Von Heide Newson
Vom 23. bis 25. Januar stand Brüssel ganz im Zeichen der 16. Europäischen Weltraumkonferenz. Das jährliche hochrangige Treffen der wichtigsten Interessenvertreter der europäischen Raumfahrtbranche fand nicht wie in den Vorjahren im Egmont-Palast, sondern im Brüsseler Konferenzzentrum statt. Und wie bei den vorausgegangenen Veranstaltungen nahmen hochrangige Entscheidungsträger aus allen EU-Institutionen, der Mitgliedstaaten, der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) sowie Vertreter aus Industrie, Zivilgesellschaft und Forschung vor Ort und Online teil. Umlagert und gesuchter Gesprächspartner war der belgische Astronaut Raphael Liégeois, der als Belgiens dritter Raumfahrer gehandelt wird.
Weltraumbasierte Anwendungen sind heute wesentliche Grundlagen des gesellschaftlichen Alltags : Wettervorhersagen, Navigationsinstrumente, globale Klima- und Umweltbeobachtung, Katastrophen- und Krisenmanagement und die weltweite Kommunikation sind ohne Weltrauminfrastrukturen kaum mehr vorstellbar.
Auch in Belgien werden Satelliten und –anwendungen in zunehmendem Maße genutzt, sei es in der Wissenschaft, der Navigation, der Telekommunikation, der Erdbeobachtung oder der Naturgefahrenprävention und –bekämpfung. Belgien beteiligt sich an Weltraumaktivitäten insbesondere durch seine Mitgliedschaft in der ESA und die Teilnahme an deren Programmen. Das Engagement im Weltall lässt sich der belgische Staat einiges kosten. „Wir investieren ungefähr 300 Millionen Euro pro Jahr in die die Weltraumprogramme“, so Belgiens föderaler Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung Thomas Dermine.
Pro Kopf steuert Belgien mehr Geld zum europäischen Raumfahrtprogramm bei als alle anderen europäischen Länder, das sowohl für zivile oder militärische Zwecke verwendet werden kann. Die militärische Komponente der Weltraumnutzung müsse Europa so schnell wie möglich mit einbeziehen, da der Weltraum mittlerweile zur modernen Kriegsführung dazu gehöre. Als Beispiel nannte Dermine den Krieg in der Ukraine, wo Russland Satelliten gestört und angegriffen habe. Deshalb müsse die ESA, die bislang nur wissenschaftliche und zivile Programme verfolge, ihren Radius erweitern. Das sei wirklich notwendig, so der Staatssekretär weiter. Und da das kleine Belgien schon aus finanziellen Mitteln diese Ziele nicht alleine verwirklichen kann, und es bislang noch keine kohärente europäische Weltraumpolitik gibt, bemüht es sich um die Unterstützung von Nachbarländern wie Deutschland oder Frankreich. Aber diese tun sich schwer mit ihrer Entscheidung, entweder in nationale oder europäische Programme zu investieren.
Als Tor zur Entwicklung eines gemeinsamen europäischen Raumfahrtprogramms hat sich die im Jahr 1975 gegründete ESA bewährt. Ihre Aufgabe besteht darin, europäische Raumfahrtkapazitäten zu entwickeln und sicherzustellen, dass die Investitionen in der Raumfahrt den Bürgern Europas und weltweit zugutekommen. Dank der Koordinierung der Finanzressourcen und Kompetenzen ihrer Mitgliedstaaten kann sie Programme und Tätigkeiten durchführen, die weit über die Möglichkeiten eines einzelnen europäischen Landes wie Belgien hinausgehen.
Dennoch: wenn man in die nächste Dekade schaut, dann stellt sich die große Frage, wie es weitergeht. Die internationale Raumstation ISS in der heutigen Form wird es dann nicht mehr geben. Angekündigt wurde bereits, dass dann kommerzielle Firmen Raumstationen oder Dienstleistungen anbieten sollen. Zumindest ist das der Wunsch der NASA, die aktuell das Sagen hat. Und was macht Europa? Fakt ist, dass die ESA eher wenig in die bemannte Raumfahrt investiert. Europa droht den Anschluss zu verlieren, es sei denn, es wird so massiv in die Raumfahrtindustrie investiert, dass es selbst die Fähigkeit entwickeln kann, Astronauten ins All zu schicken, anstatt an Bord amerikanischer Raumschiffe.
Raphael Liégeois blickt hoffnungsvoll in die Zukunft. Bei der ESA hatten sich im November 2022 in Paris potentielle Astronauten vorgestellt, darunter auch der aus Namur stammende Raphael, der einen beeindruckenden Lebenslauf aufweisen kann. Insgesamt hatten sich mehr als 22.000 Kandidaten aus 25 Ländern gemeldet, die zur nächsten Generation europäischer Astronauten gehören wollen. Zu den acht Ausgewählten gehörte Raphael Liégeois, der durch seine vielseitige Ausbildung überzeugte. Er ist mehrsprachiger Diplomphysiker, Ingenieur, Biomediziner, Neurologe, um nur einige seiner beruflichen Qualifikationen zu nennen. Im Frühjahr 2023 begann er mit seiner Ausbildung im Europäischen Zentrum für Astronautenausbildung (EAC) in Köln, wo er für Weltraummissionen fit gemacht wird. Geleitet wird dieses von Frank De Winne, der als zweiter Belgier im Weltall war.
Nun hofft nicht nur er, sondern seine Landsleute, allen voran, Belgiens Staatssekretär für Wissenschaftspolitik Thomas Dermine, ihn eines Tages auf dem Weg zum Mond zu sehen. Aber da müssten noch viele Hindernisse überwunden werden, meinte er. Die erste erhoffte Mission für den belgischen Astronauten, der im Frühjahr seine Grundausbildung abschließen wird, wäre ein Flug zur Internationalen Raumstation (ISS) zwischen 2026 und 2030.
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