Von Reinhard Boest
Die Brüsseler Sommerpause neigt sich allmählich dem Ende zu. Das merkt man nicht an den politischen Aktivitäten, denn diese konnten sich angesichts der multiplen Krisen – Krieg, Klimawandel, Inflation, Energieversorgung, Staatsfinanzen, schwindendes Vertrauen in die Politik – ohnehin keine Pause gönnen, weder auf der europäischen noch auf der nationalen Ebene. Dass die « rentrée » naht, sieht man daran, dass die deutschen Landesvertretungen und andere Interessenvertreter wieder zu fachlichen oder kulturellen Veranstaltungen einladen. Nachdem diese in den vergangenen Jahren stark unter den Corona-bedingten Einschränkungen zu leiden hatten, geht es in diesem Herbst (eigentlich haben wir ja noch Sommer) besonders früh wieder los.
Den Auftakt machen am 4. September Baden-Württemberg und Hessen, die gleichzeitig “Künstliche Intelligenz in Europa” bzw. die Grube Messel (Fossilienfundstätte) vorstellen. Am 6. September lädt der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, zum Sommerfest. Und am 6./7. September treffen sich die Regierungscheffinen und -Chefs der deutschen Länder zur Ministerpräsidentenkonferenz in Brüssel unter Vorsitz des niedersächsichen Ministerpräsidenten Stephan Weil. Weitere Veranstaltungen der deutschen Länder folgen im Laufe des Monats, zur Agrarpolitik, bayerischen Volkskultur bis zu Shakespeare’s Sommernachtstraum. Belgienninfo wird also genügend Stoff für die Berichterstattung haben.
Zwei Veranstaltungen von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern, beide am 7. September, sollen hier etwas genauer vorgestellt werden, da es um bemerkenswerte neue europäische Projekte geht. Wer also sowohl Interesse an einer neuen, von Sachsen und Flandern initiierten Regionalallianz für die Chip-Industrie hat als auch an einer neuen Europäischen Kulturroute der Leuchttürme, dem wird die Entscheidung schwerfallen.
Die Chip-Industrie hat in Sachsen eine lange Tradition. Es liegt also nahe, dass der Freistaat sich in der aktuellen Situation, in der die EU sich in diesem Bereich vor allem von China unabhängiger machen will und nach mehr Autonomie in der Forschung und in der Produktion strebt, auf der europäischen Ebene einbringt. Ein 2012 gestartetes europäisch gefördertes Forschungsprojekt bildete die Keimzelle von „Silicon Europe“, einem 2015 unter maßgeblicher sächsischer Beteiligung gegründeten „Cluster of Clusters“, in dem heute nach eigenen Angaben rund 2000 Akteure aus neun EU-Staaten zusammenarbeiten. Jetzt steht der nächste Schritt an: am 7. September um 16 Uhr werden die Ministerpräsidenten von Sachsen und Flandern, Michael Kretschmer und Jan Jambon, im Europäischen Ausschuss der Regionen in Brüssel die „European Semiconductor Regions Alliance“ feierlich aus der Taufe heben. Beteiligt sind außer Flandern und Sachsen elf weitere Regionen aus neun EU-Mitgliedstaaten. Die institutionalisierte Zusammenarbeit soll die Mitwirkung der Regionen an der Umsetzung des „European Chips Act“ bündeln: Die Allianz sieht sich als Partner der EU-Kommission bei der Umsetzung. Die Industrie ist durch die von der EU-Kommission im Juli 2021 auf den Weg gebrachte „Industrial Alliance for Processors and Semiconductor Technologies“ beteiligt.
Die Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern bietet eine Kulturveranstaltung mit europäischer Dimension. An den über 100.000 Kilometer langen europäischen Küsten gibt es weit über 1.000 Leuchttürme (davon drei in Belgien!), die zum Teil seit Jahrhunderten zu einer sicheren Seefahrt beitragen. Mit der technischen Entwicklung, insbesondere der satellitengestützten Navigation werden sie zunehmend entbehrlich. Automatisiert sind sie ohnehin seit langem, Leuchtturmwärter, die in tosender See ihren Dienst tun, gibt es nur noch in Erzählungen. Die Leuchttürme, die zum Teil unter schwierigsten Bedingungen errichtet werden mussten, sind dennoch ein wichtiger Teil des maritimen Erbes und üben nicht nur auf Landratten eine große Faszination aus. Ihre Erhaltung und Nutzung, etwa für touristische Zwecke, ist nicht nur unter finanziellen Aspekten eine große Herausforderung. Für eine Vernetzung und Vermarktung wäre ein attraktives Label ein wichtiges Instrument. Der Leuchtturmverein Rostock engagiert sich seit langem in dieser Richtung. Eine erste Präsentation des Projekts – seinerzeit Corona-bedingt nur online möglich – erfolgte bereits im Oktober 2020. Nach mehrjährigen Vorarbeiten ist man jetzt so weit, sich zusammen mit Partnern aus Norwegen, Estland, Irland, Frankreich und Portugal der Herausforderung zu stellen, eine „Europäische Kulturroute der Leuchttürme“ auf dem Weg zu bringen. Wer die Qualitätsanforderungen kennt, die der Europarat an die Zertifizierung einer Europäischen Kulturroute stellt, kann ermessen, wie groß der Aufwand ist. Es wäre die erste „maritime“ unter den derzeit 47 zertifizierten Europäischen Kulturrouten. Die Akteure stellen am 7. September in Brüssel in der Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern unter Teilnahme des für die Kulturrouten zuständigen Direktors des Europarats den Vorbereitungsstand vor. Eröffnet wird die Veranstaltung vom Wirtschaftsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Reinhard Meyer, der früher auch Präsident des Deutschen Tourismusverbands war. Die Teilnehmer erwartet eine spannende Reise in das maritime Kulturerbe Europas.
Teilnahme an den Veranstaltungen auf Einladung bzw. nach Anmeldung
Grube Messel in Hessen und UNESCO-Geoparks: Chancen zur Förderung unseres Kulturerbes; 5. September 2023, ab 18.30 Uhr in der Vertretung des Landes Hessen bei der Europäischen Union.
“KI Made in Europe”, 5. September 2023 ab 18.00 Uhr in der Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der Europäischen Union.
Gründungsveranstaltung der „European Semiconductor Regions Alliance“, 7. September 2023, 15.30 bis 18.00 Uhr, Europäischer Ausschuss der Regionen, Brüssel; anschließend ab 18.30 Uhr Gründungsempfang im Forschungsinstitut IMEC in Löwen/Heverlee.
Panel-Diskussion und Gründungszeremonie der “Europäischen Kulturroute der Leuchttürme”, 7. September 2023, 18.00 Uhr, Vertretung des Landes Mecklenburg-Vorpommern bei der EU, Boulevard Saint Michel 80, 1040 Brüssel; event@mv-office.eu zdemir,
Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özdemir im Gespräch, 18. September 2023, um 13:00 Uhr, Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der Europäischen Union.
Konzert mit dem Monika Drasch Quartett, 25. September 2023, ab 18.30 Uhr; Vertretung des Freistaates Bayern bei der Europäischen Union.
„Ein Sommernachtstraum“ von William Shakespeare, mit der „theaterBurg
Roßlau e. V.“, 25. September 2023, ab 18.00 Uhr, Vertretung des Landes Sachsen-Anhalt bei der EU.
„Nach der Reform ist vor der Reform – die Gemeinsame Agrarpolitik ab 2028“, 26. September 2023, 18.00, Vertretung des Freistaates Sachsen bei der Europäischen Union.
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