teil unseres täglichen Lebens werden. Der starke Kontrast zu den früheren Darstellungen lebender Organismen führt uns vom Vertrauten zum Abstrakten und stellt unsere Vorstellungen von dem, was als natürlich gilt, in Frage. Er lässt uns über die fragilen Grenzen und Beziehungen zwischen dem Lebendigen und dem Aufkommen des Künstlichen nachdenken – und darüber, wo wir als Menschen dazwischen stehen.
Ich bin ein großer Fan von Museen, die Ruhepunkte einrichten, denn sie bieten den Besuchern die Möglichkeit, das gerade Erlebte zu reflektieren und zu verarbeiten. Diese Momente sind wichtig, um ein Museum oder eine Ausstellung voll und ganz zu genießen, vor allem, wenn man mit großen Sammlungen und noch größeren Räumen konfrontiert ist, die einen leicht überwältigen können. Diese geschützten Bereiche werden zu Zufluchtsorten innerhalb des Museums und bieten den Besuchern eine kurze Flucht aus dem ständigen Informationsfluss.
Für die einen sind diese Räume eine dringend benötigte Pause, für die anderen ein fruchtbarer Ort für lebhafte Debatten mit anderen Besuchern. Bedauerlicherweise übersehen viele Museen die Bedeutung dieser Ruheplätze, oder wenn sie ihre Bedeutung erkennen, investieren sie oft nicht die nötige Zeit und Kreativität, sie wirklich ansprechend zu gestalten. Das M HKA hat jedoch den hohen Wert dieser Räume erkannt und mit einer genialen Lösung darauf reagiert. So wird ein ganzer Raum in einen Campingplatz verwandelt, komplett mit Zelten, Bäumen, Sternen und einem projizierten Mond an der Decke, alles begleitet von Umgebungsgeräuschen. Der Eingang zu diesem Raum trug die einladenden Worte “Für die Nachtschwärmer”, eine Anspielung auf diejenigen, die sich auf eine nächtliche Kulturreise durch die Stadt begeben hatten. Dieser brillant konzipierte Raum war nicht nur ein Ruhebereich, sondern ein umfassendes Erlebnis, das das Abenteuer des Abends noch verstärkte. Er ist ein Beispiel dafür, wie ein Museum über die bloße Ausstellung von Kunst hinausgehen und eine Umgebung schaffen kann, die das gesamte Erlebnis des Besuchers fördert und es ebenso unvergesslich und bereichernd macht wie die Ausstellungen selbst.
FOMU – Fotomuseum Antwerpen
Die Museumsnacht war für mich die ideale Gelegenheit, endlich das FOMU zu erkunden, ein Museum, das ich bisher noch nicht besucht hatte. Als ich es betrat, war ich sofort von seiner ansprechenden und durchdachten Atmosphäre beeindruckt. Das FOMU präsentierte eine Vielzahl von Ausstellungen, von denen jede den Besucher zu einer Reise durch ihre einzigartige Geschichte einlud. Die umfangreichen Möglichkeiten erlaubten es den Besuchern, den Museumsbesuch auf ihre individuellen Interessen zuzuschneiden, so dass jeder seinen persönlichen Zugang zur Kunst entwickeln konnte. Wie das M HKA hatte auch das FOMU mehrere ausgewiesene Zonen zum Sitzen und Entspannen eingerichtet, die die Besucher einluden, im Museum zu verweilen und über das Gesehene nachzudenken. Obwohl die Ausstellungen nicht ausschließlich für die Museumsnacht konzipiert wurden, bereicherte das FOMU den Abend mit verschiedenen Aktivitäten. Unter ihnen stach ein besonders inspirierendes Angebot hervor: Die Besucher waren eingeladen, sich ein temporäres Tattoo auszusuchen, wobei jedes Design aus dem reichen Schatz von Wandteppichen aus dem belgischen Kulturerbe stammt, der in den Ausstellungen gezeigt wurde. Diese Initiative erfreute sich großer Beliebtheit, und die Teilnehmer standen Schlange, um ein Kunstwerk auf ihrer Haut tragen zu können. Die Genialität dieser Idee lag in ihrer Einfachheit und Wirksamkeit – diese temporären Tattoos wurden nicht nur zu persönlichen Erinnerungsstücken, sondern auch zu mobilen Werbeträgern für das Museum selbst. Als die Menschen mit diesen kleinen Kunstwerken durch die Straßen Antwerpens liefen, ergaben sich ganz natürlich Gespräche mit Passanten, die sich erkundigten: “Woher haben Sie das?” Die Tattoos, einfach und doch einprägsam, erwiesen sich als längerfristige Verbindung zum FOMU, die die Besucher – eingeprägt auf deren Haut – noch Tage später an den Museumsbesuch erinnerte.
Museum Mayer van den Bergh
Sowohl das Plantin-Moretus-Museum als auch das Mayer van den Bergh-Museum sind historische Gebäude, die zugleich als Museen dienen. Dadurch entsteht eine faszinierende Dynamik, bei der die Architektur und Geschichte des Gebäudes selbst Teil der kulturellen Erzählung werden, die sie bewahren. Während der Museumsnacht war es interessant, die Ansätze dieser beiden Institutionen zu beobachten und zu vergleichen. Beide boten Schnellführungen an, doch bei Mayer van den Bergh konnte ich keine wesentlichen Änderungen in der Präsentation oder Interpretation der Sammlung feststellen, die speziell auf den Abend zugeschnitten waren. Allerdings zeichneten sie sich durch die Organisation eines ansprechenden Workshops aus, der auf die ständige Sammlung bezogen war.
Die Besucher waren eingeladen, gebrauchtes Porzellan zu verschönern: Teller mit Aufklebern, die von Elementen aus Brueghels Gemälden inspiriert waren – Schätze aus der Sammlung Mayer van den Bergh. Diese kreative Aktion war auch eine subtile Hommage an die exquisite Tellersammlung des Museums, ein Aspekt des Hauses, der Besucherinnen und Besuchern oft entgeht. Ähnlich wie beim FOMU konnten sie bei dieser Initiative ein persönliches Andenken an ihr Erlebnis mit nach Hause nehmen. Dieser Ansatz ist ein wirksames Mittel, um sicherzustellen, dass das Museum noch lange nach dem Verlassen seiner Säle in den Köpfen seiner Besucher verweilt. Das Museum verwandelt sich von einem Ort der passiven Betrachtung in einen Ort der aktiven Teilnahme und des dauerhaften Engagements.
Heritage Library Hendrik Conscience
Wie das Plantin-Moretus-Museum hat auch die Heritage Library Hendrik Conscience den umgebenden Raum meisterhaft in die Museumsnacht integriert, und verwandelte den Hendrik-Conscience-Platz in ein pulsierendes Zentrum kultureller Aktivitäten. Im Inneren der Bibliothek wurde der Abend durch eine Vielzahl von Aktivitäten bereichert. Auf einer Bühne traten Dichter auf, die den Büchern aus der umfangreichen Sammlung der Bibliothek Leben einhauchten. Durch gesprochene Worte und Verse schien die Literatur, die die Regale der Bibliothek füllt, aus den Seiten heraus zu springen und mit dem Publikum in Echtzeit in Kontakt zu treten. Diese Verschmelzung von Poesie und Ort schuf eine lebendige Erzählung, die die anhaltende Bedeutung der Bibliotheksschätze hervorhob.
KMSKA – Königliches Museum der Schönen Künste Antwerpen
Das KMSKA – Königliches Museum der Schönen Künste Antwerpen – verwandelte sich während der Museumsnacht mit Discomusik und Partystimmung in ein lebendiges soziales Zentrum. Die Atmosphäre war elektrisierend und machte das Museum nicht nur zu einem Ort des Kunstgenusses, sondern auch zu einem lebendigen Treffpunkt, an dem Menschen zusammenkommen und in einem festlichen Rahmen Kultur feiern konnten. Obwohl ich nicht genug Zeit hatte, um das umfangreiche Programm vollständig zu erkunden, war klar, dass das KMSKA eine Vielzahl von Aktivitäten organisiert hatte, um die Besucher zu begeistern. Wie immer war ich von der Zusammenstellung der Ausstellungen – sowohl der Wechselausstellungen als auch der Dauerausstellungen – beeindruckt. Die sorgfältige Auswahl und Präsentation der ausgestellten Werke setzt weiterhin einen hohen Standard und zeigt das Engagement des Museums für hervorragende Leistungen. Ich wünschte nur, ich hätte mehr Zeit, um mich voll und ganz auf das reichhaltige Angebot des Museums einzulassen, das mich immer wieder aufs Neue inspiriert und fesselt.
Alle Fotos: Lawrence Murray
Van harte dank voor deze bijzonder boeiende zending.
Een bijzonder informatie tekst die ons meteen de kans gaf om mee de wandeling te maken op deze Museumnacht. Door omstandigheden moesten we die namelijk aan ons laten voorbijgaan. Dank daarvoor.