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Audi-Werk Brüssel schließt Tore endgültig bereits zum 28. Februar

Audi-Werk Brüssel, Belgium / Foto: © AUDI AG

Von Thomas A. Friedrich

Ende mit Schrecken. Früher als ursprünglich geplant schließt das Audi-Werk im Brüsseler Stadtteil Forest endgültig bereits zum 28. Februar 2025. Schlimmer noch, zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung wurde vor Jahresende keine Einigung auf einen Sozialplan erzielt. Nahezu 3.000 Beschäftigte und rund 1.500 Arbeitsplätze unter Zulieferern stehen nach 75 Jahre Automobilgeschichte in Brüssel von VW und Audi vor dem Aus.

Jetzt hoffen die ausgesperrten Audi-Mitarbeiter in der belgischen Hauptstadt auf die Europäische Union (EU). Die Enttäuschung über den Arbeitsplatzverlust mischt sich mit der Unfähigkeit der politischen Parteien Flanderns, der Wallonie und der Brüsseler Hauptstadtregion seit den Wahlen im Juni, eine tragfähige Regierung zu bilden.

Die belgischen Audi-Arbeiter in Forest waren stolz und sahen sich als Avantgarde de E-Mobilität“, sagte Dominique Bray von der christlichen Gewerkschaft CNE im belgischen Fernsehen. Heute verstehe er die Welt nicht mehr.

Getreu dem in großen Lettern auf der Werksfassade in Forest prangenden Motto „Welcome to the Factory of the Future“ glaubten die über 3.000 Audianer an eine nachhaltige Zukunft. Audi gerierte sich in Forest als Leuchtturm der E-Mobilität in Europa. Mit dem Bau des Luxus-Elektro-SUV namens Q8 e-tron sollten jährlich 40.000 Autos der E-Oberklasse in Brüssel gebaut werden. Zuletzt waren es nur noch einige Tausend pro Quartal. Jetzt soll das Modell wohl in Mexiko produziert werden.

Dabei erwies sich die Ingolstädter Managerentscheidung, einzig dieses hochpreisige Modell mit einem Basispreis von 75.000 Euro im Brüsseler Werk zu produzieren, als fatale Fehlentscheidung. Denn die Autokunden verlangen nach billigen E-Autos, wie es der chinesische Markt erfolgreich weltweit vorexerziert.

Hoffnungsschimmer europäisch blau-gelb

Kann die EU die angeschlagene Branche aus der Krise führen? Die wiedergewählte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte bei ihrer Antrittsrede im November im Europäischen Parlament in Straßburg bereits für Januar 2025 einen EU-Autogipfel angekündigt. Alle Beteiligten sollen noch in diesem Monat zu einem „strategischen Dialog über die Zukunft der Autoindustrie“ in Brüssel zusammenkommen.

Die Automobilindustrie ist eine europäische Erfolgsgeschichte und entscheidend für den Wohlstand Europas. Sie treibt Innovationen voran, sichert Millionen von Arbeitsplätzen und ist der größte private Investor in Forschung und Entwicklung“, hob die CDU-Politikerin im Dezember hervor. Sie kündigte an, die Automobilbranche beim bevorstehenden tiefgreifenden und bahnbrechenden Wandel unterstützen zu wollen. „Wir müssen sicherstellen, dass die Zukunft des Autos fest in Europa verankert bleibt.“

Diese Beschwörungsformel deckt sich schwerlich mit der wirtschaftspolitischen Realität des neuen Jahres. Die europäische Automobilindustrie rutscht immer tiefer in die Krise, und die Hoffnungen, mit der E-Mobilität den deutschen und belgischen Automobilwerken eine rosige Zukunft zu bescheren, sind im Lichte der jüngsten Bilanzen Makulatur.

E-Automobilabsatz bei Audi bricht in 2024 dramatisch ein

Bei der Bilanzpressekonferenz am 13. Januar räumte der Ingolstädter Autohersteller einen Absatzeinbruch von 200.000 Fahrzeugen im Jahre 2024 gegenüber dem Vorjahr ein. Die Ausfuhren im Nordamerikageschäft gingen um 13 Prozent zurück, und der Verlust am Heimatmarkt Deutschland fiel mit einem Minus von 21 Prozent besonders bitter aus. Audi erzielte im Jahr 2024 noch einen Absatz von 1,67 Millionen Auslieferungen weltweit. Der Hersteller erlitt damit ein Minus von fast 12 Prozent gegenüber dem Vergleichsjahr 2023.

Nicht nur Audi verkauft immer weniger Autos. In der Woche zuvor hatte der Untertürkheimer Premiumhersteller Mercedes ebenso einen signifikanten globalen Absatzrückgang vermelden müssen. Auf dem wichtigen Wachstumsmarkt China schwächeln die europäischen Automobilhersteller von Jahr zu Jahr stärker und können mit Elektrofahrzeugen „Made in Europe“ immer weniger punkten.

Elektroautos boomen aus asiatischer Produktion

Der jüngste Befund über Verkaufszahlen klingt für Beschäftigte und Automobilbosse in der europäischen Fahrzeugindustrie ernüchternd. Der Absatz von Elektroautos erlebt zwar weltweit eine Hausse. Aber Europas Autobauer sind mehr und mehr außen vor: Weltweit sind im vergangenen Jahr rund 25 Prozent mehr Elektroautos verkauft worden als im Vergleichsjahr 2023. Insgesamt wurden 17,1 Millionen E-Autos rund um den Globus ausgeliefert. Mehr als die Hälfte davon kommen aus chinesischer Produktion. Dies geht aus einer Analyse der britischen Consulting Rho Motion hervor, wie der Online-Nachrichtendienst des Deutschlandfunks am 14. Januar meldete.

Ganz anders in Europa: Hier führte das Zurückfahren von Kaufprämien für E-Autos durch die Ampelkoalition in Berlin beim Verkauf von E-Autos vor allem in Deutschland zu einem drastischen Rückgang bei den Zulassungszahlen.

Warum das Audi-Werk Brüssel Forest kollabierte

Die jüngste Audi-Bilanz der Verkaufszahlen bilanziert ein Minus im China-Geschäft um elf Prozent im Jahr 2024. Ebenso in Sachen Elektromobilität bekam Audi beim Zukunftssegment E-Mobilität eine kalte Dusche zu spüren. Der Verkauf von 164.000  vollelektrischen Autos im abgelaufenen Jahr stellt ein Minus von 8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr 2023 dar.

Seit der ersten Ankündigung von Umstrukturierungen des Brüsseler Audi-Werkes in Forest Mitte vergangenen Jahres verliefen alle Versuche des zum Volkswagen-Konzern gehörende Autobauers, einen Investor für den Produktionsstandort in Forest zu finden, ergebnislos.

Audi steckt ebenso wie der Mutterkonzern Volkswagen am Stammsitz Wolfsburg tief in einer strukturellen Krise. Schon im Juli wurden die Audi-Beschäftigten über bevorstehende Umstrukturierungen informiert. Als Gründe wurden damals zu hohe Produktionskosten, fehlender Platz für Erweiterungen und einem zwischen Wohnsiedlungen, Bahngleisen und der Autobahn eingeschnürten nicht mehr zukunftsfähigen Standort in Brüssel genannt.

Das Trauerspiel um Audi Brüssel droht auf dem Rücken der Arbeitnehmer und Beschäftigten ausgetragen zu werden. Bisher sind sechs Angebote sozialer Abfederung der Audi-Geschäftsführung auf Ablehnung bei den belgischen Gewerkschaften gestoßen. Audi bietet neben dem gesetzlich verankerten Kündigungsgeld individuelle Abfindungen an, deren Höhe von der Betriebszugehörigkeit abhängt. So könne ein Mitarbeiter mit zum Beispiel 17 Jahren Betriebszugehörigkeit je nach Funktion und Gehaltseinstufung zwischen 125.000 und 190.000 Euro erhalten, legte das Unternehmen Audi Modellrechnungen vor.

Belgische Gewerkschafter springen für VW-Gewerkschafter in die Bresche

Natürlich werden wir für die Beschäftigten von Audi Brüssel verhandeln, aber wir tun das auch in Solidarität mit den deutschen Kolleginnen und Kollegen“, sagte CNE-Gewerkschafter Bray. VW-Leute hätten bereits Kontakt mit belgischen Gewerkschaften aufgenommen und sie ermuntert, “hart zu verhandeln”, damit sie eine Basis haben für die Verhandlungen, die sie demnächst vielleicht selbst führen müssen, so Bray gegenüber dem flämischen Sender VRT.

Bereits Mitte 2024 wies der VW-Konzern eine Rückstellung zugunsten der Audi-Tochter zur Umstrukturierung (sprich Abwicklung) des Brüsseler Audi-Werkes von rund zwei Milliarden Euro aus. Unter dem Strich erscheint für die Konzernlenker in Ingolstadt und Wolfsburg die Abwicklung des Brüsseler Werkes wohl die – auch von den Aktionären befürwortete – kostengünstigere Lösung darzustellen.

 

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