Aktuell, Belgien, Editorial

Tausende im Kulturkampf

Foto: J. Klute

Von Jürgen Klute. Der Kultursektor in Belgien hat am 26. Dezember 2021 nachmittags zu einer Protestveranstaltung auf dem Mont des Arts im Brüsseler Zentrum aufgerufen (siehe dazu auch hier).

Trotz Regens nahmen mehrere Tausend Menschen an der Protestveranstaltung teil. Nach Angaben der Polizei waren es 5.000, nach Zählung der Veranstalter sollen es sogar rund 15.000 gewesen sein (siehe Bruzz.be). Der Protest war eine Antwort auf die Beschlüsse des Konzertierungsausschusses vom 22. Dezember (siehe dazu hier).

Den Organisatoren geht es nicht um eine generelle Ablehnung von medizinisch notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Und sie sprachen sich auch nicht gegen Impfungen gegen Corona aus, wie es die zuletzt zwei von rechten Parteien unterstütze Demonstrationen in Brüssel taten, auf denen es zu Zerstörungen und Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen war.

Die Kulturschaffenden halten die vom Konzertierungsausschusses beschlossenen Maßnahmen für unverhältnismäßig. Etliche Kultureinrichtungen haben sowohl Investitionen in technische Maßnahmen zum Schutz vor Corona-Infektionen getätigt also sonstige Schutzmaßnahmen umgesetzt. Dennoch muss der Kultursektor vorerst sämtliche Aktivitäten einstellen, während gleichzeitig Restaurants, Cafés und Bars geöffnet bleiben dürfen, obgleich die Ansteckungsgefahr dort nicht geringer einzuschätzen ist als in Kultureinrichtungen. Darin sehen die Veranstalter eine Ungleichbehandlung. Weiterhin sorgen sich die Kulturschaffenden um das Überleben ihrer Einrichtungen und um die Arbeitsplätze und Einkommen der Mitarbeitenden.

Als Hauptverantwortlichen für die Schließung des Kultursektors sehen die Veranstalter den Ministerpräsidenten der Region Flandern, Jan Jambon. Er habe aber immerhin geschafft, dass der belgische Kultursektor sich heute vereint habe im Protest gegen die Maßnahmen, kommentierte einer der Redner ironisch.

Eine Reihe von Einrichtungen haben angekündigt, ihre Häuser nicht zu schließen. Am heutigen Sonntag sollen in Brüssel 40 Kinos und Theater geöffnet gewesen sein. Mehrere Brüsseler Bürgermeister – z.b. die von Ixelles und Uccle – haben sich ebenfalls kritisch zu den Maßnahmen geäußert und wollen bei Missachtung der Maßnahmen keine Polizei zur Durchsetzung einsetzen (siehe hier). Mittlerweile hat die Polizeisprecherin für Brüssel und Ixelles angekündigt, die Polizei habe derzeit keine Kapazitäten frei, um Kinos kontrollieren zu können. Und auch aus der Staatsanwaltschaft gab es Signale, dass es dringendere Probleme gäbe.

 

Angesichts dieser Sympathiebekundungen mit den Kulturschaffenden forderte das nationale Corona-Krisenzentrum die Provinzgouverneure und den Brüsseler Ministerpräsidenten dazu auf, die Einhaltung der neuen die seit dem 26. Dezember gelten Corona-Maßnahmen zu kontrollieren, berichtete Flanderninfo am 27. Dezember. Bereits am Tag der Protestaktion berichtete Flanderninfo über Signale aus der Politik, die darauf hindeuten, dass es zu Nachbesserungen der Beschlüsse des Konzertierungsausschusses vom 22. Dezember für den Kultursektor kommen könnte. Laut L’Echo kommentierte der frühere Ministerpräsident der Wallonie und der Vorsitzende der PS Paul Magnette die Entscheidung des Konzertierungsausschusses (Codeco) mit den Worten: “Wir haben beim letzten Codeco kollektiv versagt”.*

Der Protest am Mont des Arts verlief friedlich. Menschen aus allen Altersgruppen waren unter den Teilnehmenden – ganz offensichtlich auch eine ganze Reihe von Mitarbeitenden aus dem Kultursektor.

Die Protestveranstaltung endete mit einer Choreographie von Anne Teresa De Keersmaeker und ihren Tänzerinnen, die inspiriert war von dem Musik-Video „Santé“ von Stromae, einer Hymne an die Menschen, die oft unsichtbar im Hintergrund arbeiten und mit ihrer Arbeit das Funktionieren einer Gesellschaft ermöglichen.

Der Konzertierungsausschusses tritt in Kürze erneut zusammen.

*Aktualisierung vom 27.12.2021

Aktualisierung vom 28:12.2021: Wie Flanderninfo am 28. Dezember berichtete, konnte der belgische Kultursektor mit seiner Protestaktion zumindest einen Teilerfolg erzielen – Theater, Opernhäuser und Konzertsäle dürfen ab sofort wieder öffnen; die Zuschauerzahl bleibt auf 200 begrenzt; diese Regelung gilt allerdings nicht für Kinos.

Aktualisierung vom 29:12.2021: Laut Flanderninfo dürfen nun auch die Kinos in Belgien unter den üblichen Corona-Schutzvorkehrungen wieder öffnen. Der Protest vom 26. Dezember war also auf ganzer Linie erfolgreich. 

 

Fotogallerie

Fotos: Jürgen Klute

 

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