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Der “europäischste” aller Neujahrsempfänge

     

Von Reinhard Boest

Es ist Plenarwoche des Europäischen Parlaments in Brüssel – damit volles Veranstaltungsprogramm für Empfänge aller Art, auch in den deutschen Landesvertretungen. An diesem Dienstag unter anderem die neue Tatort-Folge aus Köln bei NRW, der Neujahrsempang der Investitionsbank Schleswig-Holstein im Hanse-Office. Aber die europäischste Veranstaltung gab es in der Rue du Luxembourg: der gemeinsame Neujahrsempfang des Saarlands und der französischen Region Grand Est, die 2016 aus der Fusion von Elsass, Lothringen und Champagne-Ardennes entstanden ist.

Das Jugendstilgebäude, das die beiden Vertretungen seit vielen Jahren beherbergt, war gut gefüllt; Europaabgeordnete, Vertreter von Regionalbüros aus beiden Ländern und Mitarbeiter von EU-Insitutionen waren gekommen. Sie wurden begrüßt von Anne Sander, der Präsidentin des Europaauschusses des Regionalrats von Grand Est, und David Lindemann, dem Chef der Staatskanzlei und Europabebevollmächtigten des Saarlands.

Anne Sander blickte auf das Jahr 2024 zurück. Nach der Europawahl bleibe die Kohäsionspolitik ein zentrales Anliegen der Regionen, sowohl eine angemessene Ausstattung in der nächsten Förderperiode als auch eine Beteiligung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Programme. Dafür setze man sich in einem Netzwerk mit über 140 europäischen Regionen ein. Auch im 2025 neu zu besetzenden Ausschuss der Regionen werde das eines der wichtigsten Themen sein. “Grand Est-Europe”, ein Zusammenschluss von Departements, Städten, Universitäten und Kammern aus der Region, bleibe dafür mit seiner Vertretung in Brüssel ein wichtiger Akteur.

Als Vertreter des „französischten deutschen Bundeslandes“, das jetzt sogar Mitglied in der „Organisation de la Francophonie“ geworden sei, würdigte David Lindemann die enge Zusammenarbeit mit der Nachbarregion. Man habe nicht nur in Brüssel eine gemeinsame Vertretung, sondern auch in Paris, und seit einigen Jahren stehe Grand Est auch die Landesvertretung in Berlin als Stützpunkt zur Verfügung. Die deutsch-französische Achse müsse auch in der EU weiter eine starke Rolle spielen. Dafür setze sich Ministerpräsidentin Anke Rehlinger ein, als aktuelle Bundesratspräsidentin, aber auch als Kulturbeauftragte in den deutsch-französischen Beziehungen. In den vergangenen Tagen habe sie sich mit Besuchen in Paris und Warschau für eine Stärkung des Weimarer Dreiecks eingesetzt.

Lindemann konnte nicht umhin, sich auch zu der aktuellen deutschen Debatte über die Migrationspolitik zu äußern. Das Saarland sei als Grenzregion mehr als andere auf offene Grenzen angewiesen. In der Großregion, die sich über Deutschland, Frankreich, Luxemburg und Belgien erstrecke, pendelten 250.000 Menschen täglich über die Grenzen zur Arbeit. Die von einigen geforderten schärferen Kontrollen hätten daher gravierende wirtschaftliche Auswirkungen zur Folge. Außerdem erreiche man durch Zurückweisungen nichts, da die Abgewiesenen leicht etwas weiter über die grüne Grenze zurückkämen. Und für „wer sucht, der findet“ müsse man nicht an der Grenze kontrollieren. Auch für die wirtschaftlichen Perspektiven des Saarlands sei die Zusammenarbeit mit den Nachbarn elementar. Nachdem die „klassische“ Automobilindustrie sich verabschiedet habe und sich in der Elektromobilität die Hoffnungen derzeit nicht erfüllten, müsse die Stahlindustrie erhalten bleiben, und grünen Stahl könne man nur mit Wasserstoff aus Frankreich produzieren.

Ein gemeinsames Projekt steht für die beiden in 2025 noch an: der Umzug in eine neue Bleibe in Brüssel. In der Nähe des Rond Point Schuman werden sie ein neues Gebäude beziehen, das vielleicht nicht so schön ist wie in der Rue du Luxembourg, aber für die tägliche Büroarbeit einfach praktischer.

Der Abend klang aus mit angeregten grenzüberschreitenden Gesprächen, auch mit dem Getränk, für das die Region Grand Est bekannt ist: Champagner.

 

 

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