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Anrüchiger Millionendeal

Capture d’écran 2014-09-27 à 10.42.41Das Antwerpener Diamantenunternehmen Omega Diamonds hat einen Umsatz von ca. 2 Milliarden Euro am Fiskus vorbeigeschleust, indem es das Geld auf Konten in diversen Steuerparadiesen einzahlte. Dann flog der Steuerschwindel auf. Die Justiz ging außerordentlich milde mit Omega um, das sich für 160 Millionen Euro von einer Strafverfolgung freikaufen konnte. Tom Weingärtner macht sich Gedanken über derartige Usancen und die Folgen.

Berthold Brecht hat in der Dreigroschenoper die Frage aufgeworfen: „Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“ Fünf Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise ist diese Frage so berechtigt wie vor achtzig Jahren. Abgewandelt kann man auch fragen: Was ist der Raub von Diamanten gegen den Handel mit Diamanten? Letzteres ist jedenfalls wesentlich lukrativer.

Die Diamantenräuber, die im Februar auf dem Flughafen Zaventem einen Diamantentransport überfielen, erbeuteten Steine im Wert von läppischen 37 Millionen Euro. Der Diamantenhändler Omega, der das Geschäft mit den Preziosen im Prinzip legal betreibt, verdiente alleine damit, dass er fällige Steuern hinterzog. Die Omega-Manager haben sich mit dem belgischen Staat auf eine Nachzahlung von 160 Millionen Euro geeinigt. Jahrelang hat Omega Gewinne aus dem Diamantengeschäft im Kongo und in Angola am belgischen Fiskus vorbeigeschleust.

Ob der Deal mit dem belgischen Fiskus eine strafbefreiende Wirkung entfaltet, steht noch nicht fest. Der Zoll hält an seinem Vorwurf fest, dass Omega Diamanten für 47 Millionen Euro illegal nach Belgien eingeführt hat. Aber das ist nur ein Randaspekt.

Der Kern des Problems liegt darin, dass der allgemeine Verfall der guten Sitten nicht auf die Finanzbranche beschränkt ist. Der ehrliche Kaufmann, der sein Geld im Rahmen der Gesetze verdient, ist eine Spezies geworden, die vom Aussterben bedroht ist. Nicht weil man als seriöser Geschäftsmann verhungern müsste, sondern weil die Hemmschwelle im Umgang mit den Gesetzen und bei der Umgehung von Gesetzen schrittweise abgesenkt wurde.

Der Gesetzgeber ist daran nicht gänzlich unschuldig. Er hat ein immer engeres und komplizierteres System von Regeln und Vorschriften geschaffen, die nur noch schwer zu überblicken sind. Die Behörden können ihre Einhaltung kaum noch garantieren, die Betroffenen können das Wesentliche längst nicht mehr sicher vom Unwesentlichen unterscheiden. Dadurch entsteht eine Grauzone, in der die Grenze zwischen rechtstreuem und rechtswidrigem Verhalten nicht immer klar erkennbar ist. In dieser Grauzone verschwindet das Unrechtsbewusstsein, der Regelverstoß wird zum Kavaliersdelikt.

Das kann keine Entschuldigung dafür sein, Steuern von 150 Millionen zu hinterziehen. Die Umstände, unter denen der Fiskus den Betrug aufdecken konnte, belegen, dass die Manager von Omega planmäßig und mit nachhaltig krimineller Energie vorgegangen sind. Ob sie dabei ein schlechtes Gewissen hatten, wissen wir nicht. Dass sie damit ihren Kredit in der Branche verspielt haben, darf bezweifelt werden. Warum sollte man ihnen verübeln, was Banken oder Internet-Konzerne nicht viel anders machen? Mag sein, dass man dort die Steuergesetze legal umgeht. In der ökonomischen Substanz kann der Unterschied zwischen illegaler Steuerhinterziehung und legaler Steuervermeidung marginal sein.

Der Image-Schaden für den Standort Antwerpen ist dennoch beträchtlich. Niemand weiß, ob es sich bei Omega nur um die Spitze des Eisbergs handelt. Schadensbegrenzung ist das Gebot der Stunde. In der Öffentlichkeit sinkt die Bereitschaft, Steuerhinterziehung als Kavaliersdelikt zu akzeptieren. Die Diamantenwirtschaft in Antwerpen muss jetzt klar machen, dass es sich bei Omega um ein schwarzes Schaf handelt und der Rest der Branche eine weiße Weste hat.

Tom Weingärtner

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