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Von Michael Stabenow
Georges-Louis Bouchez hat es wieder einmal geschafft, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Wird er der vom flämischen Nationalisten Bart De Wever geleiteten belgischen Arizona-Koalition als Minister angehören oder nicht? Mit dieser Frage spannte der Parteichef der französischsprachigen Liberalen (MR) die Öffentlichkeit bis kurz vor acht Uhr am Montagmorgen auf die Folter – gut eine Stunde vor dem geplanten Beginn der Vereidigung der 16 Regierungsmitglieder durch König Philippe im Brüsseler Stadtschloss.
Kurz vor acht meldete sich Bouchez am Montag im französischsprachigen Hörfunksender RTBF telefonisch zu Wort. Er werde nicht in die Regierung eintreten, sondern weiter die Partei führen. Das was insofern überraschend, als sich am Sonntag die Anzeichen verdichtet hatten, dass der 38 Jahre alte studierte Jurist einer der fünf Stellvertreter De Wevers sowie Innenminister werden sollte und dies – im Widerspruch mit den MR-Verhaltensregeln – dem Amt des Parteichefs kumulieren werde.
Für Irritationen hatte zudem die Perspektive gesorgt, dass mit Bouchez ein Politiker für die innere Sicherheit des Landes verantwortlich werden könne, der nur lückenhaft die niederländische Sprache beherrscht. Was den oft impulsiv wirkenden Politiker letztlich zum Sinneswandel bewogen hat, blieb zunächst im Dunkeln.
Der RTBF sagte Bouchez, vorstellbar gewesen sei es, einen MR-Interimsvorsitzenden an seiner Stelle zu berufen. Dann führte er jedoch aus: „Ich kenne meine Persönlichkeit. Wenn es darum gegangen wäre, jemanden an mein Stelle zu setzen und alles hinter ihm instrumentalisieren zu wollen, dann wäre dies wieder ehrlich noch respektvoll gegenüber der Person und den Wählern gewesen.“
Immerhin gab Bouchez preis, dass – im Gegensatz zu der bis unmittelbar vor der Verteidigung im Ungewissen gelassen belgischen Öffentlichkeit – die vier MR-Minister und der königliche Palast über die Personalentscheidungen noch am Vorabend informiert worden seien. Da es dem MR-Politiker ein weiteres Mal gelungen war, anderen die Schau zu stehlen, war das Personaltableau der neuen Regierung etwas in den Hintergrund gerückt. Am Montag gab es dann das übliche Foto mit Staatsoberhaupt König Philippe: ein Gruppenbild mit wenig Damen – und ohne Georges-Louis Bouchez.
In der Nacht zum Sonntag hatten sich die Vorsitzenden der fünf Arizona-Parteien, neben N-VA und MR die flämischen Sozialisten (Vooruit) und Christlichen Demokraten (CD&V) und die zentristische „Les Engagés“ – über die Ressortverteilung verständigt. Überraschungen bei der Besetzung der Ministerposten blieben dabei zunächst aus – bis am Abend der Sender RTBF berichtete, dass Bouchez vielleicht doch nicht der Regierung angehören werde.
Zu diesem Zeitpunkt war schon bestätigt worden, dass der 46-jährige „Les Engagés“-Vorsitzende Maxime Prévot als einer der fünf Stellvertreter De Wevers das Amt des Außen-, Europa- und Entwicklungshilfeministers übernehmen und den Posten des Parteichefs aufgeben werde. Die Partei entsendet außer ihrem Spitzenmann Prévot die 51 Jahre alte Vanessa Matz als Ministerin für Digitalisierung und Angelegenheiten der öffentlichen Hand in die Regierung. Außerdem übernimmt mit dem 62-jährigen Jean-Luc Crucke ein früherer MR-Politiker die Ressorts für Klimaschutz und Mobilität, der als Widersacher von Parteichef Bouchez galt.
Insgesamt zählt das Kabinett außer De Wever 14 Minister (jeweils zur Hälfte Niederländisch- und Französischsprachige), allerdings keine Staatssekretäre. Alle fünf Stellvertreter De Wevers, denen als Mitglieder des sogenannten Kern eine Schlüsselrolle in der Regierung zukommen wird, sind Männer; nur vier Kabinettsmitglieder sind Frauen. Auf einen Migrationshintergrund hinweisende Namen sucht man in der Liste der Ministerinnen und Minister vergeblich.
Im Amt des Vize-Premierministers sowie an der Spitze des Ressorts Gesundheitswesen wurde der flämische Sozialist Frank Vandenbroucke bestätigt. Er hatte diese Posten bereits in der Vivaldi-Koalition unter dem liberalen Premierminister Alexander De Croo seit 2020 inne. Anders als in Vivaldi-Koalition verzichteten die flämischen Sozialisten darauf, eine Frau aus ihren Reihen in die Regierung zu entsenden. Der weitgehend unbekannte, 45 Jahre alte Rob Beenders aus der Provinz Limburg übernimmt das Ressort für Verbraucherschutz, Chancengleichheit und Bekämpfung von Sozialversicherungsbetrug.
Vincent Van Peteghem von den flämischen Christlichen Demokraten (CD&V) bleibt weiter einer der stellvertretenden Regierungschefs. Der 44 Jahre alte Politiker war bisher für Finanzen zuständig und wird nun das Haushaltsressort leiten. Seine zwei Jahre ältere Parteifreundin Annelies Verlinden wechselt vom Innen- in das Justizressort.
Nachfolger Van Peteghems als Finanzminister sowie einer der Stellvertreter De Wevers wird der frühere flämische Ministerpräsident Jan Jambon, der auch für die Rentenpolitik zuständig sein wird. Der verbindlich auftretende 64 Jahre alte N-VA-Politiker war zwischen 2014 und 2018 bereits belgischer Innenminister sowie stellvertretender Premierminister.
An der politisch rechten Flanke der neuen Regierung steht der neue, auch für Außenhandel zuständige Verteidigungsminister Theo Francken (N-VA). Der 46 Jahre alte, gerne – auch auf Französisch – flotte Sprüche klopfende Politiker, der sich zuletzt immer mehr in verteidigungspolitische Themen eingearbeitet hat, galt schon von 2014 bis 2018 als Staatssekretär für Asyl und Migration, als rechter Hardliner. “Wir müssen unser Land und den Westen wieder wehrhaft machen”, schrieb Francken am Sonntag auf dem Kurznachrichtendienst X. Das Ressort Asyl und Migration fällt jetzt an Franckens Genter 45-jährige Parteifreundin Anneleen Van Bossuyt.
Am Montagmorgen enthüllte MR-Chef schließlich die Namen der aus den Reihen der französischsprachigen Liberalen kommenden Kabinettsmitglieder. Weiterhin einer der stellvertretenden Regierungschefs bleibt der bisher insbesondere für Mittelstand und Landwirtschaft zuständige 49 Jahre alte Daniel Clarinval. Er übernimmt die Zuständigkeiten für Wirtschaft, Arbeit und Landwirtschaft. Die bisher von Clarinval wahrgenommene Befugnis für Mittelstandspolitik übernimmt die erst 27 Jahre alte, einer Brüsseler Politikerdynastie entstammende Eléonore Simonet.
Kein Unbekannter ist der 1971 geborene Bernard Quintin – ein Karrierediplomat, der seit der Berufung von Hadja Lahbib im vergangenen Herbst Außenminister war und nun, wohl bedingt durch den Verzicht von Bouchez auf den Eintritt in die Regierung, Innenminister wird. Als relativ unbeschriebenes Blatt gilt hingegen der 33 Jahre alte, aus Lüttich stammende MR-Politiker Mathieu Bihet, der künftig in der Regierung für die Energiepolitik zuständig sein wird.
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