Von Rainer Lütkehus
Die Staats-und Regierungschefs der EU haben der Kommission auf ihrem Gipfeltreffen am 20./21. Oktober grünes Licht für ihr mittlerweile fünftes Notfall-Maßnahmenpaket gegen die Energiepreiskrise gegeben, das sie vor einigen Tagen vorgestellt hatte. Darin enthalten ist ein dynamischer Preisdeckel für Erdgas, den ursprünglich vier Staaten – Belgien, Italien, Polen und Griechenland – gefordert hatten; seither sind weitere Mitgliedstaaten hinzugekommen, so dass es dafür mittlerweile eine Mehrheit gibt.
Bei der dynamischen Preisobergrenze handelt es sich um einen “Preiskorrekturmechanismus”, der sich am Weltmarktpreis für Flüssigerdgas (LNG) orientiert und der nur bei Bedarf, also bei extremer Volatilität und vermutlichen Spekulationen, zum Einsatz kommen soll.
Belgiens Premierminister Alexander De Croo (Open VLD) äußerte sich nach der Tagung zufrieden: „Dies ist ein großer Schritt nach vorn, aber ich werde erst zufrieden sein, wenn die Preisobergrenze in Kraft ist und die Rechnungen wirklich zu sinken beginnen.“ De Croo, der schon seit dem Frühjahr wie sonst kaum jemand auf einen europäischen Gaspreisdeckel dringt, geht davon aus, dass es etwa „zwei bis drei Wochen“ bis zur Konkretisierung dauern wird.
Tatsächlich blieb der Gipfel-Kompromiss in seinen Formulierungen vage. Vereinbart wurde lediglich ein „Fahrplan“. Als nächstes sollen sich die Energieminister der EU-Staaten am Dienstag in Luxemburg damit befassen. Allerdings wird das Vorhaben von einem kleinen Lager, angeführt von Deutschland, gebremst. Es befürchtet, dass bei einem Preisdeckel kein LNG mehr in die EU kommt.
Deutschland bremst und isoliert sich
„Wir haben uns zusammengerauft“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz nach der Sitzung. „Wir haben präzise Leitlinien festgelegt, entlang derer die Energieminister:innen die konkreten Details ausarbeiten können, und zwar einstimmig.“ Sollte das nicht geschehen, müssten sich die EU-Staats- und Regierungschefs erneut damit befassen. „Aber ich hoffe natürlich, dass es den Ministern:innen gelingt, eine einstimmige Einigung zu erzielen.“
Bei Energiefragen stimmen die EU-Regierungen eigentlich mit qualifizierter Mehrheit ab. „Artikel 122 EU-Vertrag sieht eine Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit vor, und das ist der Fall“, stellte De Croo klar. Er rechne jedoch nicht damit, dass dies notwendig sein werde.
Zum großen Block der Preisdeckelbefürworter gehört Belgien, das viel Gas nach Deutschland exportiert. „Ich verstehe die Versorgungsängste Deutschlands“, sagte De Croo. Solidarität sollte sich aber nicht nur auf die Versorgung beziehen, sondern auch auf die Preise. Immerhin exportiere Belgien doppelt so viel Erdgas nach Deutschland als es selbst konsumiere.
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