Belgien, Verkehr

Schnell-Ladestationen für Elektro-Autos: Boom in Belgien 

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Von Rainer Lütkehus

Belgien entwickelt sich gerade zu einem der am besten mit E-Schnellladestationen versorgten Länder der EU. Wie die Beobachtungsstelle der Europäischen Kommission für alternative Kraftstoffe (European Alternative Fuels Observatory, EAFO) mitteilt, haben diese im ersten Halbjahr 2023 zum vergleichbaren Vorjahreszeitraum um 80 Prozent zugenommen. Laut EAFO gibt es im Königreich derzeit  33.757 öffentlich zugängliche E-Ladestationen, darunter 1.621 Schnellladestellen. Vor einem Jahr waren es erst 23.508 (davon 894 Schnelllader).

Zwar nimmt Belgien damit derzeit nur den Rang sechs unter den EU-Ländern ein – nach Deutschland (16.960), Frankreich (13.734), Italien (4.998), Spanien (4.178) und den Niederlanden (3.293);  aber wenn der absehbare Trend im kleinen Land mit seinen 328.984 alternativ angetriebenen Personenwagen anhält, könnte die Rangliste schon im nächsten Jahr anders aussehen. Denn im EU-Durchschnitt ist der Trend schwächer. Das Wachstum an E-Schnellladestationen in der EU-27 lag im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 bei lediglich 35 Prozent.

Als Grund für den starken Trend in Belgien bei E-Schnellladestationen vermuten Experten die starke Zunahme an batteriebetriebenen E-Autos (BEV) und hybriden Plug-in-E-Autos (PHEV), deren Neuzulassungen 2022 um 124 Prozent beziehungsweise 48 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zugenommen hatten, sowie die im Vergleich zu den langsameren Wechselstrom-Ladestationen (AC-Ladestationen) höheren Preise pro Kilowattstunde. Schnellladestationen sind ein entscheidendes Kriterium für die Käufer von E-Autos, denn sie nehmen ihnen die “Ladeangst”: die Angst, mit einer leeren Batterie liegen zu bleiben.

Deshalb, und vor allem weil mit der Installation von Schnellladestationen mehr zu verdienen ist als mit der von langsamen AC-Ladestationen, die etwa zu Hause für das private E-Auto oder am Arbeitsplatz für den Flottenbetrieb zum Einsatz kommen, stürzen sich Investoren derzeit in Belgien massiv in den Bau von Schnellladestationen. Allerdings schafft auch die belgische Förderpraxis zugunsten von schadstoffarmen und –freien Automobilen ein Umfeld, in dem die Nachfrage nach Ladestationen rasch steigt.

Im Hochsteuerland Belgien ist es üblich, dass Unternehmen ihren Mitarbeitern Geschäftswagen zur Verfügung stellen – was sowohl Arbeitgeber und Arbeitnehmer entlastet. Mehr als 1,2 Millionen Fahrzeuge fallen in diese Kategorie. Seit Jahresmitte ist eine neue Regelung in Kraft. Sie begünstigt deutlich stärker als bisher E-Autos. Die bestehenden Anreize für Autos mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren dürften 2026 ganz verschwunden sein, so dass es dann – nach jetzigem Stand – neue Geschäftswagen ausschließlich mit Elektrobetrieb geben dürfte.  

Etwa 15 Unternehmen bauen in Belgien ihre eigenen Schnellladenetze auf. 2022 öffnete Tesla sein Supercharger-Netz, das bis dahin ausschließlich für Tesla-Autos gebaut worden war, für andere Elektroautos und fügte auf einen Schlag 140 öffentliche Schnellladestationen hinzu. Auch die großen Energiekonzerne  und Betreiber bekannter konventioneller Tankstellen wie Engie, Total Energies, Luminus, Texaco und Q8 investieren massiv in Schnelllade-Stationen.

Im Juni hatte der Energieversorger Engie angekündigt, innerhalb von drei Jahren Hunderte Stationen zu errichten. Das junge Antwerpener Unternehmen Sparki mit seinem Slogan “Charge & Go”, das mit einer Ladezeit von fünf Minuten wirbt, will sogar noch dieses Jahr 200 Schnellladestationen bauen und bis Ende 2024 nochmal doppelt so viele. Auch die in diesem Bereich aktiven niederländischen Unternehmen Allego und Fastned wollen in Belgien eigene Schnellladestationen bauen und betreiben.

Bedarf an Schnellladern wird überschätzt

Der E-Schnelllade-Investitionsoffensive konzentriert sich zurzeit allerdings noch auf den nördlichen Teil des Königreichs, Flandern. Der südliche Teil des Landes, die Wallonie, gilt  noch als „Ladewüste Europas“. Jochen De Smet, Präsident des Verbands für Elektromobilität, befürchtet, dass sich in Flandern eine Überkapazität an Schnellladestationen anbahnt. „Es wird zu viele Schnellladestationen für eine begrenzte Anzahl von Elektroautos geben“, prognostiziert er in der flämischen Zeitung „De Standaard“. „Bis 2030 benötigen wir in unserem Land eine gut ausgebaute Schnellladeinfrastruktur für die geschätzten 1,6 bis 2 Millionen Elektroautos, die auf belgischen Straßen unterwegs sein werden“, erklärt De Smet. „So wie die Dinge in Flandern jetzt laufen, wird überinvestiert. Und nicht jedem wird es gelingen, seine Investitionen rentabel zu machen oder zu halten.”

Laut einer Studie des belgischen Instituts für Verkehrssicherheit (Vias) soll sich die Zahl der Schnellladestationen bis zum Ende dieses Jahrzehnts verzehnfachen, verglichen mit den rund tausend, die es Ende 2022 in Belgien gab. „Außerdem werden Schnelllader nicht mehr nur an den großen Verkehrsachsen, sondern zunehmend auch in den Städten zu finden sein“, sagt Vias-Sprecher Stefan Willems in der flämischen Zeitung „De Tijd“ voraus. 2022 habe die flämische Regierung den Schnellladeunternehmen Standorte zugewiesen, sodass es bald alle 25 Kilometer eine Station an den Hauptverkehrsadern der Region geben werde.

Die am 25. Juli vom EU-Ministerrat verabschiedete EU-Verordnung für den weiteren Ausbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR) sieht lediglich vor, dass bis 2025 alle 60 km entlang der wichtigsten Verkehrskorridore Schnellladepunkte für PKW und leichte Nutzfahrzeuge mit einer Ladeleistung von mindestens 150 kW errichtet werden, sowie für schwere Nutzfahrzeuge mit einer Ladeleistung von mindestens 350 kW. 

Im Unterschied zu den langsamen AC-Ladestationen, durch welche Wechselstrom (AC) aus der Steckdose in das E-Auto fließt und dort von einem On-Board-Netzumwandler in Gleichstrom (DC) umgeändert wird, transformieren E-Schnellladestationen, die auch Gleichstromladestationen genannt werden, den vom Stromnetz gelieferten Wechselstrom unmittelbar in Gleichstrom. Die Batterie eines Elektroautos kann nur Gleichstrom aufnehmen.

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