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Humor oder Absurdität? Streit um die “Chaufferettes” in Brüssel

Erlaubt
Verboten (ab 2026)

Von Reinhard Boest

In Brüssel gibt es noch immer keine Aussicht auf eine neue Regionalregierung. Das vor fast acht Monaten neu gewählte Parlament hat also genug Zeit, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Und das tut es anscheinend mit zunehmendem Eifer. Wenn niemand an eine Koalitionsdisziplin gebunden ist, kann man ja mal ausprobieren, für welche Themen es welche Mehrheiten gibt. Dabei spielen zuweilen nicht einmal sonst hochgehaltene politische Unvereinbarkeiten eine Rolle. Am vergangenen Freitag gab es wieder einmal eine andere, in ihrer Zusammensetzung zumindest ungewöhnliche Mehrheit.

Auf der Tagesordnung des Parlamentsplenums standen zwei sensible Vorlagen: eine größere Verbindlichkeit des Mietspiegels und eine stärkere Rolle der dafür gebildeten Paritätischen Kommission (siehe https://belgieninfo.net/mehrheit-im-bruesseler-parlament-will-staerker-gegen-missbraeuchliche-mieten-vorgehen/) und die Zukunft der auf den Terrassen der Brüsseler Gastsätten beliebten Heizstrahler („Chaufferettes“).

Das brisante Thema der Mieten wurde vertagt, nachdem kurzfristig für den Vortag im zuständigen Parlamentsausschuss erst einmal eine Anhörung der Mitglieder der Paritätischen Kommission angesetzt worden war.

Dafür stritt man sich umso leidenschaftlicher über das zweite Thema. Im Zuge des Brüsseler Energie- und Klimaplans, der den Weg zur Klimaneutralität definiert, sollten die Terrassenheizungen eigentlich schon ab dem kommenden Sommer verboten werden. Aber dazu standen nach den Wahlen eigentlich nur noch die Grünen (Groen und Ecolo). Die Liberalen vom MR wollten das Verbot ganz kippen, andere es (erst einmal?) um ein Jahr verschieben. Nach intensiven Diskussionen im Ausschuss und zwischen den Parteien hatte man sich verständigt, dass man am Verbot festhält, aber dieses erst 2026 gelten soll. Wenn man gedacht hatte, das werde jetzt im Plenum nur noch abgesegnet: Irrtum!

In letzter Minute nahm sich der frühere Regionalminister Pascal Smet von den flämischen Sozialisten (Vooruit) der Sorgen eines Teils der Branche an. Es sei zwar eigentlich absurd, im Winter die Außenluft zu beheizen; aber Absurditäten gehörten doch zum Leben, und man solle den Brüsselern ihren Spaß nicht durch solche symbolischen Verbote nehmen. Mit Unterstützung des MR beantragte er darum in letzter Minute, das Verbot auf die mit Gas betriebenen Heizungen zu beschränken und die elektrischen auszunehmen. Schließlich gebe es ja auch für elektrische Autos Privilegien, etwa bei der Niedrigemissionszone.

Der noch amtierende grüne Umweltminister Alain Maron war von diesem Vergleich nicht überzeugt. Hier gehe es um den Kampf gegen Energieverschwendung. Daher sei die unterschiedliche Behandlung womöglich sogar rechtswidrig. „Aber natürlich hat jeder das Recht, ein bisschen verrückt zu sein.“

Am Ende wurde der Änderungsantrag angenommen – mit einer Mehrheit, die es bei den bisherigen „freien“ Abstimmungen noch nicht gegeben hatte: Vooruit, MR und die linkspopulistische PTB. Man darf also auch nach 2026 sein Bier im Winter auf der Terrasse genießen – wenn man sich elektrisch beheizen lässt.

Man darf gespannt sein, welche Mehrheits-Kompositionen uns noch erwarten, bevor irgendwann mit einer Koalitionsregierung wieder mehr „Disziplin“ eintritt. Das Parlament mag im Moment eine Reihe von Absurditäten produzieren; aber spannend ist es schon…

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