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Metro 3 in Brüssel: Vernichtendes Urteil des Rechnungshofs

Von Reinhard Boest

Für das Megaprojekt “Metro 3” in Brüssel sieht es nicht gut aus. Der frankophone Sender RTBF meldet jetzt, das das Vorhaben in einem Bericht, den der Rechnungshof in Kürze vorlegen wird, geradezu “pulverisiert”, dem Boden gleichgemacht werde.

Der Rechnungshof bezieht sich nicht nur auf die gegenüber den ursprünglichen Planungen völlig aus dem Ruder gelaufenen Kosten, sondern nimmt auch die schwerwiegenden technischen Mängel sowie Schwächen im Projektmanagement und bei der Anwendung der bestehenden Ausschreibungsregeln in den Blick. Als Quintessenz könnte man festhalten, dass bei diesem Projekt wohl so ziemlich alles schiefgegangen ist.

“Die strategische Planung leidet unter einem inkohärenten Entscheidungsprozess und einer wenig stringenten ex ante-Bewertung. Es fehlt an einer Abstimmung zwischen den Politikbereichen Verkehr und Raumordnung, auf regionaler und föderaler Ebene”, stellt der Rechnungshof fest. Das Projektmanagement sei gekennzeichnet durch einen Mangel an Transparenz und Vorsicht, so dass es zu Problemen bei der Koordinierung zwischen den verschiedenen Akteuren gekommen sei. Auch seien Beiträge beteiligter Organe nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Schon Ende 2009 wurde zwischen der Region Brüssel-Hauptstadt, der Nahverkehrsgesellschaft STIB/MIBV und Beliris, dem Investitionsinstrument der Föderalregierung für Brüssel, vereinbart, die seit 1993 zwischen der an der Grenze der Gemeinden Forest und Saint Gilles gelegenen Station Albert und Nordbahnhof verkehrende “Pré-Métro” zu einer richtigen Metro aufzuwerten und sie nach Norden bis Bordet in der Gemeinde Evere zu verlängern. Nach endlosen Planungen und langwierigen Genehmigungsverfahren begannen zwischen August 2020 und März 2021 die Bauarbeiten.

Während die Arbeiten an der geplanten Umsteigestation Albert (zwischen Tram und Metro) fast abgeschlossen sind, steht an zwei entscheidenden Punkten – unter dem Palais du Midi/Zuidpaleis und dem Nordbahnhof – die Baustelle seit mehr als zwei Jahren still. Wegen nicht vorhergesehener Probleme mit dem Untergrund lässt sich der Tunnel dort nicht in der geplanten Bauweise realisieren. Eine wesentliche Ursache dafür sieht der Rechnungshof in den unzureichenden geologischen Voruntersuchungen des Baugrunds. Der für die Fortsetzung der Bauarbeiten notwendige Teilabriss des Palastes verursachte Rechtsstreitgkeiten, Verzögerungen und vor allem eine deutliche Kostensteigerung.

Die Kosten stehen im Mittelpunkt der anhaltenden Kritik an dem Projekt. Zu Beginn der konkreten Planungen ging man 2012 von 1 Milliarde Euro aus, bei einer Fertigstellung bis 2020. Heute liegt die Kostenschätzung bei 4,76 Milliarden Euro, davon 3,43 Milliarden Euro für den Teil zwischen Nordbahnhof und Bordet. Diese Beträge sind nach Einschätzung des Rechnungshofs für die Region nicht mehr zu tragen.

Dass Kosten und Zeitpläne explodieren, ist keine neue Erkenntnis. Mit dem Bericht des Rechnungshofs dürfte sich aber die Debatte weiter zuspitzen. Schon vor einigen Monaten hatte die noch immer amtierende Regionalregierung die STIB/MIBV aufgefordert, Optionen für das weitere Vorgehen vorzulegen, was im Juli erfolgte (siehe: https://belgieninfo.net/metro-3-in-bruessel-stopp-oder-hopp/ ). Die – jeweils mit Zahlen und Daten versehenen – Möglichkeiten reichen von einer Fertigstellung wie vorgesehen bis zu einer völligen Einstellung des Projekts. Allen Optionen gemeinsam ist, dass sie viel Geld kosten. Selbst für die sofortige Einstellung müsse man 1 Milliarde Euro einkalkulieren, davon mehr als die Hälfte für bereits getätigte, künftig nutzlose Investitionen – also so viel, wie man vor 13 Jahren für das ganze Projekt geschätzt hatte.

Hier soll irgendwann eine “richtige” Metro fahren: Station Porte de Hal/Hallepoort mit einer Tram © metro3.be

Für eine Entscheidung darüber, wie es nun weitergehen soll, bräuchte man in Brüssel aber erst einmal eine handlungsfähige Regierung. Darauf wartet die Region seit nunmehr 16 Monaten. Bei den schleppend verlaufenden Vorverhandlungen zwischen den potentiellen Koalitionspartnern geht es zunächst um den Haushalt. Wenn man sieht, wie kritisch die Lage in vielen Bereichen (Wohnungen, Wirtschaftsförderung, Sozialpolitik) ist und wie hoch mindestens der Einsparbedarf gesehen wird, verspricht das für so ein Großprojekt nichts Gutes.

Wie (und wann) auch immer die Entscheidung fällt, dürfte eine Überarbeitung der bisherigen Konzepte für die Mobilität in Brüssel unvermeidlich sein. Denn die Probleme, denen man mit dem Bau der Metro begegnen wollte, sind ja immer noch vorhanden: insbesondere die Verstopfung der Stadt durch den Autoverkehr und die Überlastung der derzeitigen öffentlichen Verkehrsmittel – von den Auswirkungen des Pendlerverkehrs aus dem Umland nicht zu reden.

Über die Verkehrspolitik haben die Parteien in Brüssel durchaus verschiedene Ansichten, wie sich in der Vergangenheit wiederholt gezeigt hat. Auch das ist kein gutes Vorzeichen für die künftige Regierung – wenn es sie dann irgendwann gibt…

 

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