
Gefeiert und umstritten
Von Thomas A. Friedrich
Der belgische Radprofi und zehnfache Tour de France-Etappensieger der 60er und 70er Jahre, Walter Godefroot, ist Anfang September im Alter von 82 Jahren gestorben.
Als Teamchef der Deutschen Telekom seit 1992 führte er den Bonner Radsport-Tross mit den Fahrern Bjarne Rijs (1996) und Jan Ullrich (1997) durch zwei Tour de France- Gesamtsiege in zwei aufeinander folgenden Jahren zur Weltspitze. Er löste in Deutschland einen Fahrrad-Boom in Magenta aus, der Unternehmensfarbe der Deutschen Telekom als größter Telefongesellschaft Europas.
14 Jahre stand Godefroot an der Spitze des Teams Telekom. Er ließ es sich nicht nehmen, stets den Mannschaftswagen, mit einem halben Dutzend Ersatzrädern auf dem Dach, bei allen großen Radrennen in Europa selbst zu lenken.
Godefroot löste mit Telekom-Team Radfahr-Boom in Deutschland aus
Als zunächst unumstrittene Führungsfigur und profunder Kenner des europäischen Radsport-Geschehens prägte Godefroot die Erfolgsgeschichte des Telekom-Teams und fuhr mit den Ausnahmetalenten Jan Ullrich und Erik Zabel reihenweise Erfolge bei den Klassikern des Radrennens auf dem Kontinent ein.
Godefroot gehörte in den 1960er- und 70er-Jahren zu den stärksten Rivalen der belgischen Radrennfahrer-Ikone Eddy Merckx. Bereits als Jungprofi sorgte der Flame für Aufsehen, als er 1965 gleich bei seinem ersten belgischen Meisterschaftsrennen den Titel gewann und den frustrierten Merckx den Schneid abkaufte.
Der 1943 in Gent geborene Godefroot gewann im Abstand von zehn Jahren zweimal die Flandern-Rundfahrt (1968 und 1978) und stellte damit seine Beständigkeit im Profi-Radsport eindrucksvoll unter Beweis.
Walter Godefroot wurde über die Landesgrenzen hinaus bekannt für seine verbissene Fahrweise, aber auch für seine Spurtstärke und sein taktisches Gespür. Er gewann alle wichtigen Radrennen im eigenen Land sowie 1965 und 1972 die belgische Meisterschaft..
Triumphaler Gewinn bei der Tour der France auf den Champs-Elysées
Aber auch im Radsport-Mekka Frankreich stand er ganz oben auf dem Siegerpodest bei Paris-Roubaix (1969). 1967 gewann er den Ardennenklassiker Lüttich–Bastogne–Lüttich (1967). Hinzu kamen zehn Etappensiege bei der Tour de France sowie der Gewinn des Grünen Trikots im Jahr 1970. 1975 war er der erste belgische Gewinner der Abschluss-Etappe der Tour de France auf den Champs-Elysées in Paris.
Bei den Olympischen Spielen 1964 in Tokio holte Godefroot überdies die Bronzemedaille und stellte damit seine Vielseitigkeit und Ausdauer unter Beweis.
Das Thema Doping holte Godefroot schon als aktiver Fahrer ein
Der über nahezu zwei Jahrzehnte erfolgreiche und gefeierte Godefroot sorgte aber als aktiver Radprofi auch für Aufsehen bei Dopingkontrollen. Nach dem Rennen „Paris–Tours“ im Jahre 1967 und dem „Wallonischen Pfeil“ 1974 verweigerte er Dopingtests. Zu einer ersten Disqualifikation kam es 1974 bei der Flandernrundfahrt wegen des Nachweises der Einnahme von Ritalin.
Zwei Jahre nach dem Abschied von Godefroot aus der Spitze des Bonner Telekom-Teams stürzte „Der Spiegel“ den erfolgreichen Radprofi-Trainer aus Belgien vom Popularitäts-Sockel. 2007 enthüllte der SPIEGEL unter dem Titel „Doping-Enthüllungen rund um das Telekom-Team“, die schon geraume Zeit vermuteten Skandale im internationalen Radsport.
Epo-Virus erschütterte Radsportszene und führte zur Aberkennung von Tour-Siegertitel
Der belgische Erfolgstrainer auf deutschen Boden bestritt zu Lebzeiten jegliche aktive Beteiligung an Doping in seinem Telekom-Team. »Ich habe Doping in unserem Radsport-Team weder organisiert noch finanziert«, erklärte er vor der Presse. Er habe etwas geahnt, aber nichts gewusst: Und weiter: „Dass ich nicht wusste, was lief, bedeutet nicht, dass ich blind war für das, was sich Mitte der Neunzigerjahre in die Mitte des Pelotons eingeschlichen hatte“, rechtfertigte er sich seinerzeit.
„Rennfahrer wuchsen auf unerklärliche Weise über ihre Möglichkeiten hinaus“, so Godefroot, als seinerzeit der damals sogenannte Epo-Virus schließlich identifiziert wurde. Wer davon betroffen war, wollte Godefroot nicht gewusst haben.
Belgischer Masseur widerspricht seinem Landsmann und Telekom-Teamchef
Dem widersprach der ebenfalls im belgischen Gent geborene langjährige ehemalige Telekom-Betreuer Jef D’hont allerdings entschieden. Als ehemaliger belgischer Masseur des Profi-Radrennstalls Team Telekom packte er im Jahre 2007 mit Insider-Wissen über systematisches Doping im Radsport aus.
Er räumte in einem Spiegel-Interview ein, dass er bei den Fahrern das Geld für die Dopingmittel eingesammelt und dann Godefroot gegeben habe. Und auch der frühere dänische Mannschaftskapitän Bjarne Riis belastete den ehemaligen Team-Chef im Nachhinein. Godefroot hätte von den Praktiken wissen müssen, wenn er nicht „auf einem Auge blind gewesen sei“, so der Ex-Tour de France-Gewinner. Seine Aussagen führten in der Folge zu mehreren Geständnissen von Radprofis. Im Strudel der Doping-Machenschaften wurde das Bonner Telekom-Radsport-Team letztlich aufgelöst.
Shooting-Radrennstar Ullrich stürzt ins sportliche und persönliche Abseits
Für Godefroots Top-Schützling Jan Ullrich führte der Doping-Skandal zur persönlichen Katastrophe. Er wurde disqualifiziert und ihm nachträglich der Tour de France Gesamtsieg aberkannt. In der Öffentlichkeit stürzte der langjährige Publikumsliebling in Deutschland in der Folge in die totale Depression.
Merckx trauert um Radsport-Kollegen Godefroot
Radsportikone Eddy Merckx trauert dennoch um seinen einstigen Rivalen. „Walters Tod berührt mich zutiefst“, sagte Merckx gegenüber der belgischen Nachrichtenagentur Belga. Gleichzeitig zollte er Godefroot Respekt: „Er ist sportlich ein großer Rivale gewesen. Seine Erfolgsliste ist beeindruckend. Er war schnell und sehr stark“, so Merckx im Rückblick.







Beiträge und Meinungen