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Die „Emmaus.Gespräche“ – Eine neue Veranstaltungsreihe der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde in Brüssel

Foto: privat

Von Bettina Meller

„Wie stellen wir uns als Christen zu Krieg und Frieden?“  Mit diesem Thema eröffnete am 19. April in den umgestalteten Räumen der deutschsprachigen evangelischen Emmausgemeinde in Brüssel eine neue Veranstaltungsreihe: die Emmaus.Gespräche. Unter diesem Namen sollen ab jetzt mehrmals im Jahr gesellschaftliche Themen unter christlicher Perspektive diskutiert werden.

Wie sehr das Thema, das durch den Krieg in der Ukraine traurige Aktualität aufweist, die Gemüter beschäftigt, zeigte sich an dem großen Zuspruch, den die Veranstaltung fand, ebenso wie in den sich an den offiziellen Teil des Abends anschließenden Gesprächen. Nach einem eindringlichen Impuls von Pfarrer Frederik Koßmann, der das unbedingte Friedenspostulat Jesu Christi in den Mittelpunkt rückte, beleuchteten in der von Friederike Ladenburger, Beraterin im  Sekretariat der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Union  (COMECE) fachkundig moderierten Diskussion die äußerst kompetenten Referent:innnen aus der Europäischen Kommission, dem politischen Thinktank GLOBSEC und dem EKD Büro Brüssel die Thematik unter verschiedenen Blickwinkeln.

Dabei ergab sich ein informativer Überblick über die Haltung der Europäischen Union und der evangelischen Kirche  zu Friedens-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Anschaulich erläuterte Nils Behrndt, stellvertretender Generaldirektor der GD HOME der Kommission,   den Weg der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) von ihrer Gründungsmotivation vor 75 Jahren, in Europa kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den Mitgliedstaaten unmöglich zu machen,  bis zur heutigen Bereitschaft, in der EU Verteidigungs- und Sicherheitskompetenzen zu schaffen, um auch nach außen in diesem Sinne wirken zu können.

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Roland Freudenstein, Vizepräsident und Leiter der Brüsseler Vertretung des Thinktanks  GLOBSEC, ordnete den Ukrainekrieg in seinen geopolitischen Kontext ein. Er plädierte nachdrücklich für eine Unterstützung der Ukraine durch den Westen, um den imperialen Ansprüchen Russlands  wirksam entgegenzutreten. Katrin Hatzinger, Leiterin des EKD-Büros in Brüssel,  wiederum reflektierte die friedensethischen Leitlinien der deutschen evangelischen Kirche, die in einem breiten Diskussionsprozess bis 2025 überprüft werden sollen.

Alle Teilnehmer auf dem Podium bekannten sich als Christen zur Unterstützung der Ukraine auch durch Waffenlieferungen, um den Boden für Friedensgespräche überhaupt erst bereiten zu können. Das stellt die Friedensethik der Gewaltlosigkeit, die insbesondere von der evangelischen Kirche seit dem Zweiten Weltkrieg und  zum Beispiel im Zusammenhang mit der Nachrüstungsdebatte der achtziger Debatte entwickelt wurde, auf eine schwere Probe. Dies gilt insbesondere für eine rein pazifistische Haltung, wie sie Jesus Christus vorgelebt hat, und die auch weiterhin vertreten wird.

All das, so wurde deutlich, zwingt zu einem Reflexionsprozess. Ihn habe die EKD schon eingeleitet, führte Katrin Hatzinger aus. Vor diesem Hintergrund finde auch eine kontroverse Diskussion mit der russisch-orthodoxen Kirche wegen deren Unterstützung der russischen Aggression statt. Die EKD selbst stellt sich in der Person der Vorsitzenden ihres Rates, Landesbischöfin Annette Kurschus, zwar auf die Seite der militärischen Hilfe. Sie verlangt aber gleichzeitig, auf Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien zu dringen.  Mehrfach wurde zudem betont, dass alle Beteiligte eine schwere Verantwortung trügen und sich auch in Schuld verstrickten.

In der an die Vorträge anschließenden Aussprache mit dem Publikum wurde unter anderem  diskutiert, was die Frage von Krieg und Frieden für die jüngeren Generationen bedeutet, wie Seelsorge und Erziehung zu diesem aussehen könnten. Gleichzeitig kam zur Sprache, was das unmittelbare Kriegserleben bei vielen Angehörigen der älteren Generation auslöst, die noch Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg haben.

Es war ein lebhafter wie auch kontroverser, in jedem Fall  aber ungemein interessanter Abend. Die vielversprechende neue Reihe wird zu folgenden Themen fortgesetzt:

21. Juni 2023 – Die Rolle der christlichen Kirchen in der Klimakrise

20. September 2023 – Gibt es einen Weg aus der Ernährungskrise?

22. November 2023 – Kirche in der Krise

Mehr Infos unter https://degb.be/emmausgesprache/Emmaus-Gespräche

 

(Bettina Meller ist Mitglied des Presbyteriums der Emmaus-Gemeinde)

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