
Von Jürgen Klute
„Sprachliche Vielfalt im Deutschunterricht“ – unter diesem Thema fand am 10. Mai 2025 im ostbelgischen Eupen die 52. Tagung des Belgischen Germanisten- und Deutschlehrerverbandes (BGDV) statt.

Doch bevor die Tagung startete, gab es am Vorabend noch eine spannende Lesung des ostbelgischen Krimi-Autors Stephan Haas. In den am Eupener Marktplatz gelegenen Räumen der deutschsprachigen Zeitung „Grenzecho“ las der geborene Eupener aus seinem mittlerweile dritten Krimi „Belgische Schatten“ vor. Hauptfigur seiner bisher erschienen Romane ist der nach Ostbelgien strafversetzte Ermittler Piet Donker. Die Lesung machte die Zuhörenden mit den Hauptfiguren rund um den zu lösenden Kriminalfall bekannt – natürlich ohne den Spannungsbogen aufzulösen.
Nach diesem unterhaltsamen Einstieg ging es dann am Samstag Morgen im Kulturzentrum „Alter Schlachthof“ mit der eigentlichen Jahrestagung weiter, an der etwa 90 Mitglieder teilnahmen.
Der Präsident des 1974 gegründeten Verbandes, Torsten Leuschner, Hochschullehrer an der Universität Gent, eröffnete die Tagung und gab einen Einblick in die Arbeit des zurückliegenden Jahres des BGDV. Neben den üblichen Arbeiten eines Vereinsvorstandes – der BGDV ist ein Verein nach belgischem Recht – stachen zwei Aktivitäten hervor.

Die wichtigste Aktivität des Verbandes ist seit ein paar Jahren die jährliche Organisation der „Woche für Deutsch“ in Belgien mit dem „Deutsch-Quiz“ (zum Deutsch-Quiz 2024/25 siehe „Deutschquiz 2024/25: Nun stehen die Gewinner fest“). Die „Woche für Deutsch“ findet gewöhnlich im Oktober statt, das “Deutsch-Quiz” beginnt im Rahmen dieser Woche und zieht sich bis ins Folgejahr hin. Sie wird in Zusammenarbeit mit etlichen Partnerorganisationen und -institutionen durchgeführt: der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, den Botschaften Deutschlands, Liechtensteins, Luxemburgs, Österreichs und der Schweiz, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), dem Goethe-Institut, dem Belgischen Rundfunk (BRF) sowie sowie zahlreichen Schulen, Hochschulen und Universitäten. Die „Woche für Deutsch“ und das “Deutsch-Quiz” dienen dazu, Menschen zu motivieren, Deutsch zu lernen. Immerhin ist Deutsch Belgiens dritte Amtssprache, und es die Sprache mit den meisten Muttersprachlern in Europa. Auch für 2025, so kündigte der Verbandspräsident an, gibt es – wie üblich im Oktober – wieder eine „Woche für Deutsch“ und ein “Deutsch-Quiz”.
Ein weiterer Höhepunkt der Verbandsarbeit im zurückliegenden Jahr, so berichtete Leuschner weiter, war eine Studienfahrt nach Münster. Für 2025 ist eine Exkursion in die Ruhrgebietsstadt Essen vorgesehen. Diese Studienfahrten dienen dazu, Sprachkenntnisse und Landeskunde über andere deutschsprachige Länder in Europa zu vertiefen.
Nachdem Oliver Holz, verantwortlich für die Finanzen des Verbandes, kurz den Kassenstand erläutert hatte, ging es es über zum inhaltlichen Teil der Jahrestagung.
Im Mittelpunkt der Tagung stand das Thema Jugendsprache. Nils Bahlo von der Universität Münster gab mit seinem Vortrag „Jugendsprache als Generationsmarker. Was war, was ist, was bleibt?“ auf recht unterhaltsame Weise einen tiefen Einblick in diesen Bereich der Forschung.

Jugendsprache sei zum einen keine völlig eigenständige Sprache, die von allen Jugendlichen gesprochen werde. Zum anderen experimentieren Jugendliche nicht erst heute mit Sprache. Dies gehöre offensichtlich zum Erwachsenwerden und zur Entwicklung der eigenen Identität dazu, so Bahlo.
Die Themen, um die es dabei gehe, führte Bahlo weiter aus, seien über die Zeit, für die es Belege für eine Jugendsprache gebe, weitgehend identisch. Die Veränderungen der Sprache bezögen sich vor allem auf die Ausdrucksweise. Er verglich das mit einem Chamäleon: Das Skelett eines Chamäleons ist stets gleich, aber die Farbe seiner Haut ändert sich und passt sich der jeweiligen Umgebung an. So nannte man die offizielle Partnerin und zukünftige Gattin eines Mannes im 19. Jahrhundert „Trampelcharmante“ – mit ihr konnte man sich also in der Öffentlichkeit zeigen und über die Straße “trampeln” oder – etwas charmanter formuliert – flanieren. Und was heute als „One-Night-Stand“ firmiert, hieß damals „Spaßcharmante“.
Bahlo gab auch Antworten auf die Frage, wie man die Sprache von Jungendlichen erforscht. Das klassische Instrument seien selbstverständlich Interviews. Ein anderer Weg sei, Jugendliche – selbstverständlich mit deren Einverständnis – über einen gewissen Zeitraum zu belauschen und ihre Gespräche aufzunehmen, um sie dann auszuwerten. Heute richtet sich der Blick der Forschenden natürlich auch auf Social Media – eine reichhaltige Quelle für das Forscherauge.

Es folgten drei Kurzvortäge von Emma Joveneau (Universität Namur), Verena Rasp und Judit Vári (beide Ludwig-Maximilians-Universität München), die den Blick auf Besonderheiten der deutschen Sprache in Belgiens Ostkantonen richteten.
Nach der Mittagspause gab es zwei Workshops. Gerhard Salbeck und Anja Pohler vom Goethe-Institut in Brüssel stellten das “DACHL-Prinzip im Deutschunterricht“ (DACHL = Deutschland – Austria – Confoederatio Helvetica – Liechtenstein/Luxembourg) vor. Dieses soll der Tatsache Rechnug tragen, dass Deutsch in mehreren europäischen Ländern mit einer Reihe von Unterschiedlichkeiten gesprochen wird. Das Prinzip geht von der grundsätzlichen Anerkennung dieser Vielfalt des deutschsprachigen Raumes aus und zielt darauf, im Rahmen des Unterrichts der deutschen Sprache, der Vermittlung von Landeskunde, der Produktion von Lehrmaterialien sowie der Aus- und Fortbildung von Unterrichtenden dieser Vielfalt Rechnung zu tragen.

In einem zweiten Workshop ging es um „Spoken Word Poetry im Deutschunterricht“. Paul Bank aus Stolberg reflektierte mit den Teilnehmen über Möglichkeiten und Grenzen der Nutzung dieser Art von Performance-Kunst im Unterricht. Bei Spoken Word Poetry werden Gedichte laut rezitiert, wobei der Schwerpunkt auf dem Klang, dem Vortrag und der Interaktion mit dem Publikum liegt. Inhaltlich befassen sich Spoken-Word-Gedichte oft mit Fragen der sozialen Gerechtigkeit, Politik, Ethnie und Gemeinschaft.
Zu einer solchen Tagung gehören natürlich auch Grußworte. Jérôme Franssen, Mitglied der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens und zuständig für Unterricht, Ausbildung und Beschäftigung, betonte die Bedeutung der Mehrsprachigkeit. Sie sei sowohl aus pädagogischen als auch aus wirtschaftlichen Gründen wichtig. Sprachliche Vielfalt sei keine Herausforderung, sondern eine Stärke, und Deutschlehrer und -lehrerinnen seinen Brückenbauer zwischen den Sprachgemeinschaften. Viele Menschen in Ostbelgien, so Franssen weiter, sprächen neben ihrer Muttersprache Deutsch auch Französisch, Niederländisch und Englisch. Außerdem sei Ostbelgien ein Sprachlabor. Denn nach wie vor würde nicht nur Standarddeutsch gesprochen, sondern im Alltagsleben träfe man ebenso noch auf eine Reihe von deutschen Dialekten. Diese seinen keineswegs Relikte, sondern Ausdruck von lebendiger sprachlicher Vielfalt.

Gerhard Salbeck überbrachte die Grüße des Goethe-Instituts. Er betonte die Wichtigkeit der Zusammenarbeit zwischen dem Institut und dem BGDV. Stellvertretend für die Deutsche Botschaft, deren Vertreter aufgrund der Gedenkveranstaltungen zum Ende des Zweiten Weltkrieges am 8. Mai nicht an der Tagung teilnehmen konnte, übermittelte er auch deren Grüße.
Während der Tagung präsentierten die großen deutschen Schulbuchverlage im Foyer des Kulturzentrum eine Vielzahl von Materialen für den Unterricht für Deutsch als Zweitsprache. Der Grenzecho-Verlag ergänzte das Angebot um ostbelgische Literatur und um Publikationen zu den Besonderheiten des in Ostbelgien gesprochenen Deutsch. Und auch die Deutschsprachige Gemeinschaft war mit einem Informationsstand über den deutschsprachigen Teil Belgiens präsent.
Vor allem die finanzielle Unterstüzung durch den FNRS (Fonds de la Recherche Scientifique) und durch die Deutschsprachige Gemeinschaft habe die Jahrestagung 2025 des BGDV in diesem Rahmen ermöglicht, hob dessen Päsident Torsten Leuschner gegenüber Belgieninfo hervor.
Mit einem Empfang klang die Jahrestagung 2025 aus.




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